‚Pflege-Plus-Versicherung’ soll obligatorisch und kapitalgedeckt werden
Obligatorisch, kapitalgedeckt, ohne Gesundheitsprüfung und Vertriebsprovision: Das sind einige der Merkmale, die der Pflege-Rat des Verbands der Privaten Krankenversicherungen vorschlägt, um die immer höher steigenden Eigenanteile im Pflegebereich zu finanzieren.
- ‚Pflege-Plus-Versicherung’ soll obligatorisch und kapitalgedeckt werden
- Pflegezusatzversicherung: Zu wenig genutzt
Die Finanzierung der Pflege wird immer problematischer. Inzwischen beträgt der Eigenanteil, den Pflegebedürftige für die stationäre Pflege aufbringen müssen, laut Verband der Ersatzkassen (vdek) 2.411 Euro im ersten Pflegeheim-Jahr im Bundesdurchschnitt (Versicherungsbote berichtete).
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Eine Abfederung dieser Kosten über die gesetzliche Pflegeversicherung ist eher unwahrscheinlich: Sie kämpft selbst mit enormen Finanzierungsproblemen, auf die beispielsweise Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes erst Anfang des Jahres hinwies (Versicherungsbote berichtete). Und die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angestoßene Pflegereform sieht zwar eine Anhebung der Entlastungszuschläge vor, doch dass diese ausreichen, darf bezweifelt werden (Versicherungsbote berichtete).
Auch deshalb sieht der Koalitionsvertrag eine Prüfung vor, wie die soziale Pflegeversicherung um eine „paritätisch finanzierte Vollversicherung“ ergänzt werden kann, die „die Übernahme der vollständigen Pflegekosten umfassend absichert“.
‚Pflege-Plus-Versicherung’: Kapitaldeckung statt Umlageverfahren
Um diesem Ansinnen zu entsprechen, hat der Verband der Privaten Krankenversicherer (PKV-Verband) einen Experten-Rat beauftragt, entsprechende Vorschläge zu erarbeiten. Dieser Vorschlag liegt nun vor. Dessen wichtigsten Bestandteil sieht der Vorsitzende des Experten-Rats, Prof. Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen, in der Finanzierung über ein Kapitaldeckungsverfahren statt im Umlageverfahren. Begründet wurde die Präferenz der Kapitaldeckung damit, dass eine Stärkung des Umlageverfahrens zu „unsystematischen Umverteilungswirkungen zwischen den Generationen“ führen würde. Denn damit würden die heute Jüngeren auch für Personen bezahlen, die bereits selbst vorgesorgt haben und das Pflegerisiko finanziell aus eigenen Mitteln stemmen könnten – das seien immerhin rund zwei Drittel aller Pflegebedürftigen. Der Kapitaldeckungs-Vorschlag des Experten-Rats würde eine eine Umverteilung zu Gunsten finanziell besser Gestellter vermeiden, so der PKV-Verband.
Weitere wesentliche Eckpunkte des Reformvorschlags sind:
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- Einführung einer obligatorischen, kapitalgedeckt finanzierten Zusatzversicherung ("Pflege-Plus") verknüpft mit einem Annahmezwang für die Versicherungsunternehmen (ohne individuelle Gesundheitsprüfung und ohne Vertriebsprovision). Die Kalkulation enthält eine automatische Dynamisierung zur Inflationssicherung, Kinder sind beitragsfrei versichert, Rentner zahlen nur den halbierten Beitrag.
- Versichert sind die beim Pflegebedürftigen verbleibenden pflegebedingten Eigenanteile im Pflegeheim – bis auf einen Selbstbehalt von 10 Prozent.
- Der Beitrag liegt rechnerisch bei rund 39 Euro pro Monat für das Einstiegsalter von 20 Jahren, rund 48 Euro für 40-Jährige (bei Arbeitnehmern jeweils zur Hälfte paritätisch vom Arbeitgeber bezahlt).
Pflegezusatzversicherung: Zu wenig genutzt
Eine Lösung des Pflegeproblems über freiwillige Zusatzversicherungen deutet sich nach Auffassung des Experten-Rats nicht an. Mit 4,3 Millionen Verträgen würden Pflegezusatzversicherungen viel zu wenig genutzt. Laut Professor Dr. Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg liegt das daran, dass das Langfrist-Risiko Pflege unterschätzt wird. Eine gewisse Mitverantwortung dafür sieht Büttner auch bei der Politik: die bloße Existenz der Sozialen Pflegeversicherung suggeriere eine ausreichende Abdeckung des Risikos. Deshalb sieht der Vorschlag des Experten-Rats eine verpflichtende Lösung vor.
Zudem sieht der Vorschlag für eine ‚Pflege-Plus-Versicherung’ auch eine Reihe sozialpolitischer Flankierungen vor:
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- Analog zum Basistarif in der PKV schlägt der Experten-Rat für die Pflege+ Versicherung bei Hilfebedürftigkeit eine Prämienhalbierung zulasten der Versichertengemeinschaft vor. Löst auch die hälftige Prämie Unterstützungsbedarf aus, wird diese hälftige Prämie von dem zuständigen Sozialleistungsträger übernommen.
- Kinder werden bis zum Alter von 18 Jahren (23 Jahre bei Nichterwerbstätigkeit bzw. 25 Jahre bei Berufsausbildung/Studium) prämienfrei versichert.
- Die Prämien für nicht erwerbstätige Ehepartner werden zulasten der Versichertengemeinschaft auf 50 % der Prämie begrenzt.
- Prämienhalbierung im Rentenalter: Der Aufbau von Alterungsrückstellungen in der Pflege+ Versicherung ist so kalkuliert, dass mit Eintritt in die Rente eine Halbierung der Prämie ermöglicht wird.
Der Abschlussbericht steht als PDF zur Verfügung. Die Vorstellung des Berichts kann im Video angesehen werden.
- ‚Pflege-Plus-Versicherung’ soll obligatorisch und kapitalgedeckt werden
- Pflegezusatzversicherung: Zu wenig genutzt