Inter-Vorstandssprecher Michael Solf: "Wir gehen in der PKV von kostentreibenden Effekten aus"
Die Inter Versicherungsgruppe ist in der privaten Krankenversicherung stark auf Zielgruppen spezialisiert und Partner unter anderem des Handwerks und der Heilberufe. Vorstandssprecher Dr. Michael Solf gab Versicherungsbote Auskunft über das herausfordernde Marktumfeld, die Vorteile steigender Zinsen - und den Reformbedarf in der Krankenversicherung.
- Inter-Vorstandssprecher Michael Solf: "Wir gehen in der PKV von kostentreibenden Effekten aus"
- Das Gesundheitssystem hat sich als robust behauptet
Versicherungsbote: 2022 war kein Jahr wie jedes andere: Die Corona-Krise war noch nicht überwunden, da brach mitten in Europa ein Krieg aus. Wie hat sich das Krankenversicherungs-Geschäft der Inter im abgelaufenen Geschäftsjahr entwickelt? Haben sich die aktuellen Krisen ausgewirkt?
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Michael Solf: Im abgelaufenen Geschäftsjahr war zu beobachten, dass viele Arztbesuche und Behandlungen wie bspw. Operationen nachgeholt wurden, die aufgrund der Pandemie aufgeschoben worden waren. Außerdem war allgemein ein höherer Krankenstand im Vergleich zu den letzten Jahren erkennbar – beide Effekte wirkten sich entsprechend belastend in den Aufwendungen für Versicherungsfälle aus. Der hohe Krankenstand hat uns im Übrigen auch im eigenen Unternehmen zu schaffen gemacht. Wir gehen davon aus, dass sich die volkswirtschaftlichen Effekte aus dem Russland-Ukraine-Krieg in Verbindung mit globalen Lieferengpässen kostentreibend - z.B. bei Arzneimitteln - auf den Gesamtmarkt auswirken werden.
…und wie hat sich das Geschäft im ersten Quartal 2023 gestaltet? Wo sehen Sie Chancen für das laufende Geschäftsjahr?
Im ersten Quartal 2023 war erneut ein Anstieg der Aufwendungen für Versicherungsfälle zu verzeichnen. Gleichzeitig war ein positiver Trend im Neugeschäft zu erkennen. Die weiterhin sehr gute Entwicklung der Kapitalanlagen wird dazu beitragen, die Beiträge für unsere Kunden im aktuellen Geschäftsjahr weitgehend stabil zu halten. Für die Inter Kranken erwarten wir ein Geschäftsergebnis auf Vorjahresniveau.
Zwei Ihrer Hauptzielgruppen sind Ärzte und Handwerker. Was sind Vorteile dieser Spezialisierung? Wie wirkt sich die Zielgruppen-Spezialisierung auf Ihre Produktgestaltung aus?
Die Vorteile liegen ganz klar in den Bereichen der professionellen Beratung und der gezielten Akquise. Beispielsweise kommen im Rahmen der Beratung oder auch im Leistungsfall immer wieder zielgruppenspezifische Fragestellungen auf, wie etwa der Verzicht auf das Kündigungsrecht des Versicherers in der Praxisausfallversicherung oder der Schutz durch Einbruch auf Baustellen für Bauhandwerker, um zwei Beispiele zu nennen. Wir greifen diese Bedürfnisse und Wünsche in der Produktentwicklung auf, indem wir Partner aus unseren Vertrieben als Sprachrohr der Kunden einbinden. So haben wir beispielsweise für Ärzte eine spezielle Gliedertaxe mit besonders hoher Leistung im Schadenfall entwickelt.
Erfordert die Spezialisierung auf Zielgruppen auch einen besonders qualifizierten Vertrieb? Oder anders gefragt: Müssen die Vermittler einen Einblick in den Berufsalltag ihrer Zielgruppe haben, um angemessen beraten zu können?
Ein klares Ja. Je besser das Verständnis für die Risiken und Bedürfnisse der jeweiligen Berufsgruppe ist, umso besser ist ein Vermittler in der Lage passende Versicherungslösungen anzubieten. Es geht dabei auch um die Augenhöhe. Wir sehen, dass Kunden es sehr schätzen, wenn die persönliche Situation und das berufliche Umfeld seitens des Vermittlers verstanden wird. Aus diesem Grund bilden wir unsere Spezialisten regelmäßig weiter und bilden Kooperationen z.B. mit Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärzte- und Zahnärztekammern. Für Ärzte und Handwerker haben wir entsprechende Beiräte gegründet, wo uns Vertreter der Berufsstände regelmäßig ihr Feedback geben.
Die Gesundheitskosten steigen, unter anderem aufgrund der hohen Inflation, der Demografie und der Reformen zur Verbesserung der Pflege. Wie gehen Sie als Krankenversicherer damit um? Müssen sich die Versicherungsnehmer zeitnah auf steigende Beiträge einstellen?
Der PKV-Verband hat zusammen mit dem Wissenschaftlichen Institut WIP 2022 die Auswirkungen der allgemeinen Inflation auf die Ausgaben in der Privaten Krankenversicherung untersucht. Dabei kam heraus, dass sich die Inflation in der PKV erst mit erheblichem zeitlichen Verzug niederschlägt. Wir gehen davon aus, dass sich die Beiträge aber langfristig an der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung orientieren werden. Der Demografie im Bestand begegnen wir in der PKV ja bekanntlich durch die Bildung kapitalfinanzierter Altersrückstellungen. Wichtig für Neukunden ist ein früher Einstieg in das Model PKV, um möglichst lang vom Spareffekt zu profitieren.
Die Gesellschaft altert. Zwar haben die privaten Krankenversicherer mit den Alterungsrückstellungen ein stolzes Kapitalpolster - und damit einen Vorteil gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen. Kann die Demografie für die PKV dennoch ein Risiko bedeuten: etwa, weil die Zielgruppe für das Neugeschäft schrumpft?
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Die Demografie hat ohne Frage Auswirkungen auf das Neugeschäft, da der Kreis an potentiellen Kunden für die PKV nicht wächst. Das Neugeschäft ist aber auch durch politische Rahmenbedingungen stark beeinflusst - Stichwort Hamburger Modell für Beamte oder regelmäßiges Anheben der Jahresarbeitsentgeldgrenze durch den Gesetzgeber. Wir als PKV arbeiten daher permanent daran, die PKV attraktiv zu halten und potenzielle Neukunden von unseren Leistungen zu überzeugen. Darüber hinaus wächst in unserer Gesellschaft der Bedarf nach Pflege und medizinischer Versorgung stetig. Hier bieten sich uns weitere Chancen im Rahmen der Zusatzversicherung, zum Beispiel mit unseren Zahnzusatztarifen, unseren stationären Zusatzversicherungen oder unserer Pflegetagegeldversicherung.
Das Gesundheitssystem hat sich als robust behauptet
Die Notenbanken haben den Leitzins angehoben, viele Anlage-Strategen der Versicherer rechnen laut einer Goldman Sachs-Umfrage mit einem Comeback festverzinslicher Wertpapiere. Wie wirkt sich die aktuelle Marktsituation -steigende Zinsen, hohe Inflation, volatile Märkte- auf Ihre Anlagestrategie aus? Können Sie uns dazu einen Einblick geben?
Wir sehen den aktuellen Zinsanstieg grundsätzlich positiv im Sinne einer Normalisierung nach einer langen Phase der Nullzinspolitik. Dadurch bieten sich uns attraktive Anlagemöglichkeiten gerade im Bereich sehr langlaufender festverzinslicher Anlagen. Wir nutzen diese Anlagemöglichkeiten um unser langfristiges Leistungsversprechen gegenüber dem Kunden, das ja lebenslang bestand hat, am Kapitalmarkt abzusichern. Daneben investieren wir bei der Inter traditionell einen Anteil unserer Kapitalanlagen in alternative Anlagen wie Private Equity oder Immobilien, um Zusatzerträge zu erwirtschaften, die sich kostendämpfend auf die Beitragsentwicklung auswirken. Unsere sehr erfolgreiche Kapitalanlagestrategie der letzten Jahre hat sich auch Krisenzeiten bewährt.
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Die Bundesregierung bereitet eine umfassende Gesundheitsreform vor, auch wegen explodierender Kosten im GKV-System. Unser Eindruck: Die private Krankenversicherung spielt in der Debatte bisher keine Rolle. Welche Baustellen sollte der Gesetzgeber in der PKV angehen? Wo sehen Sie Reformbedarf?
Zentral ist aus unserer Sicht, dass sich das duale System zwischen PKV und GKV in Deutschland bewährt hat. Nicht zuletzt bei der Bewältigung der Pandemie hat sich unser Gesundheitssystem - auch im internationalen Vergleich mit anderen Ländern - als sehr robust behauptet. GKV und PKV haben darüber hinaus in den vergangenen Jahren in Partnerschaft beim Aufbau von Anwendungen der Telematikinfrastruktur zusammengewirkt – zum Vorteil der Leistungserbringer und der Patienten. Hier sehen wir noch großes Potenzial.
Weiterhin offen ist dagegen die Reform der Gebührenordnung für Ärzte – kurz GoÄ, die nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Wir als PKV hoffen hier auf eine baldige Einigung mit der Bundesärztekammer.
Aktuell wird viel über den Fachkräftemangel diskutiert, auch bei den Versicherern und im Vertrieb herrscht ein hoher Altersschnitt: Makler beispielsweise sind im Schnitt Mitte 50. Und das, obwohl eine Ausbildung in der Versicherungsbranche sehr gut vergütet wird. Wie können junge Fachkräfte für die Versicherungsbranche gewonnen werden? Hat die Inter bereits Initiativen, um Nachwuchs zu werben?
Die Inter setzt von jeher stark auf den eigenen Nachwuchs und in die Ausbildung von eigenen Fachkräften z.B. als Kaufleute für Versicherungen und Finanzanlagen, aber auch als Fachinformatiker sowie mit dualen Studienplätzen auf den Gebieten BWL und Informatik. Im Vertrieb haben wir in diesem Jahr begonnen, ein neues innovatives Vergütungsmodell für unsere Ausschließlichkeitsorganisation auszurollen. Wir versprechen uns davon insbesondere auch hochqualifizierte Nachwuchskräfte außerhalb der Versicherungsbranche für unseren Vertrieb zu begeistern. Mit unserer Betriebsvereinbarung zur Mobilarbeit haben wir im letzten Jahr für unsere Belegschaft ein sehr attraktives Angebot geschaffen, um Beruf- und Privatleben besser in Einklang bringen zu können.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
- Inter-Vorstandssprecher Michael Solf: "Wir gehen in der PKV von kostentreibenden Effekten aus"
- Das Gesundheitssystem hat sich als robust behauptet