Dabei zeigt der Markt zwei Seiten einer Medaille. Zum einen rechnen die Rückversicherer mit steigenden Kapazitäten: Das heißt, es wird für ihre Kundinnen und Kunden wieder leichter, sich abzusichern. Teure Naturkatastrophen, Ukrainekrieg und die Coronakrise hatten im letzten Jahr dazu beigetragen, dass die Versicherer selbst vorsichtiger wurden, Risiken zu zeichnen – oft war dies nur sehr teuer möglich. Teils wurden im Bestand deutliche Prämienanpassungen durchgesetzt. So hätten sich die Kapazitäten von 434 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 auf 461 Milliarden in diesem Jahr erhöht (bereinigt um Eigenkapital-Effekte), wie Underwriter der Munich Re vor Ort berichtet haben. Sie berufen sich hierbei auf Zahlen des Ratinghauses AM Best sowie des Rückversicherungs-Spezialisten Guy Carpenter.

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Weil viele Anbieter bereits höhere Prämien bei ihren Kundinnen und Kunden durchgesetzt haben, die Zahl der Naturkatastrophen sich bisher in Grenzen hielt und sich auch die steigenden Zinsen positiv ausgewirkt haben, haben sich nach einer Einschätzung von Standard & Poors auch die Gewinnmargen wieder verbessert. Dabei profitieren die Versicherer auch von einer weltweit steigenden Nachfrage.

Gleichwohl bleibt der Markt schwierig – und die Bedrohungen nehmen weiter zu. “Das Marktumfeld ist weiterhin komplex: Unsicherheiten durch Inflation, mögliche Folgen geopolitischer Risiken oder die De-Globalisierung sowie dynamische Risiken – Klimawandel, Cyber – sind Beispiele hierfür“, zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Thomas Blunck, bei der Munich Re verantwortlicher Vorstand für Underwriting. Und weiter: „Bei angemessenen Raten und Bedingungen sind wir bereit, unsere Kapazität weiter zu erhöhen.“ Mit anderen Worten: Wie viele Kapazitäten bereitgestellt werden, hängt davon ab, ob Ertrag und Prämien stimmen.

Damit zeigt sich eine auf den ersten Blick widersprüchliche Situation: Einerseits beobachten die Rückversicherer weltweit eine deutlich steigende Nachfrage, Risiken rückzuversichern. Das birgt enorme Wachstumschancen. Andererseits sind sie längst nicht mehr bereit, alle Risiken in ihr Portfolio zu nehmen – oder bestimmte Risiken nur zu sehr hohen Prämien. Und sie rechnen mit weiter steigenden Kosten.

"Der sich beschleunigende Klimawandel dürfte dazu beitragen, dass extreme Wetterereignisse wie tropische Wirbelstürme, Hitzewellen und Winterfrost, extreme Regenfälle, Waldbrände und schwere konvektive Stürme in vielen Regionen der Welt zunehmen", zitiert die ARD Tagesschau Jean-Jacques Henchoz, Chef der Hannover Rück. Die weiterhin hohe Inflation sei ein zusätzlicher Kostentreiber. Die Rückversicherer reagieren unter anderem mit neuen Tarifmodellen auf die Situation: unter anderem Verträgen, die im Falle eines Schadens nicht einen bestimmten des Schadens erstatten, sondern erst ab einer bestimmten Schadenhöhe einen vorher vereinbarten Betrag auszahlen: eine Art Selbstbehalt.

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Steigende Risiken treffen auf eine steigende Nachfrage – und das Zögern der Rückversicherer, teure Risiken zu zeichnen. Das stellt auch die Erstversicherer vor die Aufgabe, sich über Alternativen Gedanken zu machen. Laut einer Rating-Agentur Moody's wollen 91 Prozent der Erstversicherer im kommenden Jahr keine weiteren Risiken an Rückversicherer abgeben, sondern sichern diese vermehrt im eigenen Haus ab. Als ein wichtiger Wachstumsmarkt wurde die Cyberversicherung ausgemacht: auch hier mit einem großen „Aber“. Nach Schätzungen der Munich Re könnten die Schäden durch Cyberangriffe bis 2027 auf etwa 24 Billionen Dollar verdreifachen. Eine Summe, die realistisch nicht durch Privatversicherer abgesichert werden kann. Gleichwohl ist auch hier mit einer steigenden Nachfrage zu rechnen. So sollen sich auch die Prämien in der Cyber-Versicherung im selben Zeitraum branchenweit auf 33 Milliarden Dollar verzweieinhalbfachen.