Sachversicherungen: „Vergleichs-Software hilft nur eingeschränkt“
Sachversicherungen sind zunehmend einfach online per Vergleichsportal abzuschließen, so ein oft gehörtes Klischee. Aber stimmt es überhaupt? Tarife werden komplexer und die Leistungsbausteine vielfältiger. Welche Rolle in diesem Spannungsfeld der Makler hat, erklärt Stephan von Heymann (aruna) im Interview.
- Sachversicherungen: „Vergleichs-Software hilft nur eingeschränkt“
- Werden neue Leistungsbausteine nur für Vergleichsrechner konstruiert?
Versicherungsbote: Wir möchten mit Ihnen über die Vergleichbarkeit von Sachversicherungen reden – bzw. deren Grenzen. Wie hat sich der Sach-Markt aus Ihrer Sicht entwickelt?
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Die Produkte in den Sachsparten sind in den letzten Jahren insgesamt immer leistungsstärker geworden. Immer neue Leistungspunkte finden Berücksichtigung. Diese – für den Endkunden selbstverständlich durchweg positive – Entwicklung stellt den Makler jedoch vor neue Herausforderungen. Was ist für den Kunden nun das richtige Produkt? Mehr als je zuvor gilt: Um den Kunden hier korrekt beraten zu können, muss ich immer mehr von ihm wissen – vom Beruflichen bis zu den einschlägigen Freizeitaktivitäten. Welche Sachwerte besitzt der Kunde im Detail? Worauf legt der Kunde seinen Schwerpunkt, was ist ihm wichtig? Hier hilft dem Makler zum Teil die Vergleichssoftware: Mr-Money, Softfair, NAFI oder IMA. Aber auch im Gewerbebereich gibt es mit Thinksurance mittlerweile eine sehr weitreichende Vergleichsplattform.
Aber warum habe ich hier eine Einschränkung gemacht, indem ich sagte, diese Software hilft ihm „zum Teil“? Sie hilft ihm, wenn er selbst die zu vergleichenden Tarife auch inhaltlich, zumindest in groben Zügen, kennt. Sie hilft ihm weniger, wenn er sich blind auf sie verlassen muss, denn er übernimmt die Haftung für Missverständnisse und Fehler bei der Berechnung über diese Vergleicher. Derartige Fehler können aus fehlerhafter Eingabe durch den Nutzer oder aus Fehlern in der Dienstleistung der Vergleichssoftware resultieren. Sie können aber auch aus mangelndem Fachwissen des Nutzers resultieren. Ich muss also auch die Bedarfe kennen, wenn wir als Beispiel die verschiedenen Bedarfe in einer Betriebs- oder Vermögensschadenhaftpflicht nehmen. Hier muss ich beim Kunden zunächst die richtigen Fragen stellen und muss mich individuell mit den Themen Haftung und Deckung beschäftigen. Die gute Nachricht ist also: die beste Vergleichssoftware und der beste Algorithmus können das Fachwissen des Maklers bis heute nicht ersetzen.
In den vergangenen Jahren gab es mehrere Großschadenereignisse. Da seien zum einen viele Betriebschließungen während der Corona-Zeit und auch die Flutkatastrophe im Ahrtal genannt. Welche Nachwehen hat das in den Beständen bzw. haben diese Ereignisse einen Einfluss auf das Abschlussverhalten der Kunden?
Wir verzeichnen eine deutliche Nachfrage in den Bereichen Elementarschadendeckung und Allgefahrendeckung. Zudem haben wir in der Corona-Zeit, wenn Sie hier schon die Betriebsschließung ansprechen, gesehen, welcher Versicherer hier unkompliziert entschädigt hat und welche Versicherer sich hinter Paragraphen versteckt und gewunden haben. Namen möchte ich nicht nennen, die Insider wissen, wen ich meine. Leider gilt dies jedoch gleichermaßen für die Flutkatastrophe. Auch hier wurde, selbst wenn eine Elementardeckung platziert war, längst nicht immer schnell und unkompliziert entschädigt. Die Makler und auch deren Mandanten mussten hier leider manchmal auch erst aus Schaden klug werden (3 Euro fürs Phrasenschwein). Dies ist kein Vorwurf, denn im Einzelnen konnte man oft gar nicht absehen, ob man richtig versichert ist. Oder sagen wir besser: ob man bei DEM RICHTIGEN versichert ist.
Die Allianz vereinfacht ihre Produkte und auch Check24 & Co. mögen standardisierte Tarife, da diese besser zu vergleichen sind. Sehen Sie hier eine generelle Entwicklung im Markt? Wo sehen Sie Chancen und Risiken einer standardisierten Produktpalette?
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Nun, meines Erachtens benötigen die Versicherer eine deutliche Effizienzsteigerung in der Verarbeitung der Angebotsdaten. Da liegt es nahe, die Tarife auch danach auszurichten, wie sich diese auf den Vergleichsplattformen am sinnvollsten einbinden lassen. Auch Kunden und Makler können davon durchaus profitieren, wenn der Versicherer sich umfangreicher Pauschaldeklaration bedient, um Vergleiche zu ermöglichen. Machen wir ein Beispiel: nicht jeder Hausbesitzer besitzt ein Nebengebäude auf seinem Grundstück, nur manche besitzen eines. Nun kann ich also hingehen und eine umfangreiche Abfrage für die Wertermittlung machen. Oder ich sage einfach: Nebengebäude der Bauartklasse i-III auf dem Versicherungsgrundstück bis zu einer Fläche von 50qm gelten beitragsfrei zum gleitenden Neuwert als mitversichert. Bei der Wertermittlung mache ich es dem Vergleicher gegebenenfalls schwer, bei der Pauschaldeklaration laufen die Angebote gut durch. Dafür gibt es zahlreiche solche Beispiele bis hin zu den Annahmerichtlinien. Standardisierung muss also nicht immer schlecht sein, solange sie zum Kunden passt. Hier ist wieder der Makler gefragt. Bei Risiken, die nicht standardisierbar sind, gewinnt der Makler und dessen Fachwissen an Bedeutung. Insgesamt sollten uns Check24 und Co. keine grauen Haare wachsen lassen, denn sie machen meines Erachtens keine ordentliche Kundenberatung. Sie machen keine intensive Bedarfsermittlung und sie lassen den Kunden mit der Produktentscheidung alleine. Das wäre so, als würde meine Autowerkstatt mit einer geschlossenen Frage von mir wissen wollen, welche Bremsbelege ich gerne montiert haben würde: A, B oder C? Da würde ich wohl passen müssen.
Werden neue Leistungsbausteine nur für Vergleichsrechner konstruiert?
Jede neue Tarifgeneration bringt auch neue Leistungsbausteine mit sich. Die Verträge werden dadurch immer komplexer – und damit auch schwieriger zu vergleichen. Welche Probleme bringt diese Entwicklung mit sich?
Überhaupt keine, wenn man die Tarife und die Kunden ein wenig kennt. Ein Bauhandwerker muss schließlich auch wissen, welches Dichtmittel für welchen Einsatz das richtige ist und welches Werkzeug er benutzt. Vergleichsrechner vergleichen auch nicht alle Punkte und machen auch manchmal Fehler. Deshalb sollte der Makler in erster Linie Tarife anbieten, mit denen er sich selbst intensiv genug beschäftigt hat. Hier reichen meines Erachtens drei bis fünf Tarife pro Sparte. Wenn der Kunde dann einen anderen Tarif bevorzugt, zum Beispiel, weil der billiger ist, dann protokolliere ich, dass sich der Kunde entgegen meinem Rat entschieden hat und gut. Ich habe ja eine hinreichende Anzahl von Tarifen im Vergleich, davon habe ich drei explizit empfohlen und kann dies begründen, der Kunde entscheidet am Ende. Auf das sehr umstrittene Verivox-Urteil möchte ich hier nicht eingehen, wonach der Makler auf eine eingeschränkte Tarifauswahl hinweisen muss, dazu gibt es, denke ich, ausreichend viele Publikationen. Im Zweifel bleibt immer noch die Variante BEST-ADVICE. Ich empfehle also immer nur die TOP-Tarife und dokumentiere abweichende Kundenentscheidungen detailliert.
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Einen weiteren Aspekt möchte ich dabei auch nicht unberücksichtigt lassen. Vergleichsrechner können in der Regel nur aktuelle Tarife untereinander vergleichen. Zur haftungssicheren Beratung gehört es jedoch selbstverständlich auch, den Alttarif des Kunden mit den neuen Angeboten zu vergleichen. Im Privatkundensegment bietet Franke und Bornberg mit dem Produkt „fb vertragscheck“ eine Lösung. Kleiner wertfreier Hinweis: mit Wirkung zum 1. Januar 2023 erwarb die Swiss Life Deutschland Holding GmbH die Franke und Bornberg Research GmbH. Augen auf beim Eierkauf! Alternativ wäre auch die Software von Versnavi zu nennen, welche auch bei Mr-Money eingebettet ist. Beides kostenpflichtig. Im Gewerbebereich ist mir eine Software, die auch Alttarife in die Betrachtung einbezieht, bisher nicht bekannt. Meine Aussagen funktionieren also auch bei ausreichendem Tarifwissen sicher nur für Neuabschlüsse ohne Vorvertrag, weniger für Umdeckungen. Ich möchte behaupten, dass Umdeckungen mehr als 70 Prozent aller Kundenanfragen ausmachen. So relativiert sich Ihre Frage. Es genügt also nicht, nur die aktuellen Tarife untereinander treffsicher analysieren und das Angebot entsprechend aufbereiten zu können, ich muss dazu auch im Hinblick auf einen etwaigen Altvertrag in der Lage sein. Nach heutigem Stand kommt man dann nicht umhin, wirklich die Bedingungen des Altvertrages intensiv zu studieren. Dazu muss man natürlich wissen, auf welche Leistungspunkte man pro Sparte zu achten hat. Hier kann die Expertise eines Maklerpools durchaus hilfreich sein, ebenso gibt es in den neuen Medien zahlreiche Netzwerke, bei denen sich Makler gegenseitig austauschend unterstützen. Ich möchte hier nur einmal die Initiative von Versicherungsmakler Andreas Lohrenz „Rockit“ nennen.
Werden die neuen Leistungsbausteine nur für Vergleichsrechner konstruiert?
Wer schlau ist, macht das so, ja. Wer zu detailverliebt herangeht, hat zumindest beim Vertrieb über diese Plattformen klare Nachteile oder gegebenenfalls seine Tarife auch nicht in allen Details korrekt abgebildet.
Welche neuartigen Leistungsbausteine finden Sie besonders spannend und welche halten Sie für überbewertet?
Für überbewertet: Die Best-Leistungsgarantie oder auch Marktgarantie, erweiterte Vorsorge etc. genannt. Warum sage ich das? Wenn ein Versicherer aus dem eigenen Tarif sehr gute Leistungen mitbringt, dann muss er meines Erachtens nicht noch sagen: „Wenn bei mir etwas fehlt und ein anderer besser ist, dann übernehme ich das“. Dies ist jetzt sehr vereinfacht dargestellt, zugegeben. Wenn ein Versicherer ein sehr schlechtes Bedingungswerk schreibt und dann die Best-Leistungs-Garantie als „Ausputzer“ dran hängt, dann ist das fatal. Denn nahezu alle Best-Leistungsgarantien sind an besondere Voraussetzungen geknüpft und alle haben auch eindeutige Ausschlüsse formuliert.
Was viele auch gerne übersehen, es gibt fast einheitlich immer die Formulierung in den Bedingungswerken: “…sofern zum Zeitpunkt des Schadensereignisses ein in Deutschland zum Betrieb zugelassener Versicherer…“. Ich berate den Kunden heute und muss dann quasi wissen, wer in fünf Jahren, wenn der Schaden eintritt, etwas noch mitversichert hat? Finde ich schwierig. Mir ist es allemal lieber, der Versicherer macht seine Hausaufgaben selber und schreibt ein sehr gutes Bedingungswerk. Wenn er dann noch die Best-Leistungsgarantie dazu gibt, ist dagegen ja nichts einzuwenden. Und in Einzelfällen mag diese auch durchaus dazu beitragen, die Haftung des Maklers zu minimieren. Aber für überschätzt halte ich sie – und das war ja die Frage.
Sehr spannend finde ich dagegen Instrumente wie die sogenannte Besitzstands- oder auch Besserstellungsklausel, die dem Kunden immer die Leistungen aus dem unmittelbaren Vorvertrag garantiert. Somit kann man relativ gefahrlos umdecken, wo meines Erachtens ansonsten ein großes Haftungspotential lag. Wichtig finde ich auch kostenlose Summen- und Konditionsdifferenzdeckungen, gerade im Wohngebäudebereich.
In der Elementarschadenversicherung wird vermehrt über die Grenzen der Versicherbarkeit diskutiert: Grund sind die hohen Kosten aus Naturgefahren. Sehen Sie die Gefahr, dass bestimmte Gebäude oder Leistungen vermehrt nicht versicherbar sind?
Hier sehe ich keine kritische Entwicklung. Es mag Konstellationen geben, die schwieriger sind als andere, aber bisher bringen wir nahezu alle Risiken noch sehr zufriedenstellend unter. Dies gilt auch für die schadensbelasteten Objekte. Oft bedarf dies natürlich dann einer individuellen Ausschreibung dieser Risiken und gegebenenfalls auch einiger Telefonate.
Wie sollte der Markt aus Ihrer Sicht auf dieses Problem reagieren?
Wie gesagt, bin ich mir des Problems zumindest derzeit nicht so recht bewusst. Die Aufgabe eines Maklerpools fängt ja bei den schwierigen Konstellation oft erst an. Das ist sozusagen unser täglich Brot, vielleicht sehe ich es daher entspannter.
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Hinweis: Der Text erschien zuerst im kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 01/2023.
- Sachversicherungen: „Vergleichs-Software hilft nur eingeschränkt“
- Werden neue Leistungsbausteine nur für Vergleichsrechner konstruiert?