Als der Bundesgerichtshof vor knapp einem Jahr erstmals ein Urteil (IV ZR 144/21) im sogenannten Betriebsschließungs-Komplex fällte, stand die Frage im Zentrum, ob der in den Versicherungsbedingungen zugrunde liegende Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern abschließend ist oder nicht.

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Das markiert den wesentlichen Unterschied zum jüngst verhandelten Fall. Denn in den Versicherungsbedingungen, die in diesem Streitfall zugrunde lagen, wurde kein Katalog oder Liste verwendet. Die streitgegenständliche Klausel hat folgenden Wortlaut:

"3 Versicherte Gefahren und Schäden
3.1 Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten
Der Versicherer leistet … Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)
3.1.1 den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebs oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung); …
3.4 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG."

Dieser Wortlaut sei als dynamischer Verweis auf die jeweils zum Zeitpunkt der Betriebsschließung im IfSG aufgeführten Krankheiten und Erreger zu verstehen, befanden die Karlsruher Richter. Für den konkreten Fall einer Hotelbetreiberin aus Niedersachsen, die ihre Betriebsschließungsversicherung bei der Ergo abgeschlossen hatte, bedeutet das: Für den Zeitraum ab 23. Mai 2020 stehen ihr Leistungen aus ihrer BSV zu. Denn ab diesem Tag wurde das Corona-Virus in das IfSG aufgenommen.

„Wir freuen uns, dass wir mit einem Zug durch alle Instanzen die Interessen der Versicherten durchsetzen konnten. Corona-bedingte Schließungen können – anders als von vielen Versicherern behauptet – also doch von der Betriebsschließungsversicherung gedeckt sein. Damit konnten wir zumindest einem Teil der versicherten Gastronomen und Hoteliers in Deutschland helfen“, kommentiert Dr. Mark Wilhelm das Urteil.

Doch eben 'nur' ein Teilerfolg für Kanzlei Wilhelm und ihre Mandantin. Denn der Argumentation, die Klausel würde gegen das Transparenzgebot verstoßen, folgten die BGH-Richter nicht. Sie schreiben dazu: Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist hinreichend erkennbar, dass der sich nach Ziff. 3.4 BBSG 19 aus dem Wortlaut der §§ 6 und 7 IfSG ergebende Katalog versicherter Krankheiten und Krankheitserreger nicht sämtliche nach dem IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erfasst und daher Lücken im Versicherungsschutz bestehen können. Ihm wird durch die Bedingungen nicht der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des IfSG vom Versicherungsschutz erfasst wird.

Ein weiteres Argument, dem die BGH-Richter nicht folgten, betraf den Umstand, dass Meldepflichten, die Corona betrafen, bereits vor der Aufnahme des Corona-Virus in die §§ 6 und 7 IfSG, ausgedehnt wurden. „Indem die Klausel unmissverständlich die namentliche Benennung der Krankheiten und Krankheitserreger in den §§ 6 und 7 IfSG verlangt, macht sie für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer das Anliegen der Beklagten erkennbar und nachvollziehbar, den Versicherungsschutz jedenfalls auf die im Gesetz selbst benannten Krankheiten und Krankheitserreger zu begrenzen“, heißt es im BGH-Urteil dazu.

Der Versicherten stehen also für den 2. Lockdown Leistungen aus der BSV zu; für den 1. Lockdown hingegen nicht.

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