Alle zwei Jahre bietet die BVK Strukturanalyse, wenn auch nicht repräsentativ, Einblicke in den Status Quo der Vermittlerschaft: Wie sie arbeiten, welches Einkommen sie erzielen, wie viele Kunden sie im Schnitt betreuen etc. Knapp 90 Prozent der 1.842 Teilnehmenden in der jüngsten Studie sind als Einfirmenvertreter registriert, und so gibt es auch einen Katalog an Fragen, der sich speziell an Vertreter richtet. Einen Teilaspekt davon werten die Autoren Matthias Beenken, Lukas Linnenbrink und Andreas Vollmer in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Versicherungswesen (ZfV 20/2023) aus. Und dieser dürfte auch für die Versicherer interessant sein: Die Frage nämlich, aus welchen Gründen die Vertreter ihren Vertragspartner verlassen wollen.

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Wechselbereitschaft ist deutlich gestiegen

In der aktuellen Umfrage gibt mehr als jeder zehnte Vertreter bzw. jede zehnte Vertreterin (10,9 Prozent) an, Wechselabsichten zu haben. Damit ist der Anteil im Vergleich zur letzten Befragung 2020/21 (7,9 Prozent) deutlich gestiegen. Doch warum wollen diese Personen ihrem Versicherer den Rücken kehren?

Eine erste Orientierung gibt das Ziel der Wechselbereitschaft: Die Mehrheit der Wechselwilligen (65 Prozent) erwägt, den Vertriebsweg zu wechseln und künftig als Versicherungsmakler tätig zu sein. Damit können sie den Kundinnen und Kunden nicht nur eine breitere Produktpalette verschiedener Anbieter offerieren, sondern sie wechseln auch rechtlich in das Lager der Kundinnen und Kunden, als deren Sachverwalter sie künftig auftreten würden. Ein solcher Wechsel hat jedoch gravierende Folgen. Zum einen verlieren die ausscheidenden Vertreter ihre bisherigen Vergütungsansprüche und den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, wie die Autoren in ihrem Beitrag berichten. Zum anderen müssen sie sich weiterbilden, ein größeres Spektrum an Leistungen und Produkten kennenlernen - und haben erweiterte Pflichten gegenüber den Kunden.

Etwa jeder fünfte Wechselwillige (21 Prozent) möchte dagegen im eigenen Vertriebsweg bleiben, während 14 Prozent eine Tätigkeit als Mehrfachvertreter anstreben. Dies würde auch mit einer breiteren Produktpalette einhergehen, da der Mehrfachvertreter Vertreterverträge mit mehreren Versicherern unterhält - der Vermittler bleibt aber im Lager der Versicherer und wechselt nicht auf die Seite des Kunden.

Hauptgrund für Wechselwillen: Mehr Zufriedenheit angestrebt

Als wichtigster Grund für die Wechselbereitschaft wird mit großer Mehrheit unter vier abgefragten Gründen eine „höhere Arbeitszufriedenheit“ genannt (84 Prozent). Einen „höheren Betriebsgewinn“ streben 57 Prozent der Wechselwilligen an, „weniger Verkaufsdruck“ wünscht sich mehr als jeder zweite Wechselwillige (51 Prozent). Weniger stark ausgeprägt ist das Motiv, den eigenen Bestand an ein Familienmitglied weiterzugeben - diesem Punkt stimmen immerhin noch 20 Prozent zu.

In einem weiteren Analyseschritt haben die drei Autoren untersucht, worin sich wechselwillige und nicht wechselwillige Exklusivvertreter unterscheiden. Dabei wurden vier Dimensionen unterschieden: die „persönliche Situation“, der „persönliche Erfolg“, die „Rahmenbedingungen“ und „das Verhalten des Vertragspartners“.

  1. Bei der persönlichen Situation wurde ein eher schwacher Zusammenhang beim Alter und der Tätigkeitsdauer festgestellt: Je älter die Vertreter und je länger im Geschäft, desto geringer ist der Wechselwille. Das kann zum Beispiel daraus resultieren, dass die Älteren bereits einen größeren Bestand aufgebaut haben, folglich auch mehr Bestandsprovision und Ausgleichscourtage riskieren, wenn sie sich vom Versicherer trennen. Kein Zusammenhang mit dem Wechselwille wurde hingegen hinsichtlich dem Ausbildungsniveau und einer Führungsfunktion beobachtet.
  2. Ebenfalls Zusammenhänge konnten bei der Dimension persönlicher Erfolg beobachtet werden. Die Wechselbereitschaft steigt bei niedrigem Gewinn sowie bei rückläufigem Umsatz und Gewinn. Dies korreliert mit der zuvor abgefragten Aussage, dass viele Wechselwillige bestrebt sind ihren Betriebsgewinn zu verbessern: zum Beispiel durch eine breitere Produktpalette.
  3. Die Rahmenbedingungen Umsatz, Provisionsniveau und Zuschüsse weisen ebenfalls einen signifikanten Gruppenunterschied auf, nicht jedoch die Bestandsgröße. Die Autoren weisen zum Beispiel darauf hin, dass Versicherer mitunter nur eine bestimmte Anzahl an Verträgen weitergeben, wenn sie Agenturen neu besetzen: Und sogar die Vertragszahl deckeln, damit andere Agenturen in einer Region nicht ins Hintertreffen geraten. So kann das Verhalten einzelner Versicherer gegenüber den Vertriebspartnern dazu beitragen, dass Vertreter ihr volles Potential nicht entfalten können und der Geschäftserfolg ausgebremst wird.
  4. Signifikante Gruppenunterschiede konnten auch beim Verhalten des Vertragspartners festgestellt werden. Die Unterstützung durch den Außendienst und das Weiterbildungsangebot beeinflussen, ob ein Vertreter seinem Versicherer treu bleibt oder nicht. Ebenfalls der Digitalisierungsgrad: also, ob der Versicherer ausreichend digitale Tools zur Verfügung stellt.

Die Aussagekraft der Ergebnisse ist aber zu relativieren. „In vielen Fällen sind die Zusammenhänge eher schwach ausgeprägt, beispielsweise beim Alter“, schreiben die Autoren in ihrem Artikel. Sie weisen darauf hin, dass auch eine sogenannte Regressionsanalyse darauf hindeutet, dass das Modell allein die Wahrscheinlichkeit der Wechselbereitschaft nicht erklären kann. Zum einen seien die Fragen nicht „vollständig“, da in der Studie nicht tiefgehender nach den Motiven des Wechselwillens gefragt wurde. Auch stecke hinter jeder Antwort ein Mix aus bewussten und unbewussten Gründen, die nicht alle durch Fragebögen erfasst werden können. Auch kurzfristige und unbewusste Verzerrungen können eine Rolle spielen: etwa ein kritisches Gespräch mit einem Vertragspartner, der das Antwortverhalten negativ beeinflusse.