Sozialabgaben zur Rente erhöhen Armutsgefahr
1,1 Millionen Rentnerinnen und Rentner mit mindestens 35 Beitragsjahren rutschen unter die Armutsschwelle, weil sie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen müssen. Das zeigen aktuelle Zahlen der Bundesregierung.
Armutsrisiko Sozialbeiträge zur Rente? Das lassen zumindest Zahlen vermuten, die die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken vorgelegt hat. Demnach liegen 5,2 Millionen Ruheständler mit über 35 Jahren Beitrags-Zahlungen unter der aktuellen Armutsschwelle. Ohne Abzug der Sozialabgaben, die auf die Rente bezahlt werden müssen, wären es nur 4,1 Millionen Betroffene. Über die Zahlen berichtet zuerst die „Augsburger Allgemeine“.
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Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch wertet die aktuellen Daten als Beleg dafür, dass im Rentensystem etwas in Schieflage geraten ist. "Das Rentenniveau ist aktuell zu niedrig und die Abgaben sind zu hoch“, sagte er dem Augsburger Blatt. "Wenn über 1,1 Millionen Rentner allein wegen der Sozialabgaben in Armutsgefahr rutschen, ist das ein inakzeptabler Befund.“ Neben einer Anhebung des Rentenniveaus fordert Bartsch eine Sozialversicherungs-Reform.
Zu beachten ist hinsichtlich dieser Zahlen, dass es sich um relative Armut handelt. Diese ist von absoluter Armut abzugrenzen, die etwa durch Notlagen wie Hunger und Obdachlosigkeit gekennzeichnet ist. Eine Person gilt nach der EU-Definition als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Die Armutsschwelle liegt aktuell bei monatlich 1.251 Euro Nettoeinkommen.
Jeder sechste Deutsche ist armutsgefährdet
Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes galten im Jahr 2021 rund 13 Millionen Deutsche als armutsgefährdet: aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Das entsprach 15,8 Prozent der Gesamtbevölkerung, betraf folglich etwa jeden sechsten Bürger bzw. jede sechste Bürgerin. Im Alter sind vor allem Frauen von Altersarmut bedroht, bei den Frauen ab 65 Jahren fiel das Armutsgefährdungsrisiko im Jahr 2021 mit 21,0 Prozent deutlich höher aus als bei den Männern derselben Altersklasse mit 17,4 Prozent.
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Besonders von Armut bedroht sind nach Haushaltstypen aber nicht primär Rentnerinnen und Rentner. Ein besonders hohes Armutsrisiko haben Alleinerziehende: Im Jahr 2021 war demnach mehr als ein Viertel der Personen aus Alleinerziehendenhaushalten (26,6 Prozent) armutsgefährdet. Auch Kinderreichtum erhöht das Armutsrisiko. Personen in Haushalten von zwei Erwachsenen mit drei und mehr Kindern hatten mit 23,6 Prozent eine deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegende Armutsgefährdungsquote. Das geht aus den Erstergebnissen der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) 2021 hervor.