Pflegeversicherung: Eigenanteile fürs Pflegeheim steigen erneut deutlich
Die Eigenanteile, die pflegebedürftige Heimbewohner zahlen müssen, sind erneut deutlich angestiegen. 2.411 Euro müssen Betroffene Stand 1. Januar 2023 im Bundesschnitt zahlen: ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 13,0 Prozent. Es mehren sich Stimmen für weitere Reformen, um Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu entlasten.
Die Eigenanteile, die vollstationär Betreute im Pflegeheim zahlen müssen, sind erneut deutlich angestiegen. Im Bundesschnitt müssen die Pflegebedürftigen im ersten Pflegeheim-Jahr 2.411 Euro aus eigener Tasche zahlen, wie Zahlen des Verbands der Ersatzkassen (vdek) zeigen. Dabei eingerechnet ist bereits ein Zuschuss von fünf Prozent, mit denen die Bewohnerinnen und Bewohner bei den „reinen“ Pflegekosten entlastet werden. Die jüngste Datenauswertung bezieht sich auf den Stichtag 1. Januar 2023.
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Große regionale Unterschiede
Zwischen den Bundesländern zeigen sich hierbei große Unterschiede. Am tiefsten müssen die Pflegebedürftigen im Saarland in die Tasche greifen, wo im ersten Pflegejahr 2.782 Euro fällig werden: in dem Bundesland stieg der Eigenanteil um 12,9 Prozent binnen Jahresfrist. Es folgen Baden-Württemberg (2.772 Euro, +11,8 Prozent), Nordrhein-Westfalen (2.713 Euro, +8,7 Prozent) und Rheinland-Pfalz (2.447 Euro, +10,2 Prozent).
Am anderen Ende der Skala platziert sich Sachsen-Anhalt mit den geringsten Kosten im ersten Heimjahr. Hier beziffert sich der Eigenanteil im ersten Pflegejahr auf 1.823 Euro, wobei auch im östlichen Bundesland ein sattes Plus von 17,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr beobachtbar ist. Sachsen-Anhalt ist auch das einzige Bundesland, wo der Eigenanteil noch unter 2.000 Euro liegt. In Brandenburg mit den zweitniedrigsten Kosten müssen bereits 2.025 Euro gezahlt werden (+12,8 Prozent), in Thüringen 2.029 Euro (+14,5 Prozent) und in Mecklenburg-Vorpommern 2.106 Euro (+26,9 Prozent). Die anderen Bundesländer platzieren sich dazwischen.
Entlastungs-Reform zeigt wenig Wirkung
Die aktuellen Daten der Ersatzkassen verdeutlichen, dass die Reform zur finanziellen Entlastung Pflegebedürftiger wenig Wirkung zeigt. Um Pflegebedürftige finanziell besserzustellen, hat die frühere schwarz-rote Bundesregierung unter Jens Spahn (CDU) vor der Bundestagswahl noch eine Pflegereform in Kraft gesetzt, die seit Anfang 2022 greift.
Doch bezuschusst wird lediglich der sogenannte einrichtungs-einheitliche Eigenanteil (EEE), stark vereinfacht die reinen Pflegekosten. Diesen müssen laut gesetzlichen Vorgaben alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad zwei bis fünf in gleicher Höhe zahlen, wenn sie im Pflegeheim betreut werden. Durch den Leistungszuschlag verringert sich der jeweilige persönliche Eigenanteil der Pflegekosten, ansteigend mit Dauer der Pflege. Im ersten Jahr trägt die Pflegekasse fünf Prozent des pflegebedingten Eigenanteils, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent.
Hinzu gesellen sich jedoch der Kostenanteil für Unterkunft und Verpflegung sowie für Investitionen. Hierfür ist keinerlei Deckel und keine Entlastung vorgesehen. Für Unterkunft und Verpflegung waren im Bundesschnitt zum 1. Januar 857 Euro monatlich zu zahlen, für Investitionen weitere 427 Euro.
Zudem sind die Zuschüsse für den Pflegeanteil in den ersten Jahren vergleichsweise gering. Wer sich länger als zwölf Monate bis 24 Monate im Pflegeheim aufhielt, musste mit 25 Prozent Zuschuss immer noch 2.183 Euro im Bundesschnitt aus eigener Tasche stemmen. Wer länger als 24 Monate und bis zu 36 Monate im Pflegeheim war, zahlte 1.955 Euro dank 45 Prozent Zuschuss. Ab 36 Monaten waren 1.671 Euro Eigenanteil zu zahlen.
Politische Debatte über weitere Entlastungen
Der weiterhin ungebrochene Trend zu höheren Eigenanteilen lassen Forderungen nach weiteren Reformen laut werden. Susanne Schaper, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion in Sachsen, sagte der Leipziger Volkszeitung (LVZ): „Die Pflegebedürftigen und ihre Familien werden derzeit mit den horrend gestiegenen Zuzahlungen allein gelassen. Gerade in den neuen Bundesländern, mit gebrochenen Nachwende-Erwerbsbiographien und einem niedrigen Rentenniveau, ist es absolut unrealistisch, dass die Zuzahlungen noch zu leisten sind“.
Zwar erhalten Pflegeheim-Bewohner Hilfe zur Pflege, wenn sie die Pflegeheim-Kosten nicht stemmen können. Doch zunächst müssen sie eigenes Vermögen aufbrauchen. Der VDEK Sachsen warnt zudem, dass auch die Leistungen für häusliche Pflege sich deutlich verteuert haben. Denn noch immer werden zwei von drei Pflegebedürftigen zuhause betreut, in der Regel von Angehörigen. Viele Pflegende würden aufgrund der gestiegenen Kosten auf Hilfe verzichten, etwa beim An- und Auskleiden oder beim Waschen, berichtet der Verband. So drohe eine ausreichende Pflege im Alter zum Privileg zu werden: zulasten der Menschenwürde.
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Ein weiteres Problem: Gerade in ländlichen Regionen, wo viele ältere Menschen leben, fehlt es an mobilem Pflegepersonal. Eine bundesweite Befragung des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) aus dem Jahr 2019 zeigt entsprechende Engpässe: Von 535 befragten ambulanten Pflegediensten gab mehr als die Hälfte (53 Prozent) an, dass benötigte Stellen für Pflegefachpersonen seit mindestens drei Monaten nicht besetzt werden konnten. 80 Prozent der Dienste berichten zudem, in den letzten drei Monaten Versorgungs-Anfragen abgelehnt zu haben, weil sie die Pflege nicht hätten sicherstellen können. Dreizehn Prozent der Dienste geben sogar an, in den letzten drei Monaten Klienten gekündigt zu haben, weil sie deren Versorgung nicht sicherstellen konnten.