Der Gesetzentwurf zur Aktienrente ist noch gar nicht beschlossen, da sorgt er bereits für heftige Debatten. Während Ökonomen warnen, die angedachte Summe sei nicht ausreichend, um die gesetzliche Rente zu stabilisieren, kommt auch Kritik aus einer anderen Richtung: missmutig äußern sich nun jene, die Aktien-Investments grundsätzlich kritisch sehen.

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Was bisher bekannt ist: Laut dem Gesetzentwurf aus dem Bundesfinanzministerium soll ein öffentlich verwalteter Fonds errichtet werden, der einen Kapitalstock aus Aktien und Fonds aufbaut. Dieser soll eingesetzt werden, um Beitragszahler zur gesetzlichen Rente ab Mitte der 2030er Jahre mit dem angesparten Kapital zu entlasten - und das Rentenniveau zu stabilisieren. Denn die gesetzliche Rentenversicherung sieht sich damit konfrontiert, dass im Umlagesystem immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner gegenüber stehen. Schon heute finanzieren zwei sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Ruheständler. Zunächst will der Bund 10 Milliarden Euro als Darlehen geben - dann soll jährlich die Bundesregierung im Rahmen des Bundeshaushaltes entscheiden, wie viel Geld der Aktienrente zufließt.

“Hohe Risiken“

Die Grünen sehen stark vereinfacht die Gefahr, dass mit dem Geld an den Börsen gezockt wird. Der Plan, "die Rente in Deutschland schon in 10 bis 15 Jahren durch Anlagen auf dem Kapitalmarkt zu stabilisieren", berge im aktuell schwierigen wirtschaftlichen Umfeld "hohe Risiken", sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch. Er verwies auf den norwegischen Staatsfonds. Dieser hatte im Jahr 2022 einen Rekordverlust von rund 150 Milliarden Euro zu verkraften: ein Minus von 14,1 Prozent. Grund hierfür seien der Ukraine-Krieg, die Inflation und die steigenden Leitzinsen, wie Nicolai Tangen, Chefanleger des Staatsfonds, Anfang Februar in einer Pressekonferenz berichtete. Mit Ausnahme der Energiebranche hätten alle Sektoren des Aktienmarktes negative Renditen verkraften müssen.

Fakt ist aber auch: Blickt man auf die langfristige Entwicklung des Staatsfonds aus dem erdölreichen Land, so ist die Rendite positiv. Laut dem Anlageexperten Christian W. Röhl habe der norwegische Staatsfonds seit 1996 umgerechnet 580 Milliarden Euro erwirtschaftet - trotz aller Krisen dieser Zeit, etwa der Dotcom-Blase oder der weltweiten Finanzkrise von 2008. Hinzu kämen 180 Milliarden Euro aus Jahresgewinnen. Auch Nicolai Tangen rechnet damit, dass es sich im abgelaufenen Jahr um einen Ausrutscher handle - und der Fonds langfristig wieder zu alter Stärke zurückkehren kann. Denn das Geld ist nicht einfach verloren - stark vereinfacht bedeutet das Aktien-Investment, dass der Fonds noch immer die Anteile an den Unternehmen hält.

Kritik äußerte auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der dem Aktien-Investment grundsätzlich kritisch gegenüber steht. Vorstandsmitglied Anja Piel sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, es handle sich um „realitätsferne Schwarzmalerei“, dass überhaupt Aktien nötig seien, um die gesetzliche Rente zukunftsfest zu machen. Christian Lindner wolle Beschäftigte in die Arme der privaten Versicherungswirtschaft treiben, kritisierte sie. Diese Einschätzung verwundert. Wird die Aktienrente tatsächlich von einer öffentlichen Stiftung verwaltet, wären die Privatversicherer -Stand jetzt- außen vor. Auch kämen die Beschäftigten gar nicht direkt in Berührung mit der Aktienrente.

Dennoch kündigte Piel bereits einen Arbeitskampf an. „Sollte der Finanzminister weiter davon träumen, für sein Projekt der Aktienrente mit dem Geld der Beitragszahler zu zocken, kann er sich warm anziehen“, drohte sie - es sei mit „erbittertem Widerstand aller Gewerkschaften“ zu rechnen. Der DGB präferiert bereits seit längerer Zeit, die gesetzliche Rente nach dem Vorbild Österreichs umzubauen. Im Nachbarland zahlen auch Selbstständige und Beamte in die Rentenkasse ein, die Arbeitgeber beteiligen sich mit mehr Beitrag. Im Schnitt erhalten österreichische Durchschnittsverdiener 800 Euro mehr Bruttorente im Monat.

Kenfo könnte Verwaltung übernehmen

Die FDP reagierte auf die Kritik - wodurch neue mögliche Details zur Aktienrente öffentlich wurden. So warf Fraktionsvize Christoph Meyer der Gewerkschafterin vor, fehlerhaft zu argumentieren. „Positionen wie die des DGB zeigen deutlich, dass irrationales, unsachliches Agieren das Armutsrisiko Nummer eins für die deutsche Gesellschaft ist", sagte er. Die Aktienrente solle „von der etablierten und vertrauenswürdigen Kenfo“ gemanagt werden.

Die Kenfo ist eine öffentlich-rechtliche Stiftung, die zu dem Ziel gegründet wurde, die Zwischen- und Endlagerung von Atomabfällen in Deutschland zu finanzieren. Auf 24 Milliarden Euro beziffert sich das verwaltete Vermögen bisher. Das Geld stammt von den Betreibern der noch aktiven und früheren Kernkraftwerke. Der Kenfo hat einen Großteil der Mandate an spezialisierte Asset Management­-Gesellschaften vergeben.

Ob es eine gute Entscheidung ist, die Aktienrente dem Atomfonds anzuvertrauen, kann zumindest diskutiert werden: Sie könnte Ängste schüren, dass der Kapitalstock zweckentfremdet wird, zum Beispiel für energiepolitische Aufgaben. Denn die Gelder, über die Kenfo verfügt, reichen nicht annähernd aus, um das Atomproblem zu lösen. Nach Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums summieren sich die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung von Atomabfällen auf 169 Milliarden Euro.

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Tatsächlich besteht auch an anderer Stelle Expertise in Sachen öffentliche Geldanlagen. Die Bundesbank verwaltet die Altersvorsorge für Beamte, Richter und Soldaten - und legt die zugeteilten Gelder ebenfalls am Kapitalmarkt an. Die besondere Pointe: Die Beamtenversorgung wurde schon deutlich zeitiger auf kapitalmarktnahe Anlagen umgestellt als die gesetzliche Rente.