Notfallmanagement: „Die Pandemie war der Initialzünder“
Notfallmanagement ist eine der wichtigsten Aufgaben für Versicherungsvermittler, findet Oliver Mest. Der Jurist und Versicherungsmakler schrieb sogar ein Buch darüber: ‚Mein Wille geschehe‘. Versicherungsbote sprach mit ihm über die Hintergründe.
- Notfallmanagement: „Die Pandemie war der Initialzünder“
- Über den idealen Notfall-Plan und typische Vorsorge-Fehler
Versicherungsbote: Sie haben ein Buch über Vorsorge für den Krankheits- und Todesfall geschrieben. Wie kam es dazu, dass Sie sich dem Thema gestellt haben, das viele meiden? Was war der Anlass?
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Oliver Mest: Die Pandemie war tatsächlich der Initialzünder. Denn gerade während der Pandemie haben viele Menschen gemerkt, dass sie keine oder zumindest keine vernünftige Notfallvorsorge getroffen haben. Und das, obwohl sie ja in vielen Fällen nicht nur vorgesorgt haben über die abgeschlossenen Versicherungen, sondern auch Vorstellungen davon haben, was passieren soll, wenn ihnen etwas passiert - etwa bei einem schweren körperlichen Schaden. Nur, wenn keiner von der Vorsorge und den Vorstellungen weiß und man das nicht verschriftlicht, dann wird der eigene Wille eben nicht geschehen! Das muss man also aktiv in die Hand nehmen. Und dabei hilft das Buch: Mein Wille geschehe eben!
Das Leben nach dem Tod zu planen – dies ist ein unbequemes Thema. Denn keiner setzt sich gern mit der eigenen Endlichkeit auseinander. Wie bringt man andere Menschen dazu, sich mit diesem unbequemen Thema auseinanderzusetzen?
Es ist noch mehr als unbequem: Es ist ein Thema, das uns Angst macht. Und es geht ja nicht nur um den Tod: Auch die Vorstellung, schwer zu erkranken, berufsunfähig zu werden oder Opfer einer vielleicht sogar schweren Straftat - das alles möchte sich niemand vorstellen. Aber jemand muss sich mit dem Thema ja auseinandersetzen. Und wenn wir es nicht selbst tun, dann muss es unser Partner machen, wenn uns etwas passiert. Oder die Kinder. Oder die Eltern. Oder die besten Freunde. Und bei diesen Gedanken erkennen die Menschen, dass es am sinnvollsten ist, wenn ich mich selbst kümmere, bevor es andere tun und machen müssen.
Sie schreiben in Ihrem Buch: „Nicht mal der Tod ist umsonst. Er kann Ihre Familie die Zukunft kosten.“ Welche Gefahren drohen der Familie bei fehlender Vorsorge?
Es ist so simpel wie gravierend: Die Familie kann die wirtschaftliche Existenzgrundlage verlieren. Und zwar zu 100 Prozent. Und diese wirtschaftliche Grundlage braucht es für die Zukunft, etwa für die Ausbildung der Kinder oder um das eigene Zuhause wirtschaftlich halten zu können. Wenn eine durchdachte Notfallvorsorge fehlt, dann habe ich vielleicht eine Risikolebensversicherung, von der aber niemand etwas weiß. Was meinen Sie, wie viele bei uns eine Risikolebensversicherung abschließen, aber mit dem Partner dann nicht darüber sprechen? Und ohne Vollmachten komme ich vielleicht nicht einmal an das Konto meines Partners, wenn er schwer verunglückt und nicht mehr ansprechbar ist. Woher also die Rechnungen bezahlen? Wenn ich nicht weiß, welche Verträge derjenige abgeschlossen hat, kann ich mich auch nicht darum kümmern, sie zu kündigen, um die Familie finanziell zu entlasten. Von Passwörtern und Zugriff auf Accounts beliebiger Art einmal ganz zu schweigen. Wer nicht jetzt, nicht heute daran denkt, seiner Familie alle wichtigen Informationen für einen Notfall bereitzustellen, der lässt die Familie in einem Notfall komplett im Regen stehen.
Welche Vollmachten sollten unbedingt zur Vorsorge erstellt werden?
Gesetzt als Muss ist die Vorsorgevollmacht. Mit ihr ernennt man einen Stellvertreter, der für uns im Notfall alle relevanten Entscheidungen treffen kann. Welche das sind, legen wir in der Vorsorgevollmacht detailliert fest. Auch eine separate Bankvollmacht ist sinnvoll und wichtig, denn Banken wollen meist eine Vollmacht vorgelegt bekommen, die für das jeweilige Geldinstitut gilt.
Und welche Verfügungen sind wichtig?
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Dazu gehören hauptsächlich die Patientenverfügung und die Betreuungsverfügung – mit etwas Abstand dann auch die Trauerverfügung, wenn ich meinen letzten Weg planen möchte. Eltern sollten an eine Sorgerechtsverfügung denken und Haustierbesitzer an eine Haustierverfügung. Aber am wichtigsten ist das, was ja bei einer der vorherigen Fragen durchklang: Mit den Vollmachten und Verfügungen allein ist es nicht getan. Denn wir bürden mit diesen Verfügungen und Vollmachten nahestehenden Menschen unglaublich viel Arbeit und Verantwortung auf. Und diese Arbeit können wir ihnen leichter machen. Dabei helfen Übersichten für die verschiedensten Lebensbereiche: Konten und Bankverbindungen gehören dazu, Passwörter, bestehende Versicherungen, aber eben auch Social-Media-Accounts oder ganz banal die Alltagsverträge: Vom Fitnessstudio über die BahnCard bis zum Netflix-Account. Solche Übersichten sind fast genauso wichtig wie die Vollmachten und Verfügungen: Die bilden den rechtlichen Rahmen, den die Übersichten dann mit unserem Leben füllen.
Über den idealen Notfall-Plan und typische Vorsorge-Fehler
Sie empfehlen auch einen Notfallplan. Wie sieht dieser aus? Und mit wem sollte man den Plan besprechen?
Ein Notfallplan ist eigentlich nichts anderes als die Summe meiner Vollmachten, Verfügungen und Übersichten. Ich empfehle unseren Kunden immer, diese Unterlagen mit den zwei oder drei Vertrauten durchzugehen, die im Ernstfall auch aktiv werden sollen und wollen. Die müssen wissen, was ich als Vollmachtgeber und Verfügender von ihnen erwarte, wann und wie sie mir helfen sollen und im Idealfall eine Checkliste bekommen, die sie Stück für Stück abhaken können. Wir erstellen tatsächlich für unsere Kunden und deren Vertraute einen physischen Notfallplan mit allen Informationen, Verträgen, Vollmachten und einer solchen To-do-Liste. So haben die Bevollmächtigten im Ernstfall alle Informationen wie in einem Buch zur Hand und können sich entlang der Checkliste durcharbeiten. Das ist die perfekte Variante!
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Gibt es typische Fehler für die Vorsorge bei schwerer Krankheit?
Man kann eigentlich nur einen Fehler machen: Nichts machen. Wer sich mit einer Patientenverfügung einmal auseinandersetzt, der wird sehen, welche Entscheidungen er oder sie treffen muss: Wie genau möchte ich behandelt werden, wenn ich mich in bestimmten Situationen befinde, in der ich nicht mehr entscheiden kann. Diese Entscheidung - oft ja über Leben und Tod - muss niemand mit sich allein ausmachen. Er muss auch nicht die Kinder fragen. Der eigene Arzt ist ein Ansprechpartner, der dafür wie gemacht ist. Er kann aus medizinischer Sicht erklären, was sinnvoll sein kann, was nicht und welche Konsequenzen bestimmte Festlegungen haben. Und ganz wichtig dabei: Niemand ist an eine einmal getroffene Entscheidung gebunden. Man kann eine Patientenverfügung jederzeit ändern, wenn sich die eigenen Wertvorstellungen ändern.
Und welche Fallen drohen für die Nachlassvorsorge? Was kann man hierbei falsch machen?
Alles. Nein, im Ernst: Fehler können hier verheerend sein. Das fängt natürlich beim falschen Versicherungsschutz an, also einem klassischen Makler- und Vermittlerthema. Das größte Problem in der Praxis sind aber vor allem fehlende Informationen. Wenn ich sterbe oder so schwer erkranke, dass ich nicht mehr in der Lage bin, meine Familie zu informieren, dann muss die alle relevanten Informationen von anderer Stelle bekommen. Die können sie von uns als Makler erhalten, von einem digitalen Dienstleister oder das kann auch eine Mappe sein, die beim Bruder liegt. Aber die Familie wird dort immer nur die Informationen finden, die wir selbst hinterlegt haben. Alle anderen sind für den Partner, die Kinder oder gute Freunde schlicht nicht existent. Und was das heißt, wenn es die Police der Risikolebensversicherung ist, das kann sich jeder vorstellen.
Der digitale Nachlass ist für viele ein neues Thema. Was sollte hier unbedingt getan werden, um für den Fall des eigenen Todes vorzusorgen?
Tatsächlich ist dieser digitale Nachlass viel umfangreicher, als so mancher vermutet. Wir haben heute alle verschiedene Social-Media-Accounts, wir haben E-Mail-Konten, vielleicht sogar Blogs, Domains im Einsatz oder auch erst einmal nur renoviert. Unser digitaler Fußabdruck ist also immens. Und jetzt muss man für die Notfallplanung ein wenig unterscheiden. Handelt es sich um einen privaten Account, dann wird die digitale Welt sich einfach weiterdrehen, wenn der Account für meinen Hund bei Instagram nicht mehr gepflegt wird. Aber was ist mit einem Linkedin-Konto: Möchte ich dort weiter präsent sein, wenn ich aus im Koma liege? Anfragen bekommen? Die Entscheidung darüber treffe ich heute in einer Social-Media-Verfügung - Passwörter inklusive. Noch relevanter wird es bei geschäftlichen Accounts. Was, wenn ich als Influencer bei TikTok ordentlich Geld verdiene? Das müssen diejenigen doch wissen, die meinen Nachlass organisieren. Und Sie müssen mit einer Vollmacht Zugriff darauf bekommen. Und das gilt natürlich erst recht bei geschäftlichen Accounts, über die vielleicht sogar Anfragen generiert werden und Kunden auf eine Rückmeldung warten.
Das bringt uns zu einer weiteren Frage: Was sollte ein Unternehmer unbedingt für die Vorsorge regeln?
Hier ist noch mehr Detailarbeit erforderlich, zwei, drei Aspekte stehen dabei im Vordergrund. Wenn ich Freiberufler bin, eine höchstpersönliche Dienstleistung erbringe, ohne Angestellte, dann endet in vielen Fällen mit meinem Tod oder einer schweren Erkrankung auch mein Business. Und dann muss das abgewickelt werden. Rechtlich, wenn etwa Genehmigungen aufgehoben werden können. Steuerlich, weil das Finanzamt Vorauszahlungsbescheide zurückziehen muss. Und vielleicht sind Verträge zu kündigen, die jetzt nicht mehr benötigt werden. Da geht es wirklich darum, das Lebenswerk abzuwickeln. Anders sieht es aus, wenn meine Firma nicht an mir als Unternehmer allein hängt. Hier müssen detaillierte Notfallpläne erstellt werden und die haben die Antwort auf die wichtigste Frage: Wie geht es weiter, wenn ich als Unternehmer ausfalle? Wer übernimmt meine Pflichten, Aufgaben, wer vertritt mich in Gremien, nach außen, wer benötigt in einer Notfallsituation welche Informationen und Dokumente und wo finden sich die? Hier braucht es eine Ergänzung zur privaten Vorsorgevollmacht, die betriebliche Fragen regelt. Und natürlich braucht es einen Notfallplan, der sofort in Kraft tritt, wenn mir als Unternehmer etwas passiert. Wie bei dem privaten Notfallplan arbeiten wir das mit Unternehmern aus, die wir betreuen.
Sie beschreiben in Ihrem Buch nicht nur Empfehlungen für Privatpersonen, sondern auch für Unternehmen. Sollte man das intime Thema der Vorsorge an Angestellte herantragen? Wie geht man dabei am besten vor?
Bei der Notfallvorsorge für Unternehmer gilt die Faustregel: Je größer die Firma, desto größer der Aufwand. Und das bedeutet auch: Je größer die Firma, umso mehr Menschen müssen einbezogen werden. Und natürlich kann man das Thema nicht nur an leitende Angestellte herantragen, man muss es sogar herantragen. Denn was nützt es, wenn ich jemanden von außerhalb bevollmächtige, in einem Notfall einzuspringen, der sich in der Firma nicht auskennt, der Abläufe und Prozesse nicht kennt und der ggf. nicht akzeptiert wird? Die besten Chancen hat ein Unternehmen in einer solchen Notlage, wenn erfahrene Personen das Ruder führen! Übrigens ist eine exzellente Notfallplanung noch viel mehr als “nur” die Vorbereitung auf den Notfall: Es zeigt, dass Unternehmen zukunftssicher aufgestellt sind und nicht alles an einer Person hängt. Das gibt Mitarbeitenden Sicherheit - ganz unabhängig von Notfällen!
Ihr Buch gibt nicht nur Tipps für die Vorsorge für eine Erkrankung oder den Todesfall, sondern auch für rechtlichen Ärger. Spontan würde da zunächst die Rechtsschutzversicherung einfallen. Reicht dies als Vorsorgemaßnahme?
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Viele vergessen, dass es ja nicht nur darum geht, die Themen Tod, Krankheit und Arbeitskraftausfall als Notfall zu begreifen und zu beplanen. Jeder, der das einmal erlebt hat, wird bestätigen: Ein abgebranntes Haus ist ein fürchterlicher Notfall. Ein Rechtsstreit kann schnell zu einem Notfall auswachsen, wenn es um existenzielle Dinge wie die eigene Immobilie geht. Und wenn ich Opfer einer Straftat werde, dann kann auf ganz vielen Ebenen eine wahre Kaskade an Notfällen auslösen: Wirtschaftlich, gesundheitlich, psychisch. Und da spielen natürlich wieder viele Versicherungen mit rein: Die Rechtsschutzversicherung, ganz klar, haben Sie erwähnt. Aber auch die Hausrat- und die Gebäudeversicherung, Stichwort: Hausbrand. Und auch die Haftpflichtversicherung mit ihren Eigendeckungen oder Opferhilfen kann eine Rolle spielen. Aber auch bei diesen Notfällen sind Dokumentationen und Übersichten das A&O: Man denke nur an eine Hausratübersicht, die nach einem Einbruch dabei hilft, eine Stehlgutliste zu erstellen. Oder eine Übersicht über alle Bankkonten und Depots, die nach einer Phishing-Attacke dabei hilft, die Zugänge zu sperren und existenzbedrohenden Schaden abzuwehren - plus natürlich einer Cyber- und einer privaten Haftpflichtversicherung, die hier greifen könnten. Man sieht also: Auch hier gibt es wieder viele Vernetzungen zwischen der Versicherungswelt und der Vorsorge für Notfälle. Und das ist am Ende natürlich auch der Grund, warum wir als Makler und Vermittler die perfekten Ansprechpartner für das Thema Notfallmanagement sind!
- Notfallmanagement: „Die Pandemie war der Initialzünder“
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