Seit 2012 gibt es in allen EU-Staaten bei den gesetzlichen Versicherungen keine tariflichen Unterschiede mehr zwischen Frauen und Männern. Aber wie sieht es in der Realität aus? Sind Frauen und Männer mittlerweile finanziell gleichgestellt?

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Regina Halmich: Nein, sind sie nicht. Frauen verdienen immer noch durchschnittlich weniger als Männer und werden für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt. Das ist einer der Gründe, warum immer noch meistens die Frau wegen der Kinderziehung im Beruf kürzertritt, selbst wenn es nur vorübergehend ist: Wer in der Ehe mehr verdient, wird auch eher weiterarbeiten.

Hermann Schrögenauer: Die finanzielle Perspektive vieler Frauen war schon vor Krieg, Inflation und Rezession durch Teilzeitbeschäftigung, ungleiche Bezahlung und Altersarmut getrübt. Die schlechte Wirtschaftsstimmung spüren sie jetzt besonders deutlich. Trotzdem ziehen immer noch nur die Wenigsten die finanziell richtigen Konsequenzen.

Hermann Schrögenauer (Vorstand der LV 1871) und Boxweltmeisterin Regina Halmich gehen gemeinsam in den Ring, um sich für das Thema finanzielle Unabhängigkeit und Sicherheit stark zu machen.LV 1871

Was wären denn richtige Konsequenzen?

Hermann Schrögenauer: Private Vorsorge und renditestarke Anlageoptionen. Machen wir uns nichts vor – der Generationenvertrag wackelt, die staatliche Absicherung wird für Millionen Frauen in Zukunft nicht reichen: Jede dritte Frau mit Vollzeitstelle in Deutschland steuert auch nach 40 Jahren Erwerbstätigkeit auf eine Rente von weniger als 1000 Euro netto zu. Viele wissen das, wie unser Financial Freedom Report zeigt. Jede vierte Frau hat konkrete Zukunftsängste bei dem Gedanken an die privaten Finanzen. Gleichzeitig träumt der Großteil aber weiter vom Ruhestand mit 60 und verlässt sich für die Zeit danach weitestgehend auf die staatliche Rente. Statistiken zeigen, dass Frauen im Durchschnitt seltener Versicherungen abschließen und auch weniger investieren als Männer. In unserer Studie nennen nur 9 Prozent auch Geldanlagen und Kredite als Einnahmequelle – unter den Männern sind es hingegen immerhin knapp 24 Prozent.

Regina Halmich: Was zum Teil auch verständlich ist. Jahrhunderte lang war es ja überhaupt nur Männern erlaubt sich mit Themen wie Geldanlage und Finanzplanung auseinanderzusetzen. Bis 1962 zum Beispiel durften Frauen noch nicht mal ein einiges Bankkonto eröffnen. Diese Dinge muss man im gesamthistorischen Kontext einordnen. Und dann wirken Finanzenthemen auf viele Menschen erstmal kompliziert und überfordernd – gerade, wenn man hier, wie viele Frauen, in der Position des Underdogs ist. Tradierte Geschlechterrollen und die immer noch weit verbreitete Vorstellung, dass Finanzen Männersache sind, helfen da nicht weiter. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Frauen jetzt in die Offensive kommen.

Hermann Schrögenauer: Ganz genau. Ein Ignorieren des Problems ist an dieser Stelle fatal! Ansonsten steht man bei unvorhergesehenen Ereignissen schnell vor dem Nichts.

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Regina Halmich: Leider ja, ohne Absicherung bedrohen finanzielle Niederschläge die ganze Existenz. Das habe ich in meinem eigenen Umfeld oft erleben müssen. Durch finanzielle Vorsorge ist mir auch nach dem Karriereende vieles erspart geblieben. Grundsätzlich reden wir dabei nicht von Millionen. Es geht nur darum, so viel Geld wie möglich klug anzulegen, um sich für die Zukunft abzusichern.

Die Finanzbranche entdeckt Frauen für sich und umgekehrt

Was ist dafür nötig?

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Regina Halmich: Die gleichen Tugenden wie im Boxring: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und aktives Handeln. Im Job und bei Gehaltsverhandlungen nicht immer nur höflich und bescheiden auftreten, sondern den eigenen Selbstwert erkennen und für sich einstehen. Auch das ist ein Kampf, und dafür braucht es eine Strategie. Ebenso sollte man in Partnerschaften die gemeinsame Finanzplanung transparent gestalten und sich die eigene Unabhängigkeit bewahren – sonst bedeutet eine Trennung auch schnell mal den Knockout. Und der lässt sich vermeiden. Für ein selbstbestimmtes Leben und Absicherung ist grundlegendes Finanzwissen nötig. Das ist wie Training – du wirst immer stärker. Und ganz ehrlich: Das ist kein Hexenwerk. Jede Frau kann mit Wissen und den richtigen Mitteln schon heute die richtigen Weichen stellen.

Hermann Schrögenauer: Dabei weisen einige Studien sogar darauf hin, dass Frauen am Kapitalmarkt tendenziell besser mit Geld umgehen als Männer. Wer damit trotzdem Berührungsängste hat, sollte zumindest überlegen, sich über eine private Rentenversicherung abzusichern. Daneben gibt es noch andere Versicherungsprodukte, die einen Schutzschirm für Frauen darstellen können. Mit einer Risikolebensversicherung beispielsweise können Ehepartner, Kinder und weitere Hinterbliebene im Todesfall finanziell abgesichert werden. Auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist sinnvoll, denn bei Frauen liegt das Risiko, berufsunfähig zu werden, sogar noch etwas höher als bei Männern. Nur wenige wissen, dass auch Hausfrauen und Hausmänner, die gar nicht gesetzlich abgesichert sind, eine BU abschließen können.

Womit wir beim Thema wären: Die Versicherungsbranche hatte lange Zeit vorrangig gutverdienende Männer als Zielgruppe im Fokus. Hat sich das gewandelt?

Hermann Schrögenauer: Frauen sind durchaus eine interessante Zielgruppe für uns. Denn auch wenn wir bisher eher pessimistisch geklungen haben, hat sich in den letzten Jahren doch viel getan: Die meisten Frauen bestreiten ihren Lebensunterhalt heutzutage selbst, auch Aufstiegsmöglichkeiten und Gehälter nähern sich in der Tendenz denen von Männern an. Die Finanzbranche entdeckt Frauen für sich und umgekehrt.

Regina Halmich: Das wurde aber auch Zeit, oder?

Hermann Schrögenauer: Stimmt. Und auch wenn Frauen ihren männlichen Gegenüber noch hinterherhängen mögen, setzen sie sich mehr als je zuvor mit Finanzplanung und Investment auseinander. Die Themen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Trotzdem gibt es nach wie vor noch große Versicherungslücken und Aufklärungsbedarf, bei denen Makler und Finanzberater ansetzen können.

Worauf sollten Makler und Finanzberater achten, wenn sie mit Frauen ins Gespräch kommen wollen?

Hermann Schrögenauer: Generell gilt, dass erfolgreiche Geschäftspartner die Lebensrealitäten ihrer Kunden verstehen lernen und ihnen kommunikativ auf Augenhöhe begegnen sollten. Damit das gelingt, ist es hilfreich, die weibliche Perspektive von Anfang miteinzubeziehen und die richtigen Kanäle zu nutzen. Auch das ist ein Grund dafür, warum wir Regina Halmich als glaubhafte Botschafterin für unsere Themen engagiert haben.

Regina Halmich: Egal ob Trainer, Manager oder Finanzberater: Um zu wachsen, braucht man Menschen um sich herum, denen man vertrauen kann. Meine Trainer haben mich als Sportlerin besser gemacht, und so sehe ich auch Makler: Sie sind die Experten, die dich weiterbringen – als Coach oder als Sparringspartner. Das funktioniert am besten, wenn sie dich absolut individuell unterstützen.

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