Als die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen 2021 ihren Koalitionsvertrag vorstellte, übernahm sie ein Vorhaben von der Vorgängerregierung. Die doppelte Haltelinie bei der gesetzlichen Rente sollte bis 2025 nicht angetastet werden. Das heißt, die Regierung sichert ein Mindestrentenniveau von 48 Prozent zu, gleichzeitig soll der Beitragssatz zur gesetzlichen Rente nicht über 20 Prozent steigen. Wird dieses Ziel gefährdet, fließen Bundeszuschüsse, um Rentenniveau und Beitragssatz zu stabilisieren.

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Doch nun droht eine Reform das Rentenniveau zu gefährden, die auf den ersten Blick nichts mit der Rente zu tun hat. Bereits zum 1. Juli will die Bundesregierung den Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung um 0,35 Prozentpunkte anheben. Notwendig ist das, weil in den Pflegekassen ein Milliardenloch klafft: Schon 2022 soll sich das Defizit nach Schätzungen auf 2,2 Milliarden Euro summiert haben. Zwar ist geplant, Eltern mit zwei und mehr Kindern beim Pflegebeitrag zu entlasten. Das gilt aber nur, wenn die Kinder jünger als 25 Jahre sind. Rentnerinnen und Rentner profitieren folglich nicht von der Entlastung.

Rentnerinnen und Rentner werden stark belastet

Das Problem: Rentnerinnen und Rentner werden durch die geplante Pflegereform vergleichsweise stark belastet. Und dadurch droht das Rentenniveau bereits 2024 unter die Haltelinie von 48 Prozent zu fallen. Das berichtet die BILD-Zeitung am Mittwoch und beruft sich dabei auf ein internes Gutachten der Deutschen Rentenversicherung (DRV).

Konkret hätte die im Referentenentwurf vorgesehene Anhebung des Beitragssatzes zur Folge, „dass das Rentenniveau 2023 im Vergleich zum geltenden Recht um 0,04 Prozentpunkte geringer ausfallen würde (Finanzschätzung Februar 2023); die Haltelinie Rentenniveau würde 2024 und damit ein Jahr früher greifen“, zitiert die BILD aus dem Gutachten.

Hintergrund ist, dass Rentnerinnen und Rentner von ihrer Bruttorente auch Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zahlen müssen. Während der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zur Hälfte von der Rentenkasse übernommen wird, gilt das für die Pflegeversicherung nicht. Den Beitragssatz für die Pflege müssen Ruheständler allein stemmen. Nach dem Referentenentwurf der Bundesregierung soll der Pflegebeitrag für Kinderlose bereits ab Juli 2023 auf 4,0 Prozent steigen. Eltern sollen ab Juli 3,40 Prozent Pflegebeitrag zahlen. Eine Entlastung für Eltern mit mehreren Kindern wird - wie bereits erwähnt - nur gewährt, wenn das Kind jünger als 25 Jahre ist.

Im Schnitt werden Rentnerinnen und Rentner durch die Pflegereform folglich mehr belastet als Beschäftigte, weshalb das Rentenniveau sinkt. Zu beachten ist hierbei, dass das Rentenniveau eine fiktive Größe ist. Für das Rentenniveau wird die Nettorente eines sogenannten Standardrentners (das ist ein Rentner mit 45 Beitragsjahren als Durchschnittsverdiener) ins Verhältnis gesetzt zu dem jeweils aktuellen Nettoarbeitsentgelt eines Durchschnittsverdieners bzw. einer Durchschnittsverdienerin. Ein sinkendes Rentenniveau bedeutet folglich, dass die Renten langsamer steigen als die Durchschnittseinkommen.

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Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, sieht dennoch Korrekturbedarf beim vorliegenden Referentenentwurf für die Pflegereform. Durch das Gesetz werde es „für fast alle Versicherten teurer, ohne dass sich die Leistungen für Pflegebedürftige angemessen verbessern. Die Bundesregierung spielt mit dem Vertrauen der Bürger in die Pflegeversicherung“, sagt Kiefer der BILD. Und weiter: „Ich habe den dringenden Appell an die Bundestagsabgeordneten, das Gesetz im jetzt beginnenden parlamentarischen Verfahren gründlich zu ändern, damit es den Pflegebedürftigen wirklich hilft.“