Die Ampelregierung streitet über das Geld: Es drohen erneut hohe Schulden, nachdem Corona-Hilfspakete, Maßnahmen zur Abfederung der Inflation, das Sondervermögen für die Bundeswehr etc. hohe Summen verschlungen haben und weiterhin verschlingen. Im Mai musste Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einräumen, dass er nicht wie geplant bis zum 21. Juni den Bundeshaushalt vorlegen kann. Laut Finanzministerium besteht im Haushalt 2024 eine Finanzlücke von rund 20 Milliarden Euro. In den letzten Wochen verschickte Lindner Briefe an die anderen Ministerien, in denen er erklärte, mit welchen Summen sie maximal rechnen können. Bis auf das Verteidigungsministerium sollen alle sparen.

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In einem Interview mit web.de bezieht Christian Lindner nun zu der aktuellen Situation Stellung. Und verteidigt sein Vorhaben, streng sparen zu wollen - oder wie es die Interviewer nennen, als „Kassenwart der Nation“ aufzutreten. Sein Job sei es, die Menschen in diesem Land zu vertreten - eine verantwortungsvolle Aufgabe. „Es gibt viele Erwartungen, was der Staat alles finanzieren soll. In Wahrheit stellen aber die Bürgerinnen und Bürger dieses Geld bereit. Sie sind auch diejenigen, die unter der zukünftigen Schuldenlast leiden“, sagt Lindner.

Sein Ziel sei es, noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Juli einen Bundeshaushalt für 2024 vorzulegen, berichtet Lindner weiter. Und räumt ein, dass sich mit dem Ende der Niedrigzins-Phase auch die Bedingungen für den deutschen Staat verschärft haben: Er kann sich kein Geld mehr quasi zum Nulltarif leihen oder gar einen positiven Ertrag für ausgegebene Staatsanleihen erzielen. „Wir profitieren nicht mehr von den niedrigen Zinsen des vergangenen Jahrzehnts. Wir haben keinerlei Rücklagen mehr und müssen zudem die Schuldenbremse einhalten“, sagt der Finanzminister. Gleichzeitig gebe es vieles, was finanziert werden müsse - deshalb müsse die Bundesregierung an ihren Prioritäten arbeiten.

Aktienrente gescheitert?

In dem Interview wird Christian Lindner auch zu den Themen Altersvorsorge und Sozialreformen befragt. Und indirekt damit konfrontiert, ob ein wichtiges Projekt der FDP gescheitert ist: die sogenannte Aktienrente. Ursprünglich verfolgte die Partei ein Konzept, wonach jeder Bürger bzw. jede Bürgerin individuell am Kapitalmarkt für das Alter vorsorgen kann. Als Vorbild diente Schweden: Dort müssen die Beschäftigten verpflichtend einen kleinen Teil ihres Einkommens kapitalgedeckt anlegen, sie können dabei aus 800 privaten Anlageprodukten wählen. Das bedeutet auch: Sie selbst entscheiden mit, was mit ihrem Geld passiert, sehen auch den Anlageerfolg. Das Geld ist ihnen sicher, der Staat hat keinen Zugriff darauf. Wo und wie die Schweden investieren, hat direkten Einfluss auf die Höhe ihrer Rente. In keinem europäischen Land ist die Zahl der Aktionäre höher.

Ganz anders in Deutschland, denn die Aktienrente ist keine Aktienrente mehr. Aus der angedachten Möglichkeit, dass alle Beschäftigten individuell Geld ihr anlegen, ist im Gesetzentwurf ein abstraktes Gebilde geworden, auf das die Bürgerinnen und Bürger keinen Einfluss haben. Der Bund will jedes Jahr zehn Milliarden Euro einem Fonds in Form einer öffentlich-rechtlichen Stiftung anvertrauen, die das Geld dann anlegt. Sicher ist die Summe nicht, sondern soll jedes Jahr mit dem Bundeshaushalt beschlossen werden. Der angesparte Kapitalstock wird ab Mitte der 2030er Jahre verwendet, um die Rentenbeiträge zugunsten der Beschäftigten zu stabilisieren. Das bedeutet konkret: Der Kapitalstock wird über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg angespart, sie kommen mit dem Geld nicht in Berührung, können die Anlage nicht beeinflussen. Und partizipieren auch nicht an den Aktienmärkten.

Folglich heißt die Aktienrente auch nicht mehr Aktienrente, sondern „Generationenkapital“. Ist also die FDP mit ihrem Vorhaben gescheitert, weil sie die Idee der Aktienrente in der Koalition nicht durchsetzen konnte? Auf diese Frage der Interviewer antwortet Lindner zunächst ausweichend: und stellt weitere Reformen in Aussicht.

“Wir arbeiten in zwei Schritten. Zunächst entlasten wir künftige Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in der gesetzlichen Rente mit dem Instrument des Kapitalmarkts“, sagt Lindner. Dieser Schritt sei nicht zu unterschätzen, weil er ab der zweiten Hälfte der 30er Jahre die Beitragssätze deutlich dämpfen werde, so der Minister. Zugleich sende der Staat damit ein deutliches Signal an die Menschen: „Der Aktienmarkt ist keine unverantwortbare, gefährliche Spekulation. Man kann ihn privat nutzen, wenn der Staat das auch macht“.

Darüber hinaus kündigt Lindner einen zweiten Schritt an, mit dem die gesetzliche Rente und die Privatvorsorge stabilisiert werden sollen. Und bringt nun ein anderes Vorbild ins Spiel: die USA. „In den Vereinigten Staaten ist es beispielsweise möglich, ein spezielles Altersvorsorgedepot anzulegen, das nicht voll wie ein Kapitalmarktgeschäft besteuert wird. Es sammelt Erträge, und die Entnahme findet erst im eigenen Ruhestand zu einer angemessenen Besteuerung statt“, erklärt Lindner. Das sei nur ein Modell, aber so könnte eine mögliche Reform aussehen. Ziel sei es, auch in der privaten Altersvorsorge den Kapitalmarkt stärker für die Menschen nutzbar machen.

Bürgergeld „liberales Projekt“

Kritik hatte die FDP auch für das Projekt „Bürgergeld“ hinnehmen müssen: Die Gelder sollten ursprünglich deutlich über Hartz-IV-Niveau gehoben und Sanktionen abgebaut werden. Doch von den Plänen blieb nicht mehr viel übrig, nachdem das Vorhaben im Bundesrat auf Ablehnung stieß. Zwar wurden die Bezüge auf aktuell 502 Euro für Alleinstehende erhöht, aber Sanktionen sind weiterhin möglich. Auch wurden die Zuverdienstmöglichkeiten deutlich ausgebaut. Bis zur Minijob-Grenze von 520 Euro bleiben zusätzlich verdiente Gelder anrechnungsfrei.

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Lindner verteidigt nun das Bürgergeld in dem Interview. “Das Bürgergeld stärkt den Leistungsgedanken im Sozialstaat – es belohnt Arbeit. Das Bürgergeld ist daher ein liberales Projekt. Zu verhindern, dass Kinder zu einem Armutsrisiko für Familien werden, ist auch ein liberales Projekt“, sagt der Minister.