In der Versicherungswirtschaft gibt es bereits erste Anwendungsfälle für dieses Szenario, das noch vor wenigen Jahren als Science-Fiction abgetan wurde. Welche Einsatzgebiete gibt es bereits und welche Risiken bestehen neben den zahlreichen Vorteilen und Effizienzgewinnen durch Automatisierung? Wie können diese identifiziert und anschließend gesteuert werden? Diesen Fragestellungen widmet sich der folgende Artikel.

Anzeige

Effizienzsteigerungen durch den Einsatz von KI können insbesondere in jenen Bereichen erzielt werden, in welchen eine große Datenmenge sowie wiederkehrende Abläufe vorkommen. In der Versicherungswirtschaft trifft dies vor allem auf die Schadenregulierung und das Kundenmanagement zu. Bereits heute kommen KI-Verfahren zum Einsatz, welche innerhalb von fünf Minuten 500.000 Schadenakten auf unberechtigte Ansprüche Dritter analysieren und so helfen, unnötige Kosten für die Versicherten zu vermeiden. Dabei werden in den meisten Fällen KI-Modelle zur Textanalyse verwendet, welche insbesondere auf Ansätzen wie Recurrent Neural Networks (RNNs) und Convolutional Neural Networks (CNNs) basieren. Hier werden entsprechende Wörter durch einen numerischen Vektor repräsentiert, der ihre Bedeutung im Kontext wiedergibt. Zudem können Versicherte bereits heute unmittelbar nach einem Verkehrsunfall Bilder des beschädigten Fahrzeugs über eine mobile App hochladen, wobei KI-Systeme vollautomatisiert Entscheidungen über die Höhe des Schadens treffen. Früher musste dies ein Sachbearbeiter manuell per Vergleich herausfinden - auch bei diesem Anwendungsfall kommen vorrangig CNNs zum Einsatz, welche jedoch speziell für die Verarbeitung von Bildern entwickelt wurden und sogenannte Faltungsoperationen verwenden, welche durch die Überlagerung eines Filters auf die Eingabefunktion Merkmale aus den Bildern extrahieren können.

Armin ReinhardtArmin ReinhardtRisk Advisory Insurance-Manager bei Deloitte GmbH.Deloitte

Insbesondere können KI-Verfahren auch im Kundenmanagement zu deutlichen Effizienzgewinnen beitragen. Traditionell erforderte der Kundendienst in der Versicherungsbranche oft eine manuelle Kommunikation und führte zu langen Wartezeiten für die Kunden. Hier setzt die KI an, um den Kundenservice zu revolutionieren. Chatbots und Callbots, die auf fortschrittlichen KI-Algorithmen basieren, ermöglichen eine nahezu sofortige Beantwortung von Kundenanfragen rund um die Uhr. Diese Automatisierung verkürzt Wartezeiten, steigert die Kundenzufriedenheit und entlastet gleichzeitig das Personal. Large Language Models (LLMs) werden mit riesigen Textdatenmengen trainiert und sind in der Lage, natürliche Sprache zu verstehen, zu generieren und in vielen textbezogenen Aufgaben menschenähnliche Leistungen zu erbringen.

Jens BläserJens BläserRisk Advisory Insurance-Director bei Deloitte GmbH.Deloitte

Wo Chancen, da auch Risiken: Bei den genannten Anwendungsfällen im Kontext der Effizienzsteigerung können zum einen Diskriminierungsrisiken entstehen, da KI-Algorithmen aufgrund unzureichender oder fehlerhafter Trainingsdaten diskriminierende Entscheidungen treffen und somit bestimmte Kundengruppen benachteiligen können. Ein bekanntes Beispiel ist ein auf KI basierende Kreditkartenalgorithmus, welchem vorgeworfen wird Frauen zu diskriminieren und sogar eine Untersuchung der Aufsichtsbehörde nach sich zog. Um diesem Risiko entgegenzuwirken, empfiehlt sich ein regelmäßiges Fairness-Monitoring für demografische Gruppen durchzuführen. Auch Datenschutzrisiken sind von hoher Relevanz, wenn große Datenmengen automatisiert verarbeitet werden. Daher sollten geeignete Anonymisierungsmethoden (bspw. Standard-Maskierungsstrategien wie Datensubstitution, Unterdrückung und Generalisierung) eingesetzt werden. Unabhängig davon ist es unerlässlich, eine übergreifende KI-Governance zu etablieren, welche entsprechende Regelungen definiert eine kontinuierliche Überwachung und Steuerung von KI-Verfahren sicherstellt. Ein Ansatz zur Etablierung einer KI-Governance wird in einem späteren Teil dieser Artikelserie näher betrachtet.

Es lässt sich zusammenfassen, dass in allen Versicherungsprozessen, in denen eine Vielzahl repetitiver Tätigkeiten ausgeführt werden, Potenzial für KI-Verfahren besteht, indem Prozesse teilweise oder sogar vollständig durch künstliche Intelligenz übernommen werden. Neben den unbestreitbaren Vorteilen bestehen jedoch insbesondere aufgrund der großen Menge an verarbeiteten Daten auch Risiken im Kontext des Datenschutzes. Darüber hinaus besteht vor allem in der Trainingsphase einer KI-Anwendung die Gefahr einer Diskriminierung. Diese Risiken sollten frühzeitig identifiziert und bereits bei der Implementierung des Systems berücksichtigt werden. Durch entsprechende Kontrollen und ein regelmäßiges Monitoring des von der KI generierten Outputs können Risiken mitigiert und zukünftige Compliance-Anforderungen antizipiert werden.

Im nächsten Beitrag werden KI-Anwendungsfälle zur Optimierung inhaltlicher Entscheidungen näher beleuchtet.

Anzeige