Psychische Erkrankungen können Berufskrankheit sein
Psychische Erkrankungen können unter bestimmten Voraussetzungen eine Berufskrankheit sein, urteilte das Bundessozialgericht (BSG). Im konkreten Fall ging es um einen Rettungssanitäter, der an einer Posttraumatische Belastungsstörung (PTSB) leidet.
Psychische Erkrankungen - zum Beispiel Depressionen oder Angststörungen - sorgen für massive Arbeitsausfälle und zählen bei den wichtigsten Ursachen für Berufsunfähigkeit.
Einige Berufsgruppen - Rettungssanitäter, Feuerwehrleute, Polizisten oder Soldaten - sind einem höheren Risiko ausgesetzt, psychische Belastungen zu erleben. Dennoch fehlte es in der Berufskrankheiten-Verordnung an entsprechenden Aufzählungen. Das Bundessozialgericht (Az.: B 2 U 11/20 R) entschied nun, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTSB) auch dann als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden kann, wenn diese Erkrankung nicht in der Berufskrankheiten-Liste aufgeführt ist.
Anzeige
Im konkreten Fall ging es um einen Rettungssanitäter, der bei der Unfallversicherung ‚Bund und Bahn‘ und eine Entlassungsbericht der Deutschen Rentenversicherung vorlegte, in dem ihm u.a. eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTSB) attestiert wurde. Der Bericht führte aus, der Kläger habe im Rettungsdienst viele traumatisierende Erlebnisse gehabt. Gleichzeitig habe er über Personalknappheit und ähnliche ihn belastende Vorgänge in der Rettungswache berichtet. Konkret habe die beschriebene Symptomatik nach zwei Amokläufen begonnen, als der Sanitäter als Helfer eingesetzt worden sei, sowie nach Suiziden von zwei miteinander befreundeten Mädchen.
Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte aber die Anerkennung als Berufskrankheit ab; auch eine Anerkennung als „Wie-Berufskrankheit“ scheide aus. Diese Auffassung wurde durch die Vorinstanzen bestätigt und nun vom Bundessozialgericht gekippt. Die Richter am BSG gelangten zu der Ansicht, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung bei Rettungssanitätern als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden kann. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass Rettungssanitäter während ihrer Arbeitszeit einem erhöhten Risiko der Konfrontation mit traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt sind. „Diese Einwirkungen sind abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft Ursache einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Dieser Ursachenzusammenhang ergibt sich aus den international anerkannten Diagnosesystemen, insbesondere dem Statistischen Manual Psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung (DSM), sowie den Leitlinien der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften“, so das Bundessozialgericht.
Diese Erkenntnisse zum Ursachenzusammenhang seien auch im Rechtssinne „neu“, schreibt das Bundessozialgericht: „Bis jetzt ist nicht einmal eine Vorprüfung durch die zuständigen Gremien erfolgt, so dass sich der Verordnungsgeber zu keinem Zeitpunkt mit dem aus den Diagnosesystemen ableitbaren Ursachenzusammenhang auseinandergesetzt beziehungsweise eine Anerkennung oder Ablehnung der Posttraumatischen Belastungsstörung als (Listen-)Berufskrankheit bei Rettungssanitätern geprüft hat.“
Anzeige
Ob die PTBS, die beim Rettungssanitäter vorliegt, auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist, entschied das BSG allerdings nicht. Dafür bedürfe es weiterer Feststellungen, für die der Fall an das Landessozialgericht zurückverwiesen wurde.