Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) will die deutschen Lebensversicherer auf Wohlverhaltensregeln verpflichten und damit vor allem gegen die hohen Effektivkosten vorgehen, die aus Sicht der Behörde oft zu hoch sind. Verbände und Lobbygruppen konnten hierzu Stellung beziehen, um noch auf mögliche Änderungen hinzuwirken.

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Das hat nun auch der Bund der Versicherten (BDV) getan. Auf dessen Statement durfte man gespannt sein - kritisiert der Verband die Lebensversicherer doch seit Jahren scharf. Dass die kapitalbildende Lebensversicherung „legaler Betrug“ sei, weil die Verträge angeblich nicht halten, was die Prognosen versprechen, stammt aus einer Broschüre des Verbandes, die bereits im Jahr 1982 veröffentlicht wurde.

Dass der Verband den Lebensversicherern nach wie vor kritisch gegenüber steht, merkt man schon an manch polemischer Formulierung im Pressetext. Dort ist davon die Rede, dass die BaFin plane, „die Exzesse im provisionsgesteuerten Vertrieb von kapitalbildenden Lebensversicherungen zu unterbinden“. Auch habe BaFin-Chefaufseher Frank Grund beim Versicherungstag der Süddeutschen Zeitung „einigen Branchenfürsten klargemacht, dass die Provisionsschindereien ein Ende finden müssen“, heißt es weiter.

Positives Feedback für BaFin-Pläne

Grundsätzlich fällt das Feedback des BDV zu den Plänen der Finanzaufsicht positiv aus. „Wir bekommen den Eindruck, dass die BaFin endlich das tun will, was eine gute und effektive Aufsichtsbehörde ausmacht: den Markt aktiv vor verbraucherschädigendem Verhalten zu schützen“, sagt BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke. Anklang fanden vor allem die Vorgaben, mit denen der Nutzen der kapitalbildenden Policen für Sparerinnen und Sparer bewertet werden soll.

Positiv hob der Verband hervor, dass die Vorgaben im Rahmen der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD von der Finanzaufsicht nun präzisiert werden sollen. So soll der Kundennutzen an folgenden Regeln bewertet werden:

  • Mit Blick auf den Vertrieb soll der Zielmarkt in „ausreichender Detailtiefe“ analysiert werden. Hier kritisiert der BdV, dass die Versicherer bei Bestimmung des Zielmarktes und der Geeignetheitsprüfung oft Selbstverständlichkeiten formulieren. Als Beispiel wird genannt: „Das Produkt eignet sich für Kunden, die über einen längerfristigen Zeitraum flexibel für ihre Zukunft vorsorgen wollen und zum Rentenbeginn eine lebenslange Rente oder eine Kapitalzahlung erhalten möchten“. Hier soll ähnlich wie bei der Beratung zu Anlageprodukten stärker der „reale Anlageerfolg“ anhand verschiedener Performance-Szenarien verbindlich festgelegt werden.
  • Ebenfalls positiv sieht der BdV: Der Kundennutzen soll auch anhand der Stornoquote bewertet werden, also anhand der Frage, wie viele Kundinnen und Kunden ihren Vertrag vorzeitig kündigen. Dies lasse aber unberücksichtigt, dass manche Verträge gar nicht vorzeitig gekündigt werden können: etwa Basisrenten, die nur beitragsfrei gestellt werden könnten. Auch würde die BaFin in einem Beispiel eine jährliche Stornoquote von 3,69 Prozent nicht als kundenschädigend einstufen. Hier stelle sich die Frage nach Schwellenwerten, ab wann viel Storno als „kundenschädigend“ bewertet werden könne.
  • Überprüfung der Frontlastigkeit der Abschlussprovisionen und ihre Auswirkung auf die Renditeentwicklung insbesondere bei vorzeitiger Vertragsbeendigung: Stark vereinfacht kann es den Anlageerfolg negativ beeinflussen, dass hohe Abschlussprovisionen berechnet und die Kosten gezillmert werden: also über die ersten fünf Vertragsjahre verteilt. Hier hatte die BaFin gefordert, die Kosten gleichmäßiger über die gesamte Vertragslaufzeit zu strecken, auch unter dem Aspekt einer vorzeitigen Vertragsbeendigung
  • Einschluss der Entwicklung der Inflation bei Bewertung des „realen Anlageerfolges“: Der Kundennutzen soll sich nach Ansicht der BaFin auch daran messen lassen, ob der Anlageerfolg eines Vertrages über der zu erwartenden langfristigen Inflation liegt. Kritisch sieht der BdV, dass die BaFin mit zwei Prozent Inflation rechnet. Dies sei angesichts der derzeitigen Rekordinflation von sieben bis zehn Prozent, die auch künftig zu höherer Geldentwertung führen könnte, zu gering.
  • Nachweis von erhöhtem Kundennutzen bei unterschiedlichen Vergütungen desselben LV-Produktes einschließlich möglicher verstärkter Interessenkonflikte im Vertrieb: Die BaFin schreibt in ihrem Merkblatt fest, dass die Versicherer Interessenskonflikte der Kunden untereinander vermeiden sollen, etwa Quersubventionierungen bestimmter Verträge zulasten anderer Versicherter. Zudem könne es zu Fehlanreizen durch unterschiedlich hohe Abschlussprovisionen kommen. Auch hier sollen die Versicherer den Kundennutzen beachten.
  • Offenlegung von Rückvergütungen: Bei Fondspolicen fließen nicht nur Provisionen, sondern auch sogenannte Kickbacks: Damit lassen sich die Lebensversicherer bei fondsgebundenen Policen dafür entlohnen, dass sie in bestimmte Fonds investieren. Zum Teil sind diese Kosten intransparent und werden den Kunden berechnet. Hier verlangt die BaFin künftig mehr Transparenz - allerdings ohne Kickbacks explizit zu verbieten.

In seiner Stellungnahme moniert der BdV aber, dass der Entwurf noch viele Fragen aus Verbrauchersicht offenlässt. So werde beispielsweise die zu berücksichtigende Inflationsrate mit lediglich zwei Prozent jährlich angesetzt, was auch längerfristig als viel zu niedrig erscheine. Auch Koppelpunkte (Zusatzversicherungen wie Berufsunfähigkeit) würden gar nicht erwähnt, obwohl der BdV deren Nutzen kritisch bewertet. Zudem solle weiterhin die Kennziffer der Effektivkosten für Renditeprognosen verwendet werden, die aber irreführend sei, solange die zugrunde liegenden Renditeannahmen nicht offengelegt werden müssten.

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Vor allem gebe der Entwurf keine Antworten darauf, wie diese „intensivierte Aufsicht" konkret von der BaFin umgesetzt werden soll und was bei Verstößen gegen die „wohlverhaltensaufsichtlichen" Anforderungen gegenüber den Lebensversicherern und den Vertrieben tatsächlich passieren soll, bemängelt der Verband. Sanktionsmöglichkeiten bis hin zu Produktinterventionen, das heißt Vertriebsverboten, seien gesetzlich vorhergesehen. „Ohne konkrete und für alle nachvollziehbare Schwellenwerte kann sich das Merkblatt auch schnell als Papiertiger entpuppen“, sagt Rehmke.