Bundeskabinett beschließt Reform der Pflegeversicherung
Das Bundeskabinett hat am Donnerstag einen Gesetzentwurf für eine Pflegereform beschlossen. Für Pflegebedürftige in Heimen soll es höhere Zuschläge geben, Eltern mit zwei und mehr Kindern sollen in der Erziehungsphase entlastet werden. Zunächst aber müssen die Bürgerinnen und Bürger eine erneute Erhöhung der Pflegebeiträge schlucken.
In den letzten Monaten wurde viel darüber diskutiert, nun legt die die Bundesregierung Fakten vor: Am Mittwoch hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeversicherung beschlossen. "Die Bundesregierung reagiert damit auf die stark steigenden Kosten sowohl in der stationären als auch der ambulanten Pflege. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber beauftragt, bis Mitte des Jahres Eltern mit mehreren Kindern bei der Bemessung der Beiträge im Vergleich zu Kinderlosen deutlicher zu bevorzugen als heute“, teilt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Internetseite mit.
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Die gesetzliche Pflegeversicherung soll demnach in zwei Schritten reformiert werden. Zum 1. Juli 2023 soll die finanzielle Grundlage stabilisiert werden. Das ist ein notwendiger Schritt, hat die Pflegeversicherung doch schon im Vorjahr ein Defizit von rund 2,2 Milliarden Euro verzeichnet: Tendenz steigend. Ab Januar 2024 sollen dann Leistungsverbesserungen in Kraft treten. Und schließlich werden sämtliche Leistungsbeträge zum 1. Januar 2025 nochmals spürbar angehoben.
Höherer Pflegebeitrag ab 1. Juli 2023
Was sich hinter der Floskel „finanzielle Grundlage stabilisieren“ verbirgt, werden die Bürgerinnen und Bürger sehr schnell am eigenen Geldbeutel merken. Bereits zum 1. Juli 2023 sollen die Beitragssätze zur Pflegeversicherung steigen. Kinderlose zahlen dann 4,0 Prozent Pflegebeitrag statt - wie bisher - 3,4 Prozent. Und Eltern mit einem Kind müssen 3,40 Prozent statt bisher 3,05 Prozent zahlen.
Entlastet werden dagegen Eltern mit zwei und mehr Kindern: zumindest im Vergleich zu anderen Beitragszahlern, denn auch sie müssen zunächst mehr zahlen. So wird der Beitragssatz zur Pflegeversicherung pro Kind um 0,25 Beitragssatzpunkte gesenkt. Damit soll auch angemessen auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 reagiert werden, wonach die Kinderzahl bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung berücksichtigt werden muss (1 BvL 3/18). Die Krux: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat hier gegenüber früheren Plänen noch einmal eingegriffen und die Regeln zum Nachteil der Eltern geändert. Denn der Rabatt gilt nur noch, solange die Kinder jünger als 25 Jahre sind. Vor allem Rentnerinnen und Rentner, die Kinder großgezogen haben, gehen damit leer aus.
Konkret bedeutet das: Gesetzlich Pflegeversicherte mit zwei Kindern unter 25 Jahren zahlen ab 1. Juli 2023 einen Pflegebeitragssatz von 3,15 Prozent - und damit immer noch mehr als heute. Sie werden künftig also stärker belastet. Dem entgegen zahlen Versicherte mit drei Kindern einen Beitragssatz von 2,90 Prozent, Versicherte mit vier Kindern von 2,65 Prozent und Versicherte mit 5 oder mehr Kindern von 2,40 Prozent (siehe Tabelle).
Weitere Reformvorschläge, um die Pflegeversicherung finanziell auf bessere Beine zu stellen, enthält der Gesetzentwurf aber nicht. Lediglich die Anhebung des Pflegebeitrags ist hier vorgesehen. Durch die höheren Beiträge sollen 6,6 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich eingenommen werden. Die Bundesregierung soll darüber hinaus ermächtigt werden, den Beitragssatz künftig durch eine Rechtsverordnung festzusetzen, sofern auf kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss. Damit werden die Hürden für eine weitere Erhöhung des Pflegebeitrags gesenkt, die Zustimmung des Bundestags und des Bundesrates wäre nicht mehr erforderlich.
Weitere Reformvorhaben
- Um die häusliche Pflege zu stärken, wird das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent erhöht. Auch die ambulanten Sachleistungsbeträge werden dann um fünf Prozent angehoben. Hier gilt es zu bedenken, dass dies die erste Erhöhung des Pflegegeldes seit 2017 ist. Die hohe Inflation kann damit kaum ausgeglichen werden: auch im letzten Jahr, als die Inflationsrate teils im zweistelligen Bereich lag, gab es nicht mehr Geld für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen.
- Das Pflegeunterstützungsgeld kann von Angehörigen künftig für bis zu zehn Arbeitstage je Kalenderjahr und je Pflegebedürftigen in Anspruch genommen werden. Es ist damit nicht mehr auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je Pflegebedürftigen begrenzt. Auch diese Neuregelung soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Das Pflegeunterstützungsgeld ist eine Lohnersatzleistung, die es den pflegenden Angehörigen ermöglichen soll, ihrem Job für bestimmte Zeit fernzubleiben, wenn ein akuter Pflegefall in der Familie auftritt. Es muss bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person beantragt werden.
- Für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sollen die 2022 eingeführten Entlastungszuschläge ebenfalls ab Januar 2024 angehoben werden. Das betrifft den Eigenanteil im Pflegeheim, der allein für Pflegeleistungen zu zahlen ist. Wie stark sich der Eigenanteil reduziert, richtet sich nach der Aufenthaltsdauer im Heim. Im ersten Heimjahr werden Pflegebedürftige demnach um 15 Prozent entlastet statt bisher um fünf Prozent, im zweiten Heimjahr um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 statt 70 Prozent. Weiterhin keine Entlastung gibt es hingegen bei den Unterkunfts-, Verpflegungs- und Investitionskosten, die Heimbewohner ebenfalls zahlen müssen.
- Geld- und Sachleistungen sollen automatisch an die Inflation angepasst und somit dynamisiert werden. Details, wie das geschehen soll, stehen noch nicht fest, sollen aber noch in dieser Legislaturperiode ausgearbeitet werden. Als Zeitpunkt für die Dynamisierung werden der 1. Januar 2025 und der 1. Januar 2028 genannt.
- Die komplex und intransparent gewordenen Regeln zum Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in § 18 SGB XI werden neu strukturiert und systematisiert, so dass verfahrens- und leistungsrechtliche Inhalte in voneinander getrennten Vorschriften übersichtlicher und adressatengerechter aufbereitet werden sollen.