Mehr als jedes zweite kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland (53 Prozent) hat nach eigener Aussage Schwierigkeiten, geeignete Arbeitskräfte zu finden und an sich zu binden. Das ist ein Ergebnis der Gothaer KMU-Studie 2023. Für die Studie hat das Kölner Institut Heute und Morgen in den ersten beiden Monaten des Jahres 1.023 Personen gefragt, die in Unternehmen für das Thema Versicherungen (mit)verantwortlich sind.

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Damit ist die Zahl der Unternehmen, die entsprechende Schwierigkeiten haben, sehr schnell gestiegen. Vor einem Jahr lag die Zahl der Firmen mit Fachkräftemangel noch sieben Prozentpunkte niedriger, 2021 sogar 13 Prozentpunkte.

Auffällig dabei seien die Unterschiede zwischen kleinen und größeren Unternehmen, berichtet die Gothaer in einem Pressetext. Während 29 Prozent der Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden vor der Herausforderung stehen, Mitarbeiter zu finden und zu binden (plus ein Prozentpunkt im Vergleich zu 2022), sind es bei den Unternehmen mit einer Größe von elf bis 20 Mitarbeitenden schon mehr als die Hälfte (51 Prozent; plus sieben Prozentpunkte). Bei mittleren und größeren Unternehmen sind die Probleme noch ausgeprägter. Zählt die Belegschaft 21 bis 200 Personen, so haben in dieser Größenordnung bereits 65 Prozent der Befragten Probleme, Fachkräfte zu finden: sieben Prozentpunkte mehr als 2022. Bei den Unternehmen mit einer Größe von 201 bis 500 Mitarbeitenden legte der Wert sogar um 17 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr zu: Hier sagen 71 Prozent, sie hätten entsprechende Schwierigkeiten (siehe Grafik).

Gothaer KMU Studie 2023

bAV und bKV bisher noch nicht umfangreich genutzt

Angesichts des drastischen Arbeitskräftemangels sei klar: „Unternehmen können sich Tatenlosigkeit beim Thema Arbeitgeberattraktivität nicht mehr leisten“, schreibt die Gothaer. In der Studie wurde deshalb auch danach gefragt, was die KMU alles tun, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Mehrfachantworten waren hier möglich, da die Firmen natürlich die Option haben, mehrere Maßnahmen umzusetzen, um im Wettbewerb um Mitarbeiter zu punkten.

Die Antworten zeigen: Work-Life-Balance und selbstbestimmte Arbeitsgestaltung sind auch für kleine und mittlere Unternehmen wichtige Themen, um Mitarbeiter von sich zu überzeugen. Fast jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) bietet flexible Arbeitszeiten an, die Möglichkeit zur Heimarbeit immerhin 41 Prozent der befragten Entscheider. Ein attraktives Gehalt ist für 39 Prozent der Befragten ein geeignetes Instrument, um Fachkräfte zu gewinnen - dass dieser Punkt nur auf Rang drei landet, überrascht. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob es für manche KMU nicht auch finanzielle Grenzen für höhere Gehälter gibt: Die Studie liefert hierauf keine Antwort.

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Auch bezüglich der Arbeitsplatz-Gestaltung sind die Optionen abhängig von der Unternehmensgröße. Boten 2022 noch 28 Prozent der Unternehmen mit ein bis zehn Beschäftigten ihren Angestellten die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, sind es in diesem Jahr bereits 36 Prozent. Wesentlich häufiger angeboten wird Homeoffice bei Unternehmen mit 201 bis 500 Mitarbeitenden: Hier stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 54 auf 55 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den flexiblen Arbeitszeiten. Diese nutzen heute 42 Prozent der Kleinstunternehmen (plus sieben Prozent) und 55 Prozent der Großunternehmen (minus ein Prozent). Diesbezüglich gilt es zu bedenken, dass die Möglichkeit zu Homeoffice auch abhängig ist von der jeweiligen Tätigkeit. Zum Beispiel dürften Beschäftigte im Straßen- und Tiefbau oder in der industriellen Fertigung schwerlich ihre Arbeit mit nachhause nehmen können.

30 Prozent der KMU bieten Betriebsrente an

Bereits an vierter Stelle der genutzten Möglichkeiten zur Mitarbeiterbindung steht die betriebliche Altersvorsorge (bAV), die von 30 Prozent der Unternehmen genutzt wird. Sie ist damit die beliebteste Versicherung zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität und ein etabliertes Mittel zur Personalgewinnung und -bindung. Es stellt sich jedoch die Frage, ob und in welchem Umfang sich Arbeitgeber - über die gesetzlichen Vorgaben hinaus - an der betrieblichen Altersversorgung beteiligen. In den letzten Jahrzehnten war beobachtbar, dass die Firmen sich zunehmend aus der Finanzierung zurückzogen, wie Kritiker der Betriebsrente wiederholt moniert haben. Die Studie hat nicht danach gefragt.

Auffällig sind jedoch die Unterschiede zwischen den Unternehmensgrößen. Während 43 Prozent (plus drei Prozentpunkte) der Großunternehmen eine bAV im Programm haben, sind es bei den Kleinstunternehmen nur zwölf Prozent (2022: 13 Prozent). „Viele kleine Unternehmen wissen wahrscheinlich nicht, dass sie das Angebot einer bAV auch mit einer verhältnismäßig kleinen Mitarbeitendenanzahl wahrnehmen können. Hier sehen wir uns als Versicherer in der Pflicht, stärker in die Aufklärung zu gehen“, sagt Oliver Brüß, Vertriebsvorstand der Gothaer.

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Auf den weiteren Plätzen folgen Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten (27 Prozent; minus ein Prozentpunkt), gratis Obst und Getränke (24 Prozent; plus zwei Prozentpunkte) sowie Zeitwertkonten, die erstmals abgefragt wurden (18 Prozent). Zeitwertkonten erlauben es, zusätzliche Arbeitszeit und Überstunden in Gehalt umzurechnen, um sich später eine längere bezahlte Auszeit zu gönnen: etwa ein Sabbatical oder für die Erziehung der Kinder.

Gothaer KMU Studie 2023

Steigendes Interesse, aber noch deutliche Luft nach oben zeigt sich bei der betrieblichen Gesundheitsförderung (18 Prozent) und der betrieblichen Krankenversicherung (bKV), die etwa in jedem siebten Unternehmen angeboten wird (14 Prozent). Die bKV bietet hierbei die Möglichkeit, Krankenzusatzversicherungen, zum Beispiel für Zahnersatz, als Gruppentarif abzuschließen. Auch Leistungen wie Massagen, Krankengymnastik, Heilpraktiker-Leistungen, Brillen, Pflegevorsorge und weitere Services sind hier versicherbar. "Diese Entwicklung zeigt uns, dass Gesundheit auch im beruflichen Kontext zu einem zentralen Thema wird. Neben der Stärkung der Arbeitgebermarke geht es dabei auch um personalwirtschaftliche Ziele. Gerade mittelständische Unternehmen können sich vor dem Hintergrund eines großen Veränderungs- und Wettbewerbsdrucks keine hohe Personalfluktuation oder lange Ausfallzeiten ihrer Mitarbeitenden leisten", sagt Sylvia Eichelberg, Vorstandsvorsitzende der Gothaer Krankenversicherung.

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Auch weitere Versicherungsoptionen wurden in der Studie abgefragt. 13 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) der Unternehmen setzen auf eine betriebliche Unfallversicherung für ihre Belegschaft, die über die gesetzliche Absicherung hinausgeht. Sie liegt damit gleichauf mit dem Jobticket. Neu in die Befragung aufgenommen wurden Maßnahmen zur Absicherung der Arbeitskraft wie Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherungen. 10 Prozent der befragten Unternehmen haben sie im Portfolio, um sich im Kampf um Personal von der Konkurrenz abzuheben.

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