In Corona-Zeiten verkündete Allianz-Chef Oliver Bäte stolz, dass 40 Prozent der Belegschaft im Homeoffice arbeiten können. Und zwar dauerhaft: Ein Drittel der hauseigenen Büroflächen könne auf lange Zeit abgebaut werden, sagte der 58jährige im Juli 2020 der Nachrichtenagentur „Reuters“. Da war die Corona-Pandemie gerade in der Hochphase, doch Bäte sah das Homeoffice nicht allein als Maßnahme gegen das Ansteckungsrisiko, sondern auch als Beitrag zum Klimaschutz. Auch Geschäftsreisen der Beschäftigten wollte er massiv reduzieren.

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Umso mehr überrascht es, dass der Haussegen bei der Allianz jetzt wieder schief hängt - wegen eines erbitterten Streits um das Homeoffice. Erneut brodelt es bei der Rückversicherungs-Tochter des Münchener Versicherers, der Allianz Re. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Freitag berichtete, hat deren Betriebsrat beim Arbeitsgericht München eine einstweilige Verfügung gegen Konzernchef Oliver Bäte eingereicht. Am morgigen Dienstag wolle sich das Gericht mit dem Fall befassen.

Homeoffice nur bei Zustimmung der Vorgesetzten?

Worum geht es konkret? Laut FAZ will die Allianz ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verpflichten, wieder ins Büro zurückzukehren. Zunächst gehe es um vier Tage im Monat, die als sogenannte Teamdays verpflichtend im Büro verbracht werden müssen.

Doch das ist nicht der eigentliche Streitpunkt. Laut der neuen Arbeitszeit-Regelung soll Homeoffice künftig nur noch möglich sein, wenn die Vorgesetzten es erlauben. Hier befürchtet der Betriebsrat, dass die Allianz auf diesem Wege eine hundertprozentige Rückkehrpflicht ins Büro durchsetzen will - einseitig zu Lasten der Beschäftigten. Denn zeigen die Vorgesetzten mit dem Daumen nach unten, müssen die Allianz-Mitarbeiter wieder täglich im Büro erscheinen. Während der Pandemie hätten bis zu 90 Prozent der Allianz-Beschäftigten im Homeoffice gearbeitet, berichtet das Frankfurter Blatt.

Eine Sprecherin des Konzern widerspricht gegenüber der FAZ der Darstellung des Betriebsrates. Weder sei die neue Teamtage-Regelung mitbestimmungspflichtig, noch werde es zu einer 100-Prozent-Büroanwesenheit kommen. Sie verwies auf eine Regel, wonach es bereits vor Corona der Belegschaft erlaubt gewesen sei, 26 Tage im Jahr vom Ausland aus zu arbeiten. Diese Regel sei sogar flexibler ausgelegt worden - „mit nur wenigen verpflichtenden Präsenztagen pro Monat“, zitiert die FAZ die Sprecherin.

Allianz Re erneut Baustelle - und Kampfarena

Es ist kein Zufall, dass sich der Streit erneut bei der Rückversicherungs-Tochter der Allianz abspielt. Zwar beschäftigt die Allianz Re nur circa 200 Beschäftigte: Aber innerhalb des Konzerns ist sie eine wichtige Größe. Als selbstständig agierende Einheit sichert sie jeden dritten Euro im Erstversicherungs-Geschäft der Münchener ab. Und mehrfach schon war die Allianz Re Austragungsort für den Zwist zwischen Beschäftigten und Konzernleitung.

Zuletzt machte die Allianz Re im Juni 2022 Schlagzeilen. Der Betriebsrat der hauseigenen Rückversicherungstochter hatte sich in einem offenen Brief an Oliver Bäte gewandt, weil Holger Tewes-Kampelmann, Chef der Allianz Re, eine Betriebsversammlung im Juni 2022 gestört haben soll. In dem Brief war von tumultartigen Szenen und sogar Handgreiflichkeiten die Rede. Auslöser des Streits sei die Zusammensetzung des Betriebsrats gewesen. Sowohl der Vorstand der Allianz Re als auch der Mutterkonzern Allianz SE hätten Kandidaten bevorzugt, die pflegeleichter gewesen seien und den radikalen Reformkurs des Konzerns mitgetragen hätten. Seit Jahren betreibt die Allianz einen ehrgeizigen Umbaukurs, verschlankt Strukturen und investiert Milliarden in die IT: nicht zum Wohlgefallen von allen Beschäftigten. Sie befürchten, dass viele Arbeitsstellen gestrichen werden könnten.

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Der nächste Konflikt zeichnet sich bereits ab. Laut einem Bericht des „Handelsblatts“ hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Allianz verpflichtet, die eigenständige IT-Abteilung der Allianz Re als selbstständig agierende Einheit aufzulösen und unter das Dach der Konzernmutter Allianz SE zu schlüpfen. Die Aufsichtsbehörde störe sich demnach daran, dass bei der Allianz unterschiedliche IT-Einheiten nebeneinander agieren und folglich auch unterschiedliche Ansprechpartner für aufsichtsrechtliche Fragen bestehen. 122 Mitarbeiter seien davon betroffen: größtenteils IT-Experten und Projektmanager. Mit den verbleibenden 200 Mitarbeitern aber könnte der Rückversicherer dann zu klein werden, um als selbstständige Einheit bestehen zu bleiben.