Versicherungsmakler Rainer Sichel (Name geändert, nach einem Praxisfall aus 2023) hatte sich nach längeren Überlegungen entschlossen seinen Bestand zu verkaufen. Eine Maklerbetreuerin kam auf mich zu, um den Prozess der Vorbereitung und Durchführung der Bewertung und des Verkaufes zu begleiten. Ein möglicher Kaufinteressent stand bereit und es konnte in die Details der Übernahme gehen.

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Und dann kam die oft gestellte Frage, was denn mit seinen Stornoreserven bei mehreren Leben- und Krankenversicherern wird. Klar, wenn mehrere tausende Euro von verdientem Geld noch bei Versicherern liegen, dann will man trotz eines ansehnlichen Kaufpreises darauf nicht verzichten. Besonders, wenn aktuell bei diesen Versicherern keine Verträge mehr in der Stornohaftung liegen.

Modelle für den Umgang mit Stornoreserven beim Verkauf

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit diesen Stornoreserven umzugehen. Der einfachste Weg ist die Auszahlung vor dem Verkauf, wenn bei den betreffenden Versicherern oder Maklerpools keine oder nur wenige Verträge noch in der Haftungszeit liegen. In diesem Fall gilt es auch hartnäckig zu bleiben, denn nicht jeder Versicherer ist bereit, diese Reserven auszuzahlen. Der Makler könnte ja nochmal Geschäft einreichen, so lautet ein häufiges Argument.

Der @AssekuranzDoc

Der @AssekuranzDoc

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass der Käufer die Vermittlernummer vom Verkäufer und damit die Stornoreserve übernimmt. Das ermöglichen viele Versicherer, aber nicht alle. In dem Fall kann der Käufer dem Verkäufer einen um die jeweilige Stornoreserve erhöhten Kaufpreis zahlen (wenn keine Verträge mehr in der Haftungszeit sind). Oder er verrechnet mögliche Stornierungen dann mit der Stornoreserve und der Verkäufer hat damit nichts mehr zu tun.

Generell sollte beim Verkauf von Beständen und Maklerfirmen das Thema Summe der offenen Stornohaftungssummen und Stornoreserven Bestandteil einer Bewertung sein und dann auch im Kaufvertrag entsprechend abgebildet werden. Zum Thema Stornohaftung gibt es zwischen Verkäufer und Käufer unterschiedliche Interessen, für die ein Kompromiss gesucht werden muss. Verkäufer wollen am liebsten gar nicht mehr für die Vergangenheit haften und Käufer natürlich auch nicht.

Eine gute Lösung kann in einem Mittelweg bestehen, den wir auch mit Makler Rainer Sichel und dem Käufer beschritten haben. Hier wird ein Teil des Kaufpreises erst nach 12 Monaten ausgezahlt. Davon werden Stornierungen und mögliche Differenzen aus den Angaben zu Kunden und Verträgen zum Vertragsabschluss und den tatsächlich übertragenen Verträgen abgezogen. Danach wird das „Buch“ geschlossen und alles, was dann passiert, ist das kaufmännische Risiko des Käufers. Ich finde, das kann eine gute Lösung sein.

Greifen wir diesbezüglich den Rat des Steuerberaters Jens Christoph Ihrig auf:

„Auch wenn Sie nur eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für Ihre Agentur erstellen, müssen die Guthaben auf dem Stornoreserve-Konto in aller Regel versteuert werden. Das Guthaben auf dem Stornoreserve-Konto wird vom Finanzamt so gesehen, als wäre es ein „Sparkonto“. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch auch Ausnahmen, bspw. für noch nicht verdiente Provisionen, die Pro-Forma auf das Stornoreserve-Konto gebucht werden.“

Steuerliche Bewertung von Stornoreserven und - konten

Grundsätzlich gehört das Thema der steuerlichen Würdigung von Stornoreserven und -konten in die Hände des jeweiligen Steuerberaters der Maklerin oder des Maklers. Dennoch sind auch aus meiner Sicht als Nachfolgeberater für Makler einige grundsätzliche Überlegungen und Erfahrungen möglich und nötig. Verdiente und fällige Courtagen sowie Provisionen gelten mit der Gutschrift auf das entsprechende Konto des Maklers oder auch beim Versicherer (Vermittlerkonto) als zugeflossen. Damit haben wir dann eine zu versteuernde Betriebseinnahme. Wie ist das aber mit Stornoreserven?

Stornoreserven oder Stornoreservekonten dienen der Sicherung eventueller Forderungen des Produktanbieters, da ja bei Stornierungen durch den Kunden ein Ausfallrisiko zur bereits ausgezahlten Abschlussprovision oder -courtage besteht. Im Fall der Stornierung müsste ein Teil dieser Auszahlung vom Makler an den Versicherer zurückgezahlt werden. Das stellt im Sachen Zahlungsfähigkeit des Maklers für den Versicherer ein Risiko dar. Und für manchen Makler auch.

Und nun kommt es auf die individuellen Vertragsbedingungen zwischen Makler und Produktgeber in den Courtagevereinbarungen oder -zusagen an. Sind nach der vertraglichen Vereinbarung die auf dem Stornoreservekonto gutgeschriebenen Beträge im Zeitpunkt der Gutschrift weder fällig noch wird das Guthaben verzinst, dann ist ein Zufluss im Zeitpunkt der Gutschrift noch nicht anzunehmen. Dann ist nur die Gutschrift für die Abschlusscourtage eine zu versteuernde Betriebseinnahme. Die Stornoreserve stellt erst dann eine zu versteuernde Betriebseinnahme dar, wenn der Stornozeitraum von beispielsweise 60 Monaten abgelaufen ist, führt das IWW aus.

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Anders ist es aber, wenn die verdienten und fälligen Provisionen auf einem Stornoreservekonto zur Sicherung von Gegenforderungen des Produktgebers gutgeschrieben werden und auch auf diesem Konto verzinst werden. Dann wird steuerlich von Zufluss ausgegangen. Diesbezüglich hat auch der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil BHF Az.X R 55/92 vom 24.03.1993 entschieden. Achten Sie deshalb in Ihren Verträgen mit Produktgebern auf die Verzinsung auf Stornoreservekonten.

Rückstellungen zur Bestandsbetreuung in Bilanzen von Maklern – Transparenz gefordert

Bereits 2012 hat das Bundesministerium der Finanzen die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen für die Aufwände bei der Betreuung bereits abgeschlossener Versicherungen unterstrichen und ging dabei auf ein Urteil des BFH aus dem Vorjahr ein. Schauen wir uns mit Bezug auf eine Zusammenstellung bei Haufe.de kurz die Ansätze und Bewertungen für diese Art der Rückstellungen an:

  • a) Zu berücksichtigen sind Verträge, für die weiter Betreuungsleistungen notwendig sind, für die aber kein weiteres Entgelt (also Bestandscourtagen) bezogen wird.
  • b) Eine Vertragszahl ist anzusetzen, die berücksichtigt, dass einige Verträge vorzeitig aufgelöst werden bzw. auch die Restlaufzeiten zu beachten sind.
  • c) Werbeleistungen für diese Verträge mit Ziel Neuabschlüsse sind nicht zulässig.
  • d) Maßgeblich ist ein angemessener Zeitaufwand pro Vertrag und Jahr mit einer genauen Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten in Relation zu den Personalkosten je Stunde.

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Damit wird klar, um welche Art der Versicherungsverträge es geht, wenn das Thema Rückstellungen auf die Tagesordnung kommt: Risikoversicherungen, für die keine Bestandscourtagen gezahlt werden, ebenso wie übernommene Verträge, für die die Bestandscourtagen weiter beim Ursprungsvermittler eingehen.

Hilfreich für die Definition und Bepreisung der Betreuungstätigkeiten, die für eine Legitimation der hier aufgeführten Rückstellungen in Frage kommen, ist eine Zusammenstellung von Tätigkeiten im Rahmen der Nachbetreuung, die die Deutsche Versicherungsbörde (dvb) zusammengestellt hat. Hier werden u.a. aufgeführt:

  • Versicherungsnehmerwechsel
  • Fahrt zum neuen Arbeitgeber
  • Namensänderung
  • Bezugsrechtsänderung
  • Policendarlehen und Rückführung
  • Kontoänderungen
  • Veränderung der Zahlungsweise
  • Reduzierung der Versicherungssumme/ des Beitrages
  • Todesfall
  • Berechnung der Ablaufsumme/ des Rückkaufwertes
  • und zahlreiche weitere Tätigkeiten

Für Käufer von Maklerfirmen, die in deren Bilanzen solche Rückstellungen finden, gilt es die Angemessenheit und Transparenz der vorgenommenen Rückstellungen zu prüfen und ggf. im Gespräch zwischen Verkäufer, Käufer, Steuerberater des Verkäufers und Käufers zu besprechen. Überzogene Gewichtungen in den Rückstellungen sind dann ebenso ein Thema wie seit Jahren gleich hohe Rückstellungen trotz rückläufigem Geschäft in den Sparten Lebens- und Krankenversicherung.

Da es bei Rückstellungen immer um noch nicht versteuerte Umsätze geht, kann es bei entsprechender Übereinkunft zwischen Verkäufer und Käufer fair sein, die Rückstellungen vor dem Verkauf auf ein angemessenes Maß anzupassen. Achten Sie bei dieser Analyse mit Unterstützung von Experten auch auf eine andere Art der „Rückstellungen“:

Weitere Rückstellungen im Fokus von Finanzbeamten

Rückstellungen für die Betreuung der beschriebenen Verträge sind in der Regel transparent und logisch dem Finanzamt zu erklären. Schwieriger wird dies mit weiteren Rückstellungen, die zu einer Gewinnminderung führen können und schnell in den Fokus von Finanzbeamten geraten können. Diesen Rückstellungen gilt deshalb beim Verkauf oder Kauf von Maklerfirmen besondere Aufmerksamkeit. Holen wir etwas aus:

Rückstellungen können gebildet werden, wenn beispielsweise Verluste aus noch schwebenden Geschäften, offenen Verbindlichkeiten oder fehlenden Forderungen noch im Raum stehen. Auch noch offene Zahlungen für Abfindungen, Pensionen oder Steuern können ein Grund für diese Art der legitimen Rückstellungen sein. Diese Rückstellungen sind dann nach HGB auch zu verzinsen, wenn die Rückstellungen über ein Jahr zurückliegen.

In den Bilanzen sind diese Rückstellungen auf der Passiv-Seite zu finden und nicht mit möglichen Rücklagen auf der Aktiv-Seite zu verwechseln. Diese Rückstellungen müssen wahrscheinlich sein und können (müssen) entsprechend der Zielrichtung auch benannt sein:

  • Pensionsrückstellungen
  • Steuerrückstellungen
  • Sonstige Rückstellungen wie u.a.
    • Abfindungsrückstellungen,
    • Aufwandrückstellungen,
    • Prozesskostenrückstellungen,
    • Urlaubsrückstellungen,
    • Rückstellungen für Garantie und Haftung

So einfach, wie mancher Share Deal scheint, also der komplette Kauf einer Makler-GmbH, ist es in Anbetracht von undefinierten Rückstellungen und Darlehen in einer Bilanz eben doch nicht. Und dann heißt es 1. Aufpassen und 2. die Stunde der Experten schlägt.

Steuerberater Ihrig äußert sich dazu so: „Dokumentieren Sie den Grund für die Rückstellung, die Sie bilden wollen, möglichst ausführlich. Um die Rückstellung wirksam bilden zu können, müssen mehr Gründe vorliegen, die für eine Inanspruchnahme sprechen, als dagegen. Je mehr dokumentiert ist, desto größer ist die Möglichkeit die Rückstellung gegenüber der Finanzverwaltung zu vertreten. Gerade im Hinblick auf pauschale Provisionsrückzahlungen bei stornierten oder nicht bedienten Verträgen ist es sinnvoll, dass Sie sich eine Übersicht darüber verschaffen, in welcher Höhe sind in der Vergangenheit Storni angefallen sind.“

Fragen Sie bei beiden Arten der Rückstellungen - auch vor dem Hintergrund möglicher Darlehensverhandlungen mit der Bank - nach dem Grund und der Systematik dieser Rückstellungen. Jede kommentarlose Übernahme kann Sie als Käufer zu ungewünschten Überraschungen führen. Im Zweifel dann lieber einen Asset Deal als die Übernahme einer „Wunderkiste“ GmbH. Mehr zum Thema Share Deal und Asset Deal haben wir hier zusammengestellt.

Zum Abschluss noch 3 Tipps von Steuerberatern für die richtigen Fragen zu Rückstellungen:

  1. Grund für Rückstellungen schriftlich darlegen lassen und Blick in die Steuererklärung
  2. Höhe der Rückstellungen mit Nachweisen und Plausibilität aufzeigen lassen
  3. Dauer der Rückstellungen und ggf. geplante Absenkung oder Erhöhung anfordern

Sprechen Sie bitte intensiv mit Ihrem Steuerberater, denn zu wenig versteuerte Einnahmen stellen u. U. eine Steuerhinterziehung dar, die sich wiederum nachteilig bei einem Bestandsverkauf oder dem Verkauf Ihrer Maklerfirma auswirken können – meint Ihr AssekuranzDoc.

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