„In Reitbeteiligungen endet die Freundschaft meist beim Thema Geld“
Anja Tylkowski und Vater Peter Tylkowski haben sich unter anderem auf Versicherungen rund ums Pferd spezialisiert: Seit 1990 führen sie eine Versicherungsagentur der Gothaer Versicherungen mit Filialen in Zeuthen, Berlin und Brandenburg. Im Gespräch klärt die Expertin darüber auf, welche Haftungs- und Kostenrisiken drohen, sobald Pferdeliebhaber einfach eine Police ohne Beratung abschließen. Aber auch über Probleme ihrer Kunden durch Corona und die aktuelle Inflation kann die erfahrene Vermittlerin einiges erzählen.
- „In Reitbeteiligungen endet die Freundschaft meist beim Thema Geld“
- „Bisher haben mich die ganzen Big Player noch nicht unruhig gemacht.“
Versicherungsbote: Vor Corona zeigten Auswertungen, dass die Deutschen etwa 5 Milliarden Euro jährlich für ihre Haustiere ausgeben. Wie hat sich bei Ihnen das Geschäft seither entwickelt? Gab es einen „Corona-Knick“?
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Anja Tylkowski: Den Zuwachs an Haustieren in den Lockdown-Phasen haben wir durchaus bemerkt. Es wurden vermehrt Hunde und Katzen angeschafft – und diese dann zur Haftpflicht und Tierkrankenversicherung angemeldet. Der Vertrieb hat in den Bereichen geboomt. Jedoch kam mit der wiederkehrenden Reisemöglichkeit auch eine vermehrte Abgabe der Tiere.
Obwohl die Tierheime nun wieder gut gefüllt sind, haben wir in unserem Kundenkreis zum Glück wenig davon mitbekommen, dass die Tiere nach Corona wieder im Tierheim abgegeben wurden. Was wir allerdings während Corona sehr stark gespürt haben, ist, dass die Reitbetriebe an finanzielle Grenzen gekommen sind und viele schließen mussten. Vor allem die reinen Schulbetriebe. Während der Lockdown-Phasen waren die Reitbetriebe in Teilen geschlossen, weil auch kein Reitunterricht draußen stattfinden durfte. Jedoch sind die Fixkosten in der Pferdehaltung extrem hoch. Unter den Inhabern kam es immer wieder zu der Aussage, dass ein Kurzarbeitergeld für die Pferde nötig wäre.
Nun sind inzwischen auch die Mahnlisten bei meinen Kunden sehr lang, denn die Folgen der letzten Jahre machen sich bemerkbar und sind nun natürlich durch die gestiegenen Energiekosten und auch durch die extrem gestiegenen Tierarztkosten sehr deutlich spürbar geworden. Aber wir helfen, wo wir können. Es ist jedoch auch wirklich schwer im Moment für die Tierhalter, die ihren Lebensunterhalt mit den Tieren bestreiten.
Ihr Betätigungsfeld erstreckt sich nicht nur auf Haustiere, sondern vor allem auf Pferde und den damit verbundenen gewerblichen Teil. Wie kam es dazu?
Als wir im Bereich der Tierversicherungen gestartet sind, haben wir von dem Nischen-Zustand in diesem Bereich auch dahingehend profitiert, dass wir das private Haustiergeschäft „schreiben“ konnten. Mit den Jahren ist der Kampf um die Tierhalter online eine große Herausforderung geworden. Werbung zu schalten auf Suchbegriffe wie „Pferdehaftpflicht“ und „Hundekrankenversicherung“ ist in der Regel betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar oder sinnvoll.
Mit dem Produkt der Reitlehrer-Haftpflicht sind wir vor Jahren in den gewerblichen Tierhalterbereich eingestiegen. Dies kam jedoch aus einer besonderen Situation, die aus der privaten Pferdehaltung resultiert. Wir sind stark auf die Absicherung von Reitbeteiligungen spezialisiert. Wenn ein privater Pferdehalter sich eine Reitbeteiligung sucht, dann lässt er in der Regel mehrere Bewerber oder Bewerberinnen probereiten und gibt auch für einen festgelegten Zeitraum erstmal Unterricht auf seinem eigenen Pferd. Genau diese Haftungssituation wurde vorher nicht ausreichend abgesichert.
Wir haben also die Versicherung zu Beginn an private Pferdehalter vermitteln müssen, die auf ihren eigenen Pferden gelegentlich Reitunterricht gegeben haben. Inzwischen ist es so, dass wir diesen Baustein in der privaten Pferdehaftpflichtversicherung mitversichert haben und dass wir den Fokus auf das Gewerbegeschäft noch mal neu gesetzt haben. Wir haben inzwischen ein Konzept erarbeitet, das einzelne Lösungen für Reitschulen, Reiterhöfe, Hippotherapeuten, Zucht- und Pferdepensionsbetriebe und eben unsere Reitlehrer und Bereiter beinhaltet. Dieses Konzept ist unser Herzstück und Stolz.
Kleiner Blick in die Praxis: Was wird denn von Pferdebesitzern bzw. Reiterhof-Eigentümern oft unterschätzt und welche Folgen können damit verbunden sein?
Es besteht generell das Problem, dass mit dem Wachsen der ganzen Vergleichsportale viele Menschen glauben, dass sie sich grundlegend selbst beraten und versichern können. Gerade im Bereich der privaten Pferdehalter-Haftpflicht wird, sicher auch folgend aus dem oben genannten Kostendruck, um jeden Euro gefeilscht und am Ende die Haftungsgrundlage nicht richtig verglichen.
Wir sprechen hier von Jahresbeiträgen von unter 100 Euro, verglichen auf ein circa 600 Kilo schweres Fluchttier. Wenn diese 600 Kilo beschließen, den Reiter abzuwerfen und sich allein auf die „Socken“ zu machen, dann sind die Schäden, die daraus entstehen, stets um ein Vielfaches höher als eine maximale Ersparnis von 30 Euro im Jahr.
Unterschätzt wird am häufigsten im Bereich der Reiterhöfe die nicht vorhandene Deckung der Schäden am Pensionspferd oder aber eine Begrenzung dieser Schäden. Das heißt: alle Reiterhofbetreiber oder auch ganze Pensionsställe, die fremde Pferde eingestellt haben, haben sehr oft die Schäden an den eingestellten Pferden nicht versichert oder nur mit einem Sublimit von 5.000 oder 10.000 Euro je Pferd. Kommen diese Pferde beispielsweise durch falsche Fütterung um oder verletzen sie sich oder landen auf der Bundesstraße, weil der Zaun kaputt ist, dann kann der Betrieb letztlich schließen.
Mindestens genauso schlimm ist es, dass all die privaten Pferdehalter, die dann ihre Pferde verloren haben, auch keinerlei Erstattung erhalten werden. Bei diesem Thema rede ich mir, gelinde gesagt, den Mund fusselig. Wir hatten all diese genannten Beispiele hier in der Agentur gehabt. Tote Pferde auf der Bundesstraße, kollidiert mit mehreren PKW, viele tote Pferde nach falscher Fütterung, Pferde, die bei einem Brand gestorben sind. Aber auch viele kleinere Dimensionen wie eine 6.000-Euro-Klinik-Rechnung, weil sich das Pferd an einem Tor verletzt hat, bringen die Pferdehalter an ihre Grenzen.
Reiten ist mitunter ein teures Hobby. Deshalb finden sich oft Reitbeteiligungen zusammen. Worauf ist dabei in Sachen Versicherungsschutz zu achten?
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Eine sehr spannende Frage! Das Thema Reitbeteiligungen ist eines meiner Spezialthemen. Der Zusammenschluss von Pferdehalter und Reitbeteiligung ist nicht zwingend ein Kostenthema, vielmehr ein Zeitthema. Ich hatte damals auch eine Reitbeteiligung, die mich einfach dahingehend unterstützt hat, meine Stute zweimal die Woche mitzureiten, weil ich es selbst nicht an diesem Tag in den Stall geschafft habe. Oder gerade in der Zeit, in der die Stute krank war, brauchte ich Hilfe, weil jemand morgens und abends in den Stall musste. Hat man dann eine Reitbeteiligung, die hilft, dann nimmt man kein Geld oder eben wirklich nur wenige Euro.
„Bisher haben mich die ganzen Big Player noch nicht unruhig gemacht.“
Bei einem Zusammenschluss von Pferdehalter und Reitbeteiligung ist das größte Problem, dass die Freundschaft beim Geld endet. Will sagen, die Reitbeteiligung kümmert sich und hilft und macht und tut, aber verschuldet sie einen größeren Schaden, sei es am Sattel oder schlimmstenfalls am Pferd, dann ist Stress vorprogrammiert. Im entgegengesetzten Fall kommt es dann zu einem Problem, wenn der Reitbeteiligung etwas passiert. Oft sind das junge Menschen im Alter von zum Beispiel 18 Jahren, sodass die Eltern versuchen, den Pferdehalter in Haftung zu nehmen.
Wir haben das große Glück, dass wir in unserem Produkt mit der Gothaer sowohl die Schäden an der Reitbeteiligung als auch die Schäden durch die Reitbeteiligung versichert haben. Wenn die Krankenkassen mit ihren Regressansprüchen auf die Pferdehalter zugehen, können wir helfen.
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Darüber hinaus können wir in unseren Konzepten eine grundsätzliche Haftungsfrage lösen, die für viele Reitbeteiligungen eine große Bürde bedeutet hat. Ich versuche mal, das Problem zu übersetzen. Im Konstrukt von Reitbeteiligung und Pferdehalter haben wir immer ein Haftungsproblem: Der Pferdehalter ist der Eigentümer des Pferdes und der Tierhüter ist die Reitbeteiligung. Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass eine gute Reitbeteiligung eine fachliche Hilfe und Unterstützung ist, und dass sie, wenn man Glück hat, das eigene Pferd genauso liebt wie man selbst. Dass inzwischen ein ganz normales Warmblut 10.000 Euro im Einkauf kostet, das ist so. Was macht man nun, wenn die Reitbeteiligung mit dem Pferd ausreitet und das Pferd durch einen Sturz so schwer verunglückt, dass es eingeschläfert oder für einen fünfstelligen Betrag operiert werden muss?
In den Gesprächen mit einer Reitbeteiligung geht es eher immer darum, ob diese überhaupt noch 50 Euro Kostenbeteiligung im Monat zahlen kann. Wie soll diese sich an einer 10.000-Euro-Klinikrechnung beteiligen, oder aber, wenn das Pferd verstirbt, zu einer Neuanschaffung beitragen? Auch eine Beratung zu diesem Kostenrisiko ist wichtig, aber es bedarf auch immer Menschen, die zuhören! Ich bin froh, dass wir diese Haftungslücke schließen konnten.
Für welche Zielgruppen eignen sich Pferde-Lebensversicherungen und welche Rolle spielt das für Ihr Geschäft?
Die Pferde-Lebensversicherung eignet sich gleichermaßen für private Pferdehalter, die freizeitmäßig dem Reitsport nachgehen als auch für Pferdehalter im Leistungs- und Spitzensport. Wir haben in unserem Kundenbestand beide Zielgruppen versichert. Das Grundprinzip ist ebenso in beiden Zielgruppen identisch: verstirbt das versicherte Pferd, so kann mit der Auszahlung der entsprechend gewählten Versicherungssumme ein neues Pferd angeschafft werden. Hierzu muss die Versicherungssumme aber auch dem Wert des Pferdes entsprechen, sonst reicht die Auszahlung nicht für eine Neuanschaffung.
In der konkreten Bedarfsermittlung zum passenden Versicherungsschutz ergeben sich in der Praxis zwei Ansätze.
Der private Pferdehalter, der eine durchschnittliche Versicherungssumme von 5.000 Euro für den Todesfalls eines Pferdes festlegt, nutzt dieses Geld in der Regel dafür, um die letzte Tierarzt-Rechnung, den Abtransport und auch das Krematorium für das Pferd zu bezahlen.
Im Leistungssport oder generell bei Pferden über einem Wert von 50.000 Euro wird die Versicherungssumme oftmals dafür eingeplant, im Todesfall ein neues Pferd anschaffen zu können oder im Fall der dauernden Unbrauchbarkeit des versicherten Pferdes ein neues Pferd kaufen zu können. Dies ist vor allem in der Zucht von Bedeutung oder wenn ein Pferd aus dem Springsport durch eine Beinverletzung nicht mehr springen darf. Durch die ausgezahlte Versicherungssumme kann parallel ein neues Pferd angeschafft werden.
Wie steht es um die Transportkosten, wenn ein Pferd erkrankt ist und operiert werden muss? Solche Eingriffe können ja sicher nicht in jeder Tierklinik durchgeführt werden. Werden Krankentransportkosten auch ersetzt?
Es ist genau so, dass Pferde oftmals in der Tierklinik operiert werden. Kleine Operationen können auch im Stall stattfinden, das ist allerdings nicht die Regel. Problematisch wird es meist dann, wenn eine Notoperation unerwartet und zeitnah erfolgen muss. Hier beginnt die Problematik bereits an dem Punkt, dass nicht jeder private Pferdehalter einen eigenen Pferdeanhänger besitzt. Kleinere Gemeinschaften privater Pferdehalter haben des Öfteren einen gemeinsamen Anhänger, der vor Ort am Stall steht und in Notsituationen genutzt werden kann. Kann das Pferd noch mit einem Hänger selbst in die Klinik gefahren werden, so sind die Transportkosten überschaubar.
Manchmal ist es so, dass Pferde aber nicht mehr selbst in die Klinik transportiert werden können, weil sie beispielsweise nicht mehr stehen können. Es gibt in Deutschland Fuhrbetriebe, die sich auf den Transport von Pferden spezialisiert haben, die nicht mehr stehen können – beispielsweise durch eine starke Hufrehe, eine Beinverletzung. Diese Spezialtransporte im Kran sind natürlich kostenintensiv. Die Transportkosten werden nicht ersetzt. Ich persönlich empfinde dies allerdings auch nicht als bedeutend, da alle begleitenden Kosten deutlich höher sind als die des Transportes.
Wer beispielsweise ein Pferd mit einer Beinverletzung zur Tierklinik bringen muss, was nicht mehr stehen kann und daher hängend transportiert werden muss, der wird von den Klinikkosten finanziell mehr aus der Bahn geworfen werden als durch die Transportkosten. Durch die neue Gebührenordnung der Tierärzte erleben wir derzeit eine dramatische Situation im Bereich der privaten Tierhalter. Oftmals sind die finanziellen Mittel schon knapp kalkuliert. Nun haben sich in Teilen die reinen Vorsorgekosten verdreifacht. Die Gabe der Tetanusimpfung, die für die Teilnahme an Turnieren einmal im Jahr verpflichtend ist, kostet nun um die 150 Euro statt vormals 50. Die Vorsorge und Absicherung von Tierarztkosten im Rahmen einer Tierkrankenversicherung ist folglich elementar wichtig. Hat man diese Vorsorge getroffen, kann man auch die Transportkosten am Ende noch stemmen. Hat man keine Vorsorge getroffen, so muss der Tierhalter im Moment wirklich entscheiden, ob er mit dem Pferd überhaupt noch in die Klinik fahren kann. Das ist eine emotional furchtbare Situation.
Sie arbeiten im Exklusiv-Vertrieb für die Gothaer. Welchen Vorteil bietet das für Ihre Kunden?
Unsere Agentur ist seit 1990 erfolgreich für die Gothaer und den Kooperationspartner Uelzener tätig. Das hat den großen Vorteil, dass wir im Hause der Gothaer wahrgenommen werden und uns inzwischen als Spezialist im Bereich der Tierversicherungen einen Namen gemacht haben. Wenn wir in der Agentur einen Bedarf erkennen, dann gibt es im Hause Gothaer immer Menschen, die sich mit mir an einen Tisch setzen und an einer bedarfsgerechten Versicherungslösung arbeiten. Aus genau diesen Gesprächen ist beispielsweise unser Reiterhof-Konzept entstanden, was wirklich einzigartig auf dem Markt ist.
Welche Vorteile hat das also für die Kunden? Wir sind nicht bei zehn Gesellschaften irgendeine Nummer, wir sind für die Gothaer ein sehr verlässlicher, erfolgreicher Partner und können somit Dinge möglich machen, die am Ende unseren Kunden im Versicherungsumfang und auch im Preisgefüge einen Vorteil bieten.
In jüngerer Vergangenheit drängen immer mehr Anbieter – auch ausländische „Big Player“ – auf den deutschen Tierversicherungsmarkt. Wie verändert das Ihr Geschäft?
Generell schaue ich immer sehr wachsam, aber positiv in die Zukunft. Bisher haben mich die ganzen Big Player noch nicht unruhig gemacht. Wie bereits erwähnt, wird der Vertrieb einfacher privater Absicherungen immer schwieriger. Hier ist der Wettbewerb und die Kostenquote sehr hoch, jedoch sind wir mit unserer Spezialisierung sehr oft die besseren Ansprechpartner als die Big Player, inländisch wie ausländisch, die einfach mehr Google-Budget verwalten.
Mit hohem Budgeteinsatz eine 08/15-Unfallversicherung anzupreisen ist keine Kunst. Allerdings einen Reiter wirklich bedarfsgerecht zu beraten und zu versichern, das ist die Kunst, die ich beherrsche. Und ich setze nach wie vor darauf, dass sich Qualität durchsetzen wird. Ich kenne meinen Wert in der Beratung und vor allem auch in der Schadensbegleitung.
Was an dieser Stelle überheblich klingen mag, projiziere ich jedoch auf jegliche Art der Spezialisierung. Ich selbst maße mir auch nicht an, der perfekte Ansprechpartner für einen Oldtimerliebhaber oder einen Jäger zu sein. Auch hier verweise ich sehr gern an Spezialisten aus dem Kollegenkreis und lege den Kunden nahe, mit einem Partner zu sprechen, der die Sprache auch versteht.
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Die Fragen stellte Michael Fiedler; der Text erschien zuerst im kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 01/2023.
- „In Reitbeteiligungen endet die Freundschaft meist beim Thema Geld“
- „Bisher haben mich die ganzen Big Player noch nicht unruhig gemacht.“