Lebensversicherung: Inklusionsstudie zeigt Defizite der Versicherer im Umgang mit Sprachbarrieren
In einer Servicestudie hat das Brancheninstitut Fralytics im Auftrag des Versicherungsboten untersucht, wie Lebensversicherer auf Anfragen von Kunden reagieren, bei denen eine Sprachbarriere erkennbar ist. Die Inklusionsstudie zeigt hier deutliche Defizite: Von 61 Versicherern konnten nur 14 Anbieter einen „sehr gute“ Inklusion Score erzielen, die Mehrheit fiel mit der Note „mangelhaft“ durch. Nur 36 Anbieter beantworteten überhaupt die per Mystery Shopping gestellten Kunden-Anfragen.
- Lebensversicherung: Inklusionsstudie zeigt Defizite der Versicherer im Umgang mit Sprachbarrieren
- 14 Versicherer erhielten einen sehr guten Inklusion-Score
Wie gehen deutsche Lebensversicherer mit dem Thema Inklusion um? Diese Frage ist nicht nebensächlich. Bereits in Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“. Dieser Grundsatz sollte sich auch im Service der Versicherer widerspiegeln.
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Dem Frankfurter Analysehaus Fralytics sind im Rahmen der Servicestudie Deutschland 2022 aber Unregelmäßigkeiten aufgefallen, wenn bei Kundenanfragen eine Sprachbarriere kommuniziert wurde. Wurden per Mystery Shopping Anfragen mit ausländisch klingenden Namen gestellt, waren die Antwortraten geringer und auch die Qualität der Antworten wankte teils erheblich. Das war Anlass für die vorliegende Folgestudie. Im Mittelpunkt steht, wie Versicherer reagieren, wenn potentielle Neukunden ihr Interesse an einem Vertragsabschluss beim jeweiligen Versicherer bekunden - und dabei explizit eine Sprachbarriere kommunizieren.
Viele Versicherer mit "mangelhaft"
Das Ergebnis ist zum Teil ernüchternd - und zeigt Defizite der Branche im Umgang mit Menschen auf, die sich aus sprachlichen Gründen nicht wie gewünscht ausdrücken können. Von den 61 getesteten Lebensversicherern schnitt nicht einmal jeder Vierte (22,95 Prozent) mit „sehr gut“ ab, die Note „befriedigend“ erhielten vier Versicherer bzw. 6,56 Prozent. Dagegen wurde der Kundenservice von 43 Versicherern mit „mangelhaft“ bewertet: das entspricht 70,49 Prozent der getesteten Unternehmen. Die Bewertung wurde in ein Ampelsystem übersetzt, so dass ein sehr guter Inklusionswert mit grün, ein befriedigender Wert mit gelb und ein unzureichender Wert mit rot dargestellt wird.
“Das Ergebnis unserer Mystery Tests ist durchaus überraschend. Man sollte doch meinen, dass eine Neukundenanfrage das höchste Gut eines jeden Versicherers sein müsste. Unerheblich sollte dabei sein, wer die Anfrage stellt, sprechen wir doch über Personen, die offenkundig ein hohes Interesse an deren Produkten haben", sagt Adrian Waltenberger, einer der Gründer des Fralytics Brancheninstituts.
"Eins ist klar, wer Kunden gewinnen will, sollte auf alle Anfragen gleichermaßen eingehen. Denn nur durch eine inklusive Kommunikation kann das Vertrauen der Menschen gewonnen und eine wirklich faire Versicherungswelt geschaffen werden”, ergänzt Johannes Bunk, Mit-Geschäftsführer bei Fralytics.
Björn Bergfeld, Geschäftsführer der Versicherungsbote GmbH, sagt: "Die Studie zeigt, dass Vermittler sich hervorheben können, wenn sie auch Menschen mit Sprachproblemen zum Abschluss eines dringend benötigten Versicherungsschutzes verhelfen. Für diese wichtige Aufgabe muss aber auch die Vermittlerschaft entsprechend sensibilisiert werden."
Nur sechs von zehn Unternehmen antworteten auf die E-Mail
Die Anfragen wurden via Mystery Shopping schriftlich per E-Mail gestellt, im Text wurde das Interesse an einem Vertragsabschluss bekundet und auf eine Sprachbarriere hingewiesen. Die wichtigsten Ergebnisse: Nur bei 38 Unternehmen erfolgte überhaupt eine Eingangsbestätigung auf die E-Mail, was auf grundsätzliche Probleme der Versicherer mit diesem Kontaktkanal hindeutet. Konkret auf die Anfrage geantwortet haben lediglich 36 der ausgewerteten 61 Lebensversicherer, was einer Quote von 59 Prozent entspricht.
Eine große Spannbreite zeigt sich auch bei den Reaktionszeiten. Versicherungskunden sind es mittlerweile von Online-Anbietern wie Amazon gewohnt, dass ihre Anliegen schnell beantwortet und bearbeitet werden. Aber die Antwort auf eine E-Mail-Anfrage bei Lebensversicherern erfordert mitunter Geduld:
Die schnellste Antwort landete bereits nach einer Stunde und 24 Minuten im Postfach: Hier hob sich die myLife besonders positiv hervor. Beim langsamsten Versicherer musste man aber volle 885 Stunden und 59 Minuten warten: also etwas mehr als einen Monat. Damit platziert sich die Provinzial Rheinland immerhin im Feld jener Versicherer, die überhaupt geantwortet haben. Der Branchenschnitt der Antworten lag bei 70 Stunden und 39 Minuten.
So wurde getestet
Wie wurde der Service der deutschen Lebensversicherer in der Inklusionsstudie konkret getestet? Ausgangspunkt waren Neukundenanfragen mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses. Dazu wurden per Mystery Shopping E-Mail-Anfragen an die Versicherer gestellt.
Die Anfrage erfolgte mehrstufig, so dass jeder Versicherer zum Abschluss einer Berufsunfähigkeits- und einer Risikolebensversicherung befragt wurde. In den E-Mails wurde zum einen um weitere Produktinformationen gebeten. Zum anderen wurde eine fachliche Frage integriert, um die Qualität der Antworten beurteilen zu können. In diesem Fall: Lohnt sich der Abschluss einer entsprechenden Versicherung oder sollte der Antrag zu einem späteren Zeitpunkt gestellt werden?
Die Anfragen wurden von Konten mit nicht typisch deutschen Namen gestellt und enthielten mindestens zwei Fragen an das Serviceteam. Zusätzlich wies der Testkunde das Serviceteam auf Sprachbarrieren hin und bat um Rücksichtnahme. Getestet wurden 61 Lebensversicherungsunternehmen mit Sitz in Deutschland, die aktuell noch Neugeschäft betreiben. Versicherer im Run-off, die nur noch bestehende Verträge abwickeln, wurden herausgefiltert. Als Quelle diente die Datenbank der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Stand Dezember 2022.
5 Qualitätskriterien plus Reaktionszeit
Die Antworten -so es welche gab- wurden anhand von fünf Qualitätskriterien bewertet. Für jedes Kriterium wurde ein Punkt vergeben. Diese Kriterien sind:
- Gab es eine Eingangsbestätigung zur versendeten Anfrage? (Der Kunde wird zeitnah über den Eingang seiner Anfrage benachrichtigt und weiß, dass sein Anliegen bearbeitet wird.)
- Wurden alle Fragen vollständig beantwortet? (Das Unternehmen geht auf alle Anfragen des Kunden ein, auch wenn das Anliegen nicht abschließend bearbeitet werden kann. Im besten Fall ist das Anliegen im ersten Schritt direkt geklärt oder er weiß, was weiter zu tun ist.)
- Wurden Formalien eingehalten? (Der Kunde wird mit korrektem Namen angesprochen und weiß mit wem er es aus dem Unternehmen zu tun hat. Die E-Mail Signaturen enthalten sämtliche Kontaktinformationen des Unternehmens.)
- Punktet das Unternehmen mit weiteren Informationen zur Anfrage? (Das Unternehmen geht in besonderem Maße auf die Anfrage des Kunden ein. Zudem werden relevante Informationen abseits der gestellten Fragen bereitgestellt.)
- Zusatzpunkt durch herausragendes Serviceverhalten (Das Unternehmen überzeugt mit zusätzlichen Bemühungen. Dies können bspw. Übersetzungsangebote, Antworten in der Landessprache, aber auch eine Nennung der erwarteten Antwortdauer in der Eingangsbestätigung sein.)
Der Inklusion-Score wurde schließlich über ein Ampelsystem an die Unternehmen vergeben:
- Die Farbe grün steht für „sehr gut“ und bedeutet, das geprüfte Unternehmen hat qualitativ hochwertig und zügig auf die Anfrage reagiert
- Die Farbe „gelb“ steht für „befriedigend“ und bedeutet, das Unternehmen erhielt Abzüge in Punkto Reaktionszeit oder Qualität
- Die Farbe „rot“ steht für „mangelhaft“ und bedeutet, das geprüfte Unternehmen hat nicht oder qualitativ schlecht / zu spät reagiert
14 Versicherer erhielten einen sehr guten Inklusion-Score
Wie bereits erwähnt, reagierte die Mehrheit der getesteten Lebensversicherer zumindest mit einer Eingangsbestätigung auf die E-Mail: Dies war bei 38 Unternehmen bzw. 62,3 Prozent der Fall. 36 Unternehmen bzw. 59 Prozent antworteten auf die Anfrage. Etwas mehr als jedes zweite Unternehmen hielt sich an die Formalien: 33 Lebensversicherer nannten den korrekten Namen des Anfragenden, den jeweiligen Ansprechpartner und gaben die Kontaktdaten in der Signatur an.
Bei den weiteren Qualitätskriterien lichtet sich das Feld bereits. Nur 18 Unternehmen konnten alle gestellten Fragen beantworten: Das war etwa jeder dritte Versicherer. Zusätzliche Informationen, die über die gestellten Fragen hinausgingen, boten 16 Unternehmen bzw. 26,2 Prozent der getesteten Lebensversicherer. Sonderpunkte gab es für acht Unternehmen (13,1 Prozent).
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Folgende Lebensversicherer wurden mit einem sehr guten Inklusion-Score ausgezeichnet (in alphabetischer Reihenfolge):
- Alte Leipziger Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit
- Concordia oeco Lebensversicherungs-AG
- Cosmos Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft
- Dialog Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft
- Generali Deutschland Lebensversicherung AG
- HanseMerkur Lebensversicherung AG
- HDI Lebensversicherung AG
- HUK-COBURG-Lebensversicherung AG
- Ideal Lebensversicherung a.G.
- myLife Lebensversicherung AG
- neue leben Lebensversicherung Aktiengesellschaft
- Süddeutsche Lebensversicherung a.G.
- SV SparkassenVersicherung Lebensversicherung Aktiengesellschaft
- Volkswohl-Bund Lebensversicherung a.G.
- Lebensversicherung: Inklusionsstudie zeigt Defizite der Versicherer im Umgang mit Sprachbarrieren
- 14 Versicherer erhielten einen sehr guten Inklusion-Score