Die in Deutschland tätigen Versicherer dringen auf Erleichterungen bei der Dokumentation von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG). Sie sehen die Gefahr einer Überforderung durch immer neue Dokumentationspflichten. „Wir stehen voll und ganz hinter Nachhaltigkeit – schon aus Eigeninteresse. Schließlich wollen wir in einer Umwelt leben, die lebenswert ist – und versicherbar“, sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), auf der Regulierungskonferenz am Dienstag in Berlin. Es sei aber unklar, ob die europäische Regulierung in ihrer Komplexität die Ziele unterstütze.

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Versicherer sollen Weg zu Klimaneutralität aufzeigen

Die EU-Kommission erarbeitet aktuell die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), mit denen die Inhalte der Nachhaltigkeitsberichte festgelegt werden. Kritisch sieht die Branche zum Beispiel eine gesonderte Verankerung von Transitionsplänen im europäischen Versicherungsaufsichtssystem Solvency II. In diesen Plänen sollen die Versicherer einen Fahrplan aufzeigen müssen, wie sie zu Klimaneutralität gelangen wollen. Das Problem: Auch in der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) sind derartige Berichtspflichten enthalten, sie gilt für alle Branchen. Folglich droht die Gefahr, dass die Versicherer mehrfach und bei unterschiedlichen Aufsichtsbehörden über das gleiche Thema berichten müssen.

„Transitionspläne sind sinnvoll. Sie funktionieren aber nur, wenn sie für alle Sektoren gleichermaßen gelten – und folgerichtig sektorübergreifend geregelt werden“, sagt Asmussen.

Die Gefahr, dass die Bürokratie Initiativen eher erstickt als fördert, sieht auch Frank Grund, Versicherungs-Chefaufseher bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). „Wir sind in einer Phase, in der wir ganze viele Akteure zu überfordern drohen, nicht nur intellektuell, sondern auch in der Umsetzung“, sagte Grund auf derselben Veranstaltung. Der Elan der Branche, sich den Herausforderungen durch den Klimawandel zu stellen, könne durch zu viel Bürokratie erlahmen. Er warnt zudem vor unrealistischen Vorgaben. „Ich habe die Sorge, dass die Erwartungen der Politik und der Menschen schneller steigen, als sie die Aufsicht und die Versicherer erfüllen können“, so der Chefaufseher.

EU-Initiative für weniger Bürokratie

Wie der GDV weiter berichtet, plant EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Entbürokratisierungs-Initiative. Berichtspflichten sollen demnach um ein Viertel reduziert werden. Hierzu war bei der Veranstaltung Alexandra Jour-Schröder geladen, stellvertretende Generaldirektorin bei der EU-Kommission. Beim Thema Nachhaltigkeit wolle sich die EU auf allgemeine Standards beschränken und auf sektorale Vorgaben verzichten. „Wir haben uns von der ambitionierten Idee verabschiedet, alles sofort zu machen“, wird die EU-Direktorin zitiert. Zwar wolle man nicht alle Offenlegungspflichten abschaffen: aber solche, die sich überlappen.

Mit dieser Initiative rannte sie beim GDV offene Türen ein. „Gute Regulierung muss stimulieren und darf wirtschaftliche Tätigkeit nicht abwürgen“, sagte Norbert Rollinger, Präsident des Versichererverbandes.

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GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen drängt vor allem auf Erleichterungen für kleinere Versicherer. Die umfangreichen ESG-Berichtspflichten würden für alle europäischen Unternehmen gelten, die zwei von drei Kriterien erfüllen: eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro, ein Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro oder mehr als 250 Mitarbeiter. „Ein mittelständischer Versicherer mit regionalem Geschäft müsste die gleichen Berichtspflichten erfüllen wie ein globaler Konzern“, kritisierte Asmussen. Er fordert vereinfachte Berichtsstandards für kleine Marktteilnehmer.