Das Bundesfinanzministerium will in den kommenden Jahren deutlich weniger Geld ausgeben und einen strengen Haushaltskurs verfolgen. Christian Lindner (FDP) stimmte am Montag auf einen strikten Sparkurs ein: Ausgaben und Maßnahmen müssten priorisiert, Einsparpotenziale identifiziert und realisiert werden, so teilte sein Ressort mit. Allein in den Jahren 2025 bis 2027 sollen 14,7 Milliarden Euro eingespart werden.

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Auch bei den Sozialversicherungen wird der Rotstift angesetzt. Ab 2024 soll der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Pflegeversicherung wegfallen, kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter an. Und auch die gesetzliche Rentenversicherung muss mit weniger Geld auskommen. Wie die Deutsche Rentenversicherung Bund auf ihrer Internetseite mitteilt, wird der Bundeszuschuss zur Rente zwischen 2024 und 2027 um jährlich 600 Millionen Euro gekürzt. Die DRV beruft sich hierbei auf Medienberichte.

“Rentenbeitrag würde schneller steigen“

Die Kürzungspläne stoßen auf breite Kritik, nicht zuletzt bei den Betroffenen selbst. „Die Rentenversicherung wendet sich entschieden gegen diese erneute kurzfristige haushaltspolitisch motivierte Kürzung“, schreibt die DRV auf ihrer Webseite. Und weiter: „Dass mit der Verlässlichkeit der Finanzierung das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung und den Sozialstaat als Ganzes steht und fällt, gilt umso mehr für die Belastbarkeit von Zusagen des Bundes“. Die DRV macht die Konsequenzen deutlich. Unter gleichbleibenden Bedingungen bliebe der Beitragssatz zwar wie bisher bis 2026 konstant bei 18,6 Prozent, würde danach aber umso schneller steigen.

Zwar muss der Bund nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums bereits 100 Milliarden Euro pro Jahr in die Rentenversicherung geben, was gut 30 Prozent der Ausgaben entspricht. Die DRV weist aber darauf hin, dass diese Gelder für sogenannte versicherungsfremde Leistungen verwendet werden: stark vereinfacht Leistungen, die nicht in direkter Beziehung zu Beitragszahlungen stehen und über die ursprüngliche Aufgabe der Rentenversicherung hinausgehen. Hierzu zählt zum Beispiel die Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung und Arbeitslosigkeit, Kriegsfolgelasten, Mütterrente etc.

“Bereits im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung vier Sonderzahlungen an die Rentenversicherung in Höhe von 500 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2025 inkl. der verabredeten Dynamisierung nachträglich abgeschafft“, schreibt die DRV. 1,4 Milliarden Euro seien für den Grundrentenzuschlag ab 2021 zusätzlich geflossen: Davon stünde im nächsten Jahr nur noch gut ein Fünftel zur Verfügung.

Kürzungen Pflegeversicherung: Harsche Kritik

Auch die angedachte Kürzung in der Pflegeversicherung sorgt bei Krankenkassen und Patientenvertretern für Missmut. Den Pflegekassen droht ein Milliarden-Defizit, deshalb wurde am Samstag bereits der Pflegebeitrag angehoben, um zusätzliches Geld ins Pflegesystem zu spülen. Zeitgleich steigen die Eigenbeiträge, die Pflegeheim-Bewohner zahlen müssen, teils rasant. Just in diesem Moment soll der zusätzliche Bundeszuschuss wegfallen.

Laut dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, der zuerst darüber berichtet hatte, müssen sich die gesetzlich Pflegeversicherten nun ebenfalls auf weiter steigende Beiträge einstellen. Demnach rechnen Experten des Finanzministeriums zwangsläufig mit einer Anhebung. Nicht ohne Grund: Die Krankenkassen wurden bereits gezwungen ihre Finanzreserven abzuschmelzen, um Finanzierungslöcher zu stopfen. Zudem sieht eine geplante Reform von Karl Lauterbach den Ausbau von Leistungen vor, etwa mehr Entlastungen für Heimbewohner und pflegende Angehörige.

Die Bundesregierung lasse "Millionen Pflegebedürftige im Regen stehen", zitiert die ARD Tagesschau GKV-Sprecher Florian Lanz. Lanz wies darauf hin, dass Pflegeheim-Bewohner schon seit Jahren die Investitionskosten für Pflegeheime mittragen müssten - etwa die Kosten für Sanierungen und neue Technik -, "weil die Bundesländer sich hier einen schlanken Fuß machen“. Die Sozialversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige müsste zudem "die Pflegeversicherung finanzieren, weil der Bund diese Aufgabe an die Pflegekassen abgeschoben hat“. Auch auf den Kosten der Coronakrise würden die Pflegekassen zum Teil sitzen bleiben. Lanz warf der Regierung vor, eine "politische Entwicklung gegen eine stabile Pflegeversicherung“ zu betreiben.

Noch härtere Worte fand Anja Piel, Vorständin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). "Mitten im Pflegenotstand den Pflegezuschuss zu streichen, ist ebenso dumm wie zynisch - gegenüber zu Pflegenden genauso wie gegenüber den Pflegekräften“, sagte Piel der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

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Immerhin kann die Bundesregierung auch Positives vermelden. Lange konnten sich die Ressorts nicht auf einen Bundeshaushalt für 2024 einigen, Christian Lindner musste dessen Präsentation nach hinten schieben. Doch ein Entwurf hierfür liegt nun vor. 445,7 Milliarden Euro sind angedacht, die Neuverschuldung soll bei 16,6 Milliarden Euro liegen. Damit würde die Schuldenbremse eingehalten.