Metaverse: Zukunftstechnologie für Versicherer?
Ist das Metaversum ein Hype: Oder wird es auch für Versicherer bald unverzichtbare Zukunftstechnologie sein? Wo liegen seine Potentiale? Hierzu befragte Versicherungsbote Corinna Erken. Als Head of signals (Co-Lead) leitet die studierte Psychologin das Innovations-Ökosystem der Signal Iduna, das jüngst ein White Paper zu Metaverse veröffentlicht hat.
- Metaverse: Zukunftstechnologie für Versicherer?
- Anwendungsbeispiele für Versicherer
Versicherungsbote: Als Mark Zuckerberg im Juli 2021 ankündigte, Facebook wolle sich verstärkt auf das Projekt Metaverse konzentrieren, erntete er auch Spott: Es sei die Spielwiese eines Mannes, dem die Visionen ausgegangen seien. Ich nehme an, dass Sie anderer Meinung sind: Welche Chancen bietet eine virtuelle Welt, die dem „echten Leben“ sehr ähnlich zu sein scheint?
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Zuerst einmal ist es wichtig festzuhalten: Auch wenn in den letzten Jahren sehr viel über das Metaverse diskutiert wurde und Unternehmen wie Meta bereits viel in diesen Bereich investiert haben, existiert bisher technisch gesehen noch kein vollumfängliches, dezentrales Metaverse. Es gibt bis heute auch noch keine einheitliche und allgemein anerkannte Definition.
Wenn wir aber der oft verbreiteten Definition von Matthew Ball folgen, dass „das Metaverse ein virtueller Raum bzw. ein Ökosystem ist, in dem die physische und virtuelle Welt fließend ineinander übergehen“, dann erleben wir Nutzer:innen, die im Metaverse arbeiten, sich vernetzen, lernen und einkaufen. Der fließende Übergang der realen zur virtuellen Welt ermöglicht es Unternehmen eine neue, junge Zielgruppe zu adressieren, die eigene Marke neuartig erlebbar zu machen und langfristig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Die Idee des Metaverse wird stark mit Facebook in Verbindung gebracht, obwohl es auch zahlreiche Konkurrenten gibt: Das Konzept reicht bis in die 80er Jahre zurück. Wie ist der aktuelle Stand? Wo werden virtuelle Lebens- und Lernwelten bereits eingesetzt und was ist technisch möglich?
Facebook hat im Oktober 2021 die Umbenennung des Konzerns zu „Meta“ und Investitionen in Höhe von rund 100 Mrd. Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren in den Aufbau des Metaverse bekanntgegeben. Das hat zu großer Aufmerksamkeit für das Thema „Metaverse“ auch in der allgemeinen Öffentlichkeit geführt, da Meta nicht nur eines der wertvollsten Unternehmen der Welt ist, sondern sich auch am Massenmarkt positioniert.
Seinen Ursprung hat das Metaverse aber im Gaming-Bereich. Es gab bereits vor Meta große Anbieter, die an Lösungen gearbeitet haben. Diese Gaming-Anbieter betreiben auch aktuell große Plattformen. Dazu zählen Sandbox und Fortnite. Die jüngsten Weiterentwicklungen bleiben eng mit diesem Bereich verknüpft. So hat sich beispielsweise das Spiel „Fortnite Battle Royale“ (2017) vom Computerspiel zur Social Media-Plattform weiterentwickelt. Die mit nach eigenen Angaben rund 8.000 monatlichen Nutzer:innen momentan größte Metaverse-Plattform Decentraland arbeitet dezentralisiert und wird durch die Nutzer:innen in Selbstverwaltung betrieben. Darüber hinaus gibt es Anbieter, die zentrale Metaversen für Firmen bauen, so z.B. die Berliner Firma Journee, die für Kunden wie Adidas, H&M und BMW virtuelle Welten entwickelt.
Wenn wir über konkrete Einsatzfelder sprechen, stoßen wir schnell auf den Bereich Marketing und Events. Marken experimentieren auf Plattformen mit virtuellen Billboard-Kampagnen, bei denen Werbung auf virtuellen Flächen zu sehen ist. Die Anzeigen können programmatisch ausgespielt werden und sind dadurch detailliert auswertbar. Für virtuelle Events hat sich besonders die Corona-Pandemie als Katalysator erwiesen. Da eine Zusammenkunft in der realen Welt nicht möglich war, experimentierten Organisator:innen in der virtuellen Welt. Der US-Rapper Travis Scott gab beispielsweise ein Konzert in Fortnite, das 12,3 Millionen Menschen live in-game verfolgten. Im März 2022 wurde eine virtuelle Fashionweek auf Decentraland veranstaltet, bei der Nutzer:innen nicht nur Laufstegshows und Showrooms besuchen konnten, sondern auch an Partys teilnahmen.
signals hat ein aktuelles Whitepaper veröffentlicht: „Das Metaverse - Milliardenmarkt für die Versicherungsbranche oder nur ein Hype?“ Das fasst die Diskussion ganz gut zusammen. Warum sollten sich Versicherer mit dem Metaverse beschäftigen - und sollten sie es überhaupt?
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Nur wer sich mit Trends beschäftigt, praktische Erfahrungen sammelt und Expertise aufbaut, kann auch wirklich auf diese Trends reagieren und Potenziale für sich nutzen. Beim Metaverse handelt es sich nach unserer Ansicht um einen solchen Trend. Nicht umsonst sagen Unternehmen wie Bloomberg dem Metaverse bereits für das Jahr 2024 ein Marktvolumen von bis zu 800 Mrd. US-Dollar voraus. Auch wenn es sich in großen Teilen noch um eine Vision handelt, gibt es bereits erste Use Cases, von denen wir lernen können.
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Für Versicherer rücken darüber hinaus die Technologien in den Fokus, die dem Metaverse zu Grunde liegen. Diese bieten schon heute große Potenziale für unsere Branche. Dazu zählen das Web3 [Dezentrale Internet-Funktionen, auf denen zum Beispiel Kryptowährungen und Non-Fungible Tokens basieren - Anmerk. Redaktion] sowie verschiedene Ausprägungen von Mixed Reality. Die Enabler-Technologien werden bereits in vielen unterschiedlichen Kontexten und Branchen eingesetzt und miteinander kombiniert. Dabei agieren sie als Treiber für das Metaverse.
Anwendungsbeispiele für Versicherer
In welchen Bereichen liegen die Potenziale? Können Sie weitere Anwendungsbeispiele für Versicherer nennen?
Wir würden die Potenziale rund um das Metaverse in drei Bereiche aufteilen: das Metaverse selbst, die immersiven Technologien, die im Rahmen des Metaverse genutzt werden, und die Absicherung von teils neuen Risiken, die im und durch das Metaverse entstehen.
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Im Metaverse selbst sehen wir Potenziale in der Werbung und bei der Produktplatzierung. Dafür können wie beschrieben virtuelle Billboards genutzt werden. Aber auch virtuelle Filialen dienen als Touchpoint zu Kund:innen und können zur Platzierung von Produkten genutzt werden. Hier können beispielsweise Präsentationen gezeigt werden und Mitarbeiter:innen-Avatare mit potenziellen Kund:innen ins Gespräch kommen. Außerdem können Anbieter Produkte für Kund:innen anders erlebbar machen.
Immersive Technologien wie Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und Augmented Virtuality (AV) können beispielsweise bei der Zusammenarbeit oder beim Onboarding verwendet werden. Um in hybriden Arbeitsformen mit Kolleg:innen in Kontakt zu treten und ein Gefühl von Zusammenhalt und Zugehörigkeit zu kreieren, nutzen Arbeitnehmer:innen heute Tools wie Teams, Skype, Miro oder andere Anbieter. Diese vermitteln eine Erfahrung in 2D vor einem Bildschirm. Es gibt mittlerweile einige Lösungen, um solche Begegnungen in einen virtuellen, dreidimensionalen Raum zu verlegen. Genauso können Onboardings mit Hilfe von VR und Online-Simulationen im virtuellen Raum stattfinden.
Besonders junge Talente erwarten von ihrem Arbeitgeber innovative Bindungsmaßnahmen. Der Einsatz zukunftsgewandter Technologien im Arbeitsalltag kann die Attraktivität von Versicherern für Arbeitnehmer:innen steigern.
Darüber hinaus können Augmented Reality und Vitual Reality sinnvoll im Bereich Underwriting und bei der Schadensregulierung eingesetzt werden. Momentan wird beim Underwriting noch viel mit Fotos, Grundrissen und Zeichnungen gearbeitet. Eine virtuelle Begehung kann weitere, wichtige Datenpunkte liefern. So können Underwriter:innen Risiken präziser einschätzen und im Anschluss auch zeichnen. Bei der Schadensregulierung kann der Einsatz von VR besonders bei Großschäden sinnvoll sein. Soll beispielsweise ein Brand abgewickelt werden, kann von den Räumlichkeiten ein 3D-Scan erstellt werden. Der Schaden kann so viel schneller und detaillierter geprüft werden als es durch eine Fotodokumentation möglich wäre. Das beschleunigt am Ende auch die Abwicklung.
Der dritte Bereich möglicher Potenziale bezieht sich auf die Risikoabsicherung. Im Metaverse spielen NFTs häufig eine Rolle, z.B. in Form individueller Kleidungsstücke für Avatare. Im Bereich von NFTs kann es beispielsweise beim Minting, also dem Prozess zur Erstellung eines NFTs, zu Urheberrechtsverletzungen kommen, wenn das Einverständnis der Creator:innen des Originalwerks fehlt. Mit einem entsprechenden Produkt könnten diese sich gegen das Risiko absichern. Ein weiterer Bereich, der in dieser Form neu entsteht und der Absicherung bedarf, ist das Thema Cybermobbing. Wir sind uns sicher, dass darüber hinaus mit der weiteren Entwicklung des Metaverse Risiken entstehen, die heute noch gar nicht abzusehen sind.
Kommen virtuelle Welten auch bereits bei der Signal Iduna zum Einsatz - und wie? Ist ein Ausbau des Engagements geplant?
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In den letzten Monaten haben wir uns bei signals intensiv mit dem Metaverse und darunter liegenden Technologie beschäftigt. Wir sind außerdem gerade dabei, Pilotprojekte für die Signal Iduna umzusetzen. Wir hoffen, dabei erste konkrete Erfahrungen sammeln zu können, zu lernen und die Signal Iduna damit in diesem Bereich zukunftsfähig zu machen. Denn wir glauben: „Damit man die Welle reiten kann, muss man sie frühzeitig erkennen“ - frei zitiert nach Joseph Goldstein.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
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- Anwendungsbeispiele für Versicherer