Folgen der Corona-Pandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine und Inflation: Die zukünftigen Herausforderungen für Versicherer „gehen weit darüber hinaus“, sagte Petra Hielkema, Vorsitzende der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Die Covid-Pandemie zeigte u.a. auf, wie abhängig Europa von funktionierenden Lieferketten ist und der Einmarsch Russlands in die Ukraine löste einen ‚Energieschock‘ aus, der sich auch in der Inflation niederschlägt. Doch die europäische Versicherungswirtschaft muss sich auf künftige Herausforderungen einstellen, die „weit darüber hinaus gehen“, sagte EIOPA-Vorsitzende Petra Hielkema auf der BaFin-Jahreskonferenz Ende August in Bonn.

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Welche Herausforderungen sie konkret meint, verdeutlichte Hielkema ebenfalls:

  1. Die „zunehmend kostspieligen Auswirkungen des Klimawandels“ würden eine „echte Herausforderung für die Finanzmärkte und die Gesellschaften insgesamt“ darstellen. Es sei daher auch im Versicherungssektor dringend erforderlich, „rasch zu einer grünen und nachhaltigen Wirtschaft überzugehen.“
  2. Der Einfluss neuer Technologien und künstlicher Intelligenz sowie die Verfügbarkeit von Big Data würden die Art und Weise verändern, wie Versicherer Informationen sammeln und analysieren, Risiken bewerten und mit Versicherungsnehmern interagieren können. Mit dieser Entwicklung seien neue Möglichkeiten, aber auch Risiken verbunden. Ein Risiko, was die europäische Versicherungsaufsicht „im Auge behalten müsse“, sei die ethische Nutzung von Verbraucherdaten, so Hielkema.
  3. Als dritten Punkt nannte sie Cyberangriffe. Dieses Problem betrifft Verbraucher, Industrie und politische Entscheidungsträger gleichermaßen, so Hielkema.

Run-off: Europäischer Rechtsrahmen soll kommen

Hielkema lieferte auch einen Ausblick auf künftige Regulierungsvorhaben. So ist beispielsweise in der Überarbeitung von Solvency II ein einfacheres Berichtswesen und weniger Offenlegungspflichten für Versicherer mit einem niedrigeren Risikoprofil vorgesehen. Die EIOPA-Chefin begrüßte das als Verbesserung. Es sei nur angemessen, dass die Berichtspflichten das Risikoprofil eines Versicherers widerspiegeln.
Die Pläne, Kapitalanforderungen zu lockern, sieht sie etwas skeptischer: „Der europäische Versicherungssektor ist während mehrerer Krisen weitestgehend stabil geblieben. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Kapitalanforderungen strenger sind als die, die für die Zukunft vorgesehen sind.“ Mit der Senkung der Eigenkapitalanforderungen sollen langfristige Investitionen erleichtert werden. Doch Hielkema warnt die Versicherer: „Das Ergebnis könnte auch sein, dass das frei werdende Kapital an die Aktionäre ausgeschüttet wird.“

Altersvorsorge zweitgrößte Schutzlücke in Europa

Zudem soll „eine der wichtigsten legislativen Entwicklungen im Versicherungssektor“ angestoßen werden: Die Schaffung eines Rechtsrahmens für die Sanierung und Abwicklung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen (IRRD). Denn gegenwärtig gibt es auf europäischer Ebene keine einheitliche Regelung für die Abwicklung von Versicherungsunternehmen. „Unterschiede in den Abwicklungszielen, -bedingungen und -instrumenten, die den Behörden zur Verfügung stehen, führen zu ungleichen Schutzniveaus für die Versicherungsnehmer, je nachdem, in welchem Land die Versicherungspolice abgeschlossen wurde“, verdeutlichte Hielkema das Problem.

Altersvorsorge zweitgrößte Schutzlücke in Europa

Klimabedingte Katastrophen würden die größte Schutzlücke in Europa darstellen, so Hielkema. Die zweitgrößte würde die Altersvorsorge betreffen, sagte die EIOPA-Chefin. Die EIOPA begrüße deshalb die EU-Kommission vorgeschlagene Kleinanleger-Strategie. „Um Kleinanleger an die Kapitalmärkte zu bringen, müssen wir dafür sorgen, dass das System sicher ist. Das bedeutet, dass wir sicherstellen müssen, dass es Schutzmaßnahmen gegen Interessenkonflikte gibt und dass die Produkte im besten Interesse der Verbraucher konzipiert sind und ein echtes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten“, so Hilkema.

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Die Renditen von Kleinanlegern dürften nicht durch hohe Gebühren und versteckte Kosten geschmälert werden. „Und wenn wir dies nicht in Angriff nehmen, wird ein Provisionsverbot immer mehr zur Realität werden. Dies ist die Gelegenheit, um zu zeigen, dass wir als Branche auch ohne ein Verbot eine Lösung finden können“, sagte die EIOPA-Chefin. Die zweite eindringliche Warnung an die Versicherer.

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