Auf dem hochrangig besetzten MCC-Kongress „Zukunftsmarkt Altersvorsorge 2023“ in Berlin erlebten die Zuhörer eine zweifelnde Welt. Wenn es um die unmittelbar bevorstehenden Herausforderungen der Rente ging, wusste niemand so recht, wie es weitergeht. Was angesichts der Dichte an politischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Kompetenz im Raum gleichermaßen verwunderte und auch ängstigte. Die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gehen in Rente.

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Es komme die am besten prognostizierte Krise der gesetzlichen Rentenversicherung, sagte Prof. Bert Rürup, der den ersten Tag der Veranstaltung moderierte. In dem Satz lag schon eine Menge Kopfschütteln angesichts der Untätigkeit von Politik und Bürgern der letzten Jahrzehnte. Und seine Prognosen machten es nicht besser.

Neben dem kommenden Ungleichgewicht von Rentenbeziehenden und Beitragszahlenden sehe er nicht, dass die exportgetriebene deutsche Wirtschaft das Wachstum der Vergangenheit weiterführen könne. Und auch die Lösungsmöglichkeit die nicht geborenen Beitragszahler durch Zuwanderer zu ersetzen, sieht er kritisch.

Was das Renteneintrittsalter angeht, erstaunte es Rürup, dass eine Anhebung von der „Bild-Zeitung“ ins Gespräch gebracht worden sei. Doch vor einer politischen Entscheidung stehe, frei nach Helmut Schmidt, der Prozess der Mehrheitsfindung. Und wer findet eine Mehrheit für späteren Renteneintritt, wenn die Hälfte der Wählerinnen und Wähler älter als 53 ist? Der Ökonom sagt, dass der Gewinn an Lebenserwartung zwischen Rentnern und Arbeitenden gerecht aufgeteilt werden muss. Wie das gelingen soll, wusste er allerdings auch nicht.

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Bei der Podiumsdiskussion der Rentenexperten von CDU/CSU, FDP, SPD und LINKE wurde es auch nicht besser. Es war Max Straubinger von der CSU, der den hartnäckigen Fragen von Moderator Prof. Bert Rürup nicht mehr ausweichen konnte. Er war es, der sagen musste, dass es nur drei Wege gäbe. Und alle machen keinen Spaß. Entweder die Beiträge anheben, oder Leistungen kürzen oder den Steuerzuschuss erhöhen. Für einen Moment war es still im Raum. Die Ratlosigkeit war greifbar. Straubinger warf der Koalition vor, untätig zu sein, weil die Haltelinien bei Beitragshöhe und Versorgungsniveau bis 2026 greifen. Anja Schulz (FDP) lies das so nicht gelten. Sie verwies vor allem auf die Fokusgruppe und die Generationenrente. Sie machte keinen Hehl aus ihrer persönlichen Ansicht, dass „Geschenke“ der Vergangenheit wieder abgeschafft werden könnten. Die private Vorsorge müsse wieder gestärkt und vereinfacht werden. Matthias W. Birkwald von den LINKEN würde gerne das Niveau der Rente auf 53% anheben und dafür die Beiträge um 2 % erhöhen. Frau Machalat (SPD) setzte auf die Potenziale des Arbeitsmarktes und die Ausweitung des Sozialpartnermodells. Die bAV müsse auf eine Durchdringung von 80% kommen.

„Rentenkürzungen sind keine Option“

Der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit, Dr. Rolf Schmachtenberg, sagte, das für ihn Rentenkürzungen keine Option seien. Das Rentenniveau sei im internationalen Vergleich niedrig. Und er formulierte eine Frage an die Wissenschaft: Ab welcher Höhe ist die Rente so niedrig, dass sie nicht mehr legitimierbar ist? Wer Kürzungen fordere, lege die Axt an die Rente. Er vertrat die Regierungslinie, nach der einer stabilen Rente ein starker Arbeitsmarkt vorausgehe. Es gäbe Potenzial in der Frage der Beschäftigten über 60, der Frauenerwerbsquote, Zuwanderung und Weiterbildung. Er wolle die gesetzliche Rente stabilisieren, damit der zweiten und dritten Säule nicht mehr die Aufgabe ersetzender Altersvorsorge zukäme, sondern ergänzender.

Prof. Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum und einer der Wirtschaftsweisen erhob Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahmen. Es sei zum Beispiel nicht geklärt, woher die Zuwanderung kommen solle. Die Wirkung der Green Card sei lächerlich. Flüchtlinge sind nicht die ideale Gruppe. Außerdem sind Zuwanderer schwieriger, in den Arbeitsmarkt zu integrieren, als Bildungsinländer. Es müssten in Zukunft die Sozialabgaben steigen, was den Arbeitsmarkt belaste. Dem attestierte er eine Erfolgsgeschichte seit 2000, die sich aber nicht wiederholen lasse. Die Erwerbslosigkeit sei schon stark gesunken und die Frauenerwerbsquote gestiegen. Weitere Verbesserungen gäbe es in der Größenordnung nicht.

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Mit Blick auf die Demografie skizzierte er Langzeit-Szenarien mit dem Ergebnis, dass die Wohnbevölkerung vermutlich nicht schrumpft, sich aber die Altersstruktur trotzdem stark bis dauerhaft verschiebt.

Auch bei dem Niveau der Rentenkassen hatte Werding keine guten Nachrichten. „Wir erhalten derzeit bei günstigen Annahmen, ungünstige Ergebnisse.“ Das Sicherungsniveau werde sinken und die Beiträge steigen, prognostizierte er. Die Haltelinien seien auf Dauer nicht finanzierbar. Es könne keine einzige Stellschraube die Effekte der Alterung ausgleichen. Mit einer gezielten Fachkräftezuwanderung könne die Regierung gegensteuern. Deren Integration in den Arbeitsmarkt müsse erleichtert werden. Es gelte die Arbeitsmarktdynamik in schwierigen Zeiten aufrecht zu erhalten. Der Anstieg der Rentenausgaben müsse gedämpft werden. Instrumente könnten sein: ein stärkerer Nachhaltigkeitsfaktor, mehr Umverteilung innerhalb des Rentensystems und vielleicht sogar eine Abkehr vom Äquivalenzprinzip.

Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Dr. Florian Toncar (FDP) erläuterte die Generationenrente der Bundesregierung. Das Kapital werde in eine Stiftung überführt. Die Mitarbeitenden werden von der Bundesregierung entsandt, arbeiteten aber unabhängig. Das ist eine Kopie des Fonds zur Finanzierung kerntechnischer Entsorgung, die sich bewährt habe. Ausschüttungen aus dem Fonds seien frühestens Mitte der 2030er Jahre zu erwarten und werden der Rentenversicherung als Einnahme zugeführt. Der Fonds sei kein Fortschritt, sondern ein Paradigmenwechsel.

Stefanie Heise von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen argumentierte zunächst gegen die Riester-Rente, um anschließend ihren Vorschlag zu bewerben. Die Riester-Rente sei kein Obligatorium gewesen. Es gäbe zu viele Anbieter und zu hohe Vertriebskosten. Die Verbraucherzentrale stellt sich ein Standardprodukt vor, das als verpflichtendes Angebot mit Opt-Out-Option kostengünstig und renditestark angeboten werde. Ein Opt-Out habe den Vorteil, dass sich die Bürger damit beschäftigen müssen.

Martin Gattung (Aeforia GmbH) warnte, dass Obligatorien prozesstechnisch schwer umzusetzen seien. Riester würde nach wie vor unterbewertet. Als Beispiel nannte er, das Riester bAV-tauglich sei, werde nicht thematisiert. Oder das die neue Heizungsinitiative der Bundesregierung mit Riester finanziert werden kann, wüsste kein Mensch. Er kenne kein Produkt, dass flexibler sei, als die Riester-Rente. Ein Standardprodukt müsse alle Geschäftsprozesse unterstützen. Sonst sei es nicht vergleichbar.

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Michael Littig (teckpro GmbH) hält Riester ebenfalls für eine grundsätzlich gute Sache, beklagte aber den hohen Verwaltungsaufwand. Er warf die Frage auf, was für diejenigen getan werde, die nicht stark genug seien, um sich selber zu helfen. Mit Blick auf den Vorschlag der Verbraucherzentrale ergänzte, dass „einfach ist einfach“ immer schwieriger umzusetzen sei. Mut konnte er der nachfolgenden Generation auch nicht machen. Zu seiner 30-jährigen Tochter würde er sagen: „Du musst länger arbeiten, mehr einbezahlen und bekommst weniger raus.“

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