Mit anderen Worten: Für das Alterseinkommen ist gemäß dieser Interpretation nicht nur die gesetzliche Rente verantwortlich, sondern ebenso vorhandenes Vermögen und Privatvorsorge. Aktuell würden die über 65-Jährigen durchschnittlich 61 Prozent ihres Alterseinkommensvolumens aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, berichtet die Juristin. Der Rest ihrer Einnahmen stamme aus anderen Quellen. Sie schreibt: „Auch die meisten derzeit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten werden im Alter neben ihrer Rente aus weiteren Quellen schöpfen. So haben derzeit rund zwei Drittel eine private und/oder betriebliche Altersvorsorge. Hinzu kommt der Haushaltskontext: Wer selbst nur ein geringes eigenes Einkommen hat, kann in Verbindung mit dem Einkommen des Partners trotzdem gut abgesichert sein“.

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Rentner seien "in einer guten Lage"

Zahlen zur Altersarmut, die nur die Höhe der gesetzlichen Rente in den Blick nehmen, könnten die tatsächliche Einkommenssituation folglich nicht abbilden, so Roßbach. Ein realistischeres Bild der Einkommenslage von Rentnern vermittele stattdessen der aktuelle Alterssicherungsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2020. „Danach erreichen Ehepaare in Deutschland ein durchschnittliches Netto-Gesamteinkommen aus Alterssicherungsleistungen und zusätzlichen Einkommen in Höhe von 2.907 Euro im Monat. Unter den alleinstehenden 65-Jährigen und Älteren beziehen Männer im Durchschnitt ein Gesamteinkommen von 1.816 Euro, Frauen verfügen über 1.607 Euro“, schreibt die Renten-Chefin.

Ursula Roßbach schlussfolgert aus den Zahlen, die Rentnerinnen und Rentner stünden „im Schnitt“ gut da. Und greift an dieser Stelle selbst auf vereinfachte Modellrechnungen zurück, denn Durchschnittswerte sagen nichts über die Spreizung der Alterseinkommen aus. An dieser Stelle argumentiert Roßbach, dass „vergleichsweise wenige Rentner im Alter Grundsicherung beziehen müssen - im Jahr 2022 waren es 2,8 Prozent“. Der Anteil liege damit deutlich unter dem der Gesamtbevölkerung (8 Prozent). Wer Grundsicherung im Alter beziehe, könne zudem meist keine langen Versicherungsverläufe vorweisen. Häufig hätten diese Menschen gebrochene Erwerbsbiografien. An dieser Stelle könnte die „Generation Praktikum“, die in den Nullerjahren trotz guter Ausbildung oft lange in schlecht bezahlten Praktika feststeckte, interessiert aufhorchen.

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Ein Phänomen, auf das Roßbach nicht eingeht, ist verdeckte Altersarmut. Im Jahr 2019 sorgte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin für Aufmerksamkeit, der auf ein hohes Maß an verdeckter Altersarmut hindeutete. Danach wird Grundsicherung im Alter von rund 60 Prozent der Anspruchsberechtigten – hochgerechnet etwa 625000 Privathaushalten – nicht in Anspruch genommen. Ursache hierfür seien zum Beispiel Scham und Nichtwissen.

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