Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler betreuen im Durchschnitt 2.093 Kunden. Dabei haben Einfirmenvertreter mit 2.188 deutlich mehr Kundinnen und Kunden als Mehrfachvertreter (1.518) und Versicherungsmakler (1.105). Das ist das Ergebnis der aktuellen BVK-Strukturanalyse 2022/2023, einer nicht repräsentativen Befragung, für die 1.842 Fragebögen ausgewertet wurden.

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Wie gut können die hohen Kundenbestände betreut werden?

Dass gerade Einfirmenvertreter eine so hohe Kundenzahl haben, sehen die Autoren der Studie, Matthias Beenken und Lukas Linnenbrink, durchaus kritisch. Es stelle sich die Frage, wie gut der einzelne Kunde oder die einzelne Kundin betreut werden könne, wenn so viele Personen in Versicherungs- und Finanzfragen beraten werden. „Wenn man bedenkt, dass die große Mehrheit der Vermittlerbetriebe Kleinstbetriebe sind, ist es schwer vorstellbar, dass diese Menge an Kunden intensiv betreut werden kann. Allenfalls mit Methoden der Digitalisierung ist eine regelmäßige Kontaktaufnahme denkbar“, heißt es dazu in der Studie. Das bedeutet, dass die Vermittler keinen engen Kontakt halten - und die Bestände entsprechend gefährdet sind.

Die hohen Kundenbestände führen die Autoren auch auf frühere Fehlanreize im Provisionssystem zurück. Hohe Abschlussprovisionen und ein Schwerpunkt auf den Produktverkauf etwa in Schulungen hätten dazu beigetragen, dass die Vertreterinnen und Vertreter vor allem hohe Absatzzahlen angestrebt haben. Erst in jüngerer Zeit seien die Effektivität und Effizienz des Verkaufsansatzes kritisch hinterfragt worden. Nun werde vermehrt ein umfassenderer oder sogar ganzheitlicher Ansatz verfolgt, "der im Ergebnis zu einer umfassenden Abdeckung der Kunden führt", heißt es im Text.

Cross Selling: Branche verschenkt Potential

Die mangelhafte Effizienz des auf Absatz orientierten Vertriebes zeige sich zum Beispiel anhand niedriger Cross-Selling-Quoten: also stark vereinfacht an der Frage, wie viele Verträge ein Kunde oder eine Kundin zusätzlich bei einem Vermittler abgeschlossen hat. Die Cross-Selling-Quote liegt laut Studie bei 3,1 vermittelten Verträgen, während ein typischer Privathaushalt nach GDV-Zahlen im Durchschnitt neun Versicherungsverträge hält. Mit anderen Worten: Kundinnen und Kunden schließen lieber woanders ab, als ihrem Vertreter treu zu bleiben.

Damit verschenkt die Branche viel Potential. In der aktuellen Studie konnte demnach ein leichter Zusammenhang zwischen der Cross-Selling-Quote und den betriebswirtschaftlichen Erfolgskennzahlen Umsatz und Gewinn nachgewiesen werden. So haben zum Beispiel Vermittler mit einem Umsatz bis 24.999 Euro pro Jahr eine Cross-Selling-Quote von 2,7, jene Vermittler mit höheren Umsätzen hingegen von 3,0 und höher. Wer einen Umsatz ab einer Million Euro erzielt, kann gar im Durchschnitt eine Cross-Selling-Quote von 3,7 Verträgen je Kunde vorzeigen. Die Autoren geben zu bedenken: Werden mehrere Verträge bei einem Vermittler bzw. einer Vermittlerin gehalten, erhöht dies die Kundenbindung und es sinkt zugleich das Stornorisiko.

Anders sieht es beim Maklervertrieb aus: Hier gebe es seit langem Vertriebsformen, bei denen Cross-Selling-Quoten deutlich jenseits von fünf bis sechs Verträgen je Haushalt zu finden seien, heißt es in der BVK-Strukturanalyse. Dann würden auch 300 bis 400 Kundinnen und Kunden ausreichen, um wirtschaftlich arbeiten zu können, während in der Ausschließlichkeit mit dem Ansatz des selektiven Produktverkaufs erst rund 500 bis 1.000 Kunden je Verkäufer eine auskömmliche wirtschaftliche Situation versprechen. Hier wäre zu ergänzen: Bereits aus der rechtlichen Stellung des Maklers als Sachverwalter des Kunden ergibt sich die Pflicht, die eigene Kundschaft jenseits des Neugeschäfts umfassend zu beraten. 46,3 Prozent der befragten Makler sind demnach in den Gruppen bis maximal 500 Kundinnen und Kunden zu verorten.

Konkret lag die durchschnittliche Cross-Selling-Quote laut BVK-Studie über alle Vermittlerarten hinweg bei 3,1. Einfirmen- und Mehrfachvertreter haben eine Cross-Selling-Quote von 3,0, während Versicherungsmakler immerhin eine Quote von 4,4 Verträgen vorzeigen können.

Die BVK-Analyse bestätigt wie auch die Untersuchungen zuvor, dass die Zahl der Kundinnen und Kunden breit gestreut ist:

  • Ein Prozent der Vermittlerinnen und Vermittler betreuen bis zu 100 Kundinnen und Kunden,
  • 2,1 Prozent betreuen 101 bis 250 Kundinnen und Kunden
  • 7,4 Prozent betreuen 251 bis 500 Kundinnen und Kunden
  • 18,8 Prozent betreuen 501 bis 1.000 Kundinnen und Kunden
  • 35,1 Prozent betreuen 1.001 bis 2.000 Kundinnen und Kunden
  • 18,3 Prozent betreuen 2.001 bis 3.000 Kundinnen und Kunden
  • 12,7 Prozent betreuen 3.001 bis 5.000 Kundinnen und Kunden
  • 3,8 Prozent betreuen 5.001 bis 10.000 Kundinnen und Kunden
  • 1,0 Prozent betreuen 10.001 und mehr Kundinnen und Kunden.

Hintergrund: Die Studie „Betriebswirtschaftliche Strukturen des Versicherungsvertriebs – BVK-Strukturanalyse 2022/2023“ basiert auf einer zwischen Dezember 2022 und März 2023 durchgeführten Onlinebefragung von Vermittlern. 1.842 Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt und konnten ausgewertet werden. Knapp 90 Prozent der Befragten sind als Einfirmenvertreter im Vermittlerregister registriert, etwa 6,4 Prozent als Versicherungsmakler und 3,7 Prozent als Mehrfachvertreter. Die Studie kann beim Verlag VersicherungsJournal hier bestellt werden.