PKV-Beitragsanpassung: BGH präzisiert Rechtsprechung
Die Wirksamkeit von Klauseln zur Beitragsanpassung (BAP) einer privaten Krankenversicherung (PKV) waren erneut Streitgegenstand vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die Richter präzisierten nun vorangegangene Entscheidungen.
- PKV-Beitragsanpassung: BGH präzisiert Rechtsprechung
- Kostensteigerungen führen nicht unmittelbar zu höheren Beiträgen
Bereits im Sommer 2022 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) fest, dass eine u.a. von der DKV verwendete Klausel Kunden nicht unangemessen benachteiligt (Versicherungsbote berichtete).
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Nun war diese Klausel erneut streitgegenständlich beim BGH (Az.: IV ZR 347/22). Konkret geht es in beiden Fällen um die Wirksamkeit der Klausel § 8b Abs. 1 und 2 MB/KK 2009.
Im ‚DKV-Urteil‘ entschied der BGH, dass Absatz 2 unwirksam; Absatz 1 hingegen wirksam sei. Entscheidend dabei ist der dritte Satz dieser Klausel: „Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst.“
Er erlaubt es den Versicherern, einen niedrigeren Schwellenwert (hinsichtlich des auslösenden Faktors Versicherungsleistungen) als gesetzlich vorgesehen, vertraglich zu vereinbaren. Diese Regelung erklärte der BGH im ‚DKV-Urteil‘ für wirksam. Die darauf beruhende Tarifbedingung, nach der eine Beitragsanpassung auch bei einer Abweichung von mehr als 5 Prozent beim Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen möglich sein sollte, erklärte der BGH ebenfalls im ‚DKV-Urteil‘ für wirksam. Warum war also eine erneute Entscheidung der Karlsruher Richter notwendig?
Mit dieser Frage wandte sich Versicherungsbote an den PKV-Verband. Dessen Rechtsabteilung führte gegenüber Versicherungsbote aus, worin der Knackpunkt zu sehen ist: Die damals streitgegenständliche, unternehmensindividuelle Tarifklausel war dergestalt formuliert, dass bei einer Abweichung vom gesetzlichen Schwellenwert (10 %), eine Überprüfung der Prämien erfolgen muss, bei einer Abweichung von weniger als 10 % aber mehr als 5 % eine Überprüfung darüber hinaus zwar erfolgen kann, aber nicht muss (sog. „Kann-Klausel“).
Im nun entschiedenen Fall stellte sich die Berufungsinstanz (OLG Rostock) auf den Standpunkt, der BGH habe in seiner damaligen Entscheidung vom 22.6.2022 gar nicht zu der Tarifbedingung entschieden, sondern allein zu § 8b Abs. 1 und Abs. 2 MB/KK 2009.
Diesem Verständnis widersprach der BGH nun – und begründete dieses Mal die Wirksamkeit der unternehmensindividuellen Klausel detailliert, so der PKV-Verband weiter.
So heißt es im BGH-Urteil, dass die Regelung den Kunden nicht „unangemessen benachteiligt“. Denn unangemessen ist eine Benachteiligung, wenn der Verwender der Klausel durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Das sei vorliegend nicht der Fall. Denn die Klausel erlaube sowohl eine Erhöhung als auch eine Senkung, ohne den Versicherer insoweit dazu zu verpflichten, schreiben die Karlsruher Richter.
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Weil das Recht zur Beitragsanpassung vorrangig „die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge gewährleisten“ soll, „dient die Berechtigung zur Prämienanpassung nicht der Durchsetzung eigener Interessen des Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers, sondern auch den Belangen der Versichertengemeinschaft“, begründet der BGH. Die Berechtigung, Beiträge bereits unterhalb der gesetzlichen Schwellenwerte anzupassen, solle große Beitragssprünge vermeiden, so die Richter.
Kostensteigerungen führen nicht unmittelbar zu höheren Beiträgen
Zudem sieht die Klausel kein einseitiges Recht des Versicherers vor, Kostensteigerungen oder Zinsentwicklungen "nach billigem Ermessen" an den Versicherungsnehmer weiterzugeben. Die verwendeten Anpassungsklauseln beschränken die Möglichkeit des Versicherers, für ihn ungünstige Veränderungen der Rechnungsgrundlagen durch Beitragsanpassungen auszugleichen.
So schreibt der BGH: „Nur bei zwei dieser Rechnungsgrundlagen - den Versicherungsleistungen und den Sterbewahrscheinlichkeiten - kann eine Abweichung der tatsächlichen von den kalkulierten Werten zum auslösenden Faktor einer Prämienanpassung werden, da der Gesetzgeber Veränderungen der weiteren Rechnungsgrundlagen, bei denen seiner Ansicht nach Veränderungen im Wesentlichen auf einer Unternehmensentscheidung beruhen, nicht zum Anlass einer Neukalkulation werden lassen wollte.“
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Weiter heißt es im Urteil: „Erst wenn es - ausgelöst durch einen dieser Faktoren - überhaupt zu einer Neukalkulation kommt, werden dabei alle Rechnungsgrundlagen berücksichtigt. Nach dem aufsichtsrechtlich geregelten Prämienanpassungsverfahren führen daher Kostensteigerungen auch nicht unmittelbar zu Prämiensteigerungen oder Kostensenkungen zu Prämiensenkungen.
Eine Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen nach oben oder unten kann bei der Neukalkulation anhand aller Rechnungsgrundlagen jeweils zu einer Anpassung der Prämie nach oben oder unten führen […]. Die dem Versicherer durch die Klausel eröffnete Möglichkeit, bereits früher ein Prämienanpassungsverfahren durchzuführen, ist daher in beide Richtungen offen.“
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Doch ausgestanden ist die Sache damit noch nicht. Denn das OLG Rostock muss sich nun mit der Frage befassen, ob die Beitragsanpassungen der Jahre 2013, 2015, 2017 und 2018 formell rechtmäßig waren.
- PKV-Beitragsanpassung: BGH präzisiert Rechtsprechung
- Kostensteigerungen führen nicht unmittelbar zu höheren Beiträgen