Lebensversicherer: Wer seine Solvenzquoten am stärksten „pusht“
Bis Ende 2031 können Lebensversicherer noch verschiedene Hilfsmaßnahmen bei Berechnung ihrer Solvenzquoten nutzen. Die so errechnete Bruttoquote kann wesentlich von der Nettoquote abweichen. Versicherungsbote zeigt in einer neuen Bildstrecke, bei wem Brutto- und Nettoquoten am weitesten auseinander driften.
Hintergrund: Solvenz- bzw. SCR-Quoten sind aufsichtsrechtlich relevante Kennzahlen des Solvency II-Aufsichtsregimes: Sie entscheiden darüber, in welchem Maße die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den Geschäftsbetrieb der Versicherungen eingreifen darf. Für SCR-Quoten wird allerdings nicht das Verhältnis der Eigenmittel zu Verpflichtungen im „Normalbetrieb“ ermittelt. Stattdessen wird ein Extremereignis mathematisch simuliert, das einmal alle 200 Jahre auftritt. Die Wahrscheinlichkeit für dieses Ereignis beträgt also 0,5 Prozent.
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Jedoch: Mehrere Paragrafen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) erleichtern noch bis Ende 2031, auf eine Solvenzquote in Höhe von 100 Prozent zu kommen (und damit die aufsichtsrechtliche Hürde zu überwinden):
- So ermöglicht Paragraf 82 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) die Volatilitätsanpassung (VA): Anleihen dürfen höher bewertet werden, wenn sie nur vorübergehend an Wert verlieren – etwa, weil sie zu einem festen Wert später wieder verkauft werden. Die Volatilitätsanpassung (VA)wird zwar häufig verwendet, ist aber nicht so wirkungsvoll wie weitere Hilfsmaßnahmen. Sie hebelt die Nettoquote des Marktes (313,88 Prozent) in 2022 um 31,89 Prozentpunkte nach oben.
- Paragraf 351 VAG ermöglicht eine Maßnahme für risikofreie Zinssätze: Versicherungsunternehmen dürfen eine vorübergehende Anpassung der maßgeblichen risikofreien Zinskurve vornehmen (der Anteil, für den dies möglich ist, sinkt schrittweise: In 2016 startete er mit 100 Prozent und liegt in 2032 bei null Prozent). Diese Maßnahme spielt allerdings die geringste Rolle und wird kaum genutzt.
- Und Paragraf 352 VAG ermöglicht Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen (Ü): Die BaFin kann Versicherern die Genehmigung erteilen, ihre Rückstellungen nicht sofort auf Grundlage von Solvency II zu bewerten, sondern erst nach und nach mit mehrjähriger Verzögerung. Dies ist die wirkungsvollste Maßnahme: sie hebt die Nettoquote in 2022 um durchschnittlich 263,46 Prozentpunkte nach oben (auf eine Bruttoquote von 609,23 Prozent).
Nettoquote, Nettoquote plus VA, Bruttoquote – welche Quoten unterschieden werden
Die SCR-, Basis- oder Nettoquote ist jene Quote, die ohne Übergangsmaßnahmen erreicht wird. Beträgt sie 100 Prozent, können Unternehmen aus Sicht der Aufsichtsbehörden das simulierte Krisen-Szenario genau ein Mal mit ihrem Eigenkapital stemmen. Die Bruttoquote hingegen ist jene Quote, in die sowohl Volatilitätsanpassung als auch Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen (und in seltenen Fällen die Maßnahme für risikofreie Zinssätze) eingeflossen sind.
Wichtig ist aber noch eine weitere Quote: Jene, die sich ergibt, wenn man Nettoquote und Volatilitätsanpassung summiert. Schafft es ein Unternehmen nämlich nicht, seine Nettoquote mit der Volatilitätsanpassung über 100 Prozent zu heben, muss es sich in "enge Manndeckung" der BaFin begeben. Das bedeutet: Das Unternehmen muss Maßnahmen vorstellen, wie es die Finanzstabilität garantieren will.
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Versicherungsbote zeigt die größten Differenzen zwischen Netto- und Bruttoquote
Nettoquoten (ohne Hilfen) und Bruttoquoten (mit Hilfen) unterscheiden sich zum Teil stark. In der Spitze beträgt der Unterschied zwischen Nettoquote und Bruttoquote in 2022 insgesamt 1.250,89 Prozentpunkte. Versicherungsbote stellt vor, bei dem beide Quoten am stärksten auseinander streben. Alle Zahlen sind einer Übersicht der Experten von Assekurata entnommen. Diese ist online verfügbar.