Lebensversicherer haben ein 7,8 Billionen Dollar schweres Demografieproblem
Die demographische Wende könnte auch die privaten Lebensversicherer vor große Probleme stellen. Derzeit besitzen Versicherungsnehmer über 65 Jahren rund 40 Prozent des verwalteten Vermögens der Versicherer, so zeigt eine Analyse der 40 weltweit größten Lebensversicherer aus dem Hause Capgemini. Diese enormen Vermögenswerte werden bis zum Jahr 2040 auf die Kundinnen und Kunden übertragen. Der Vermögenstransfer summiere sich auf 7,8 Billionen US-Dollar, warnen die Analysten: Hierfür sei die Versicherungsbranche nicht gewappnet.
Die Gesellschaft altert: In Deutschland wird diese Tatsache fast ausschließlich mit Blick auf die gesetzlichen Sozialversicherungen diskutiert. In anderen Industrieländern ist der Trend ähnlich: Steigender Wohlstand, veränderte Lebensziele und der Pillenknick tragen dazu bei, dass weniger Kinder geboren werden. Doch was bedeutet dieser Trend für die privaten Lebensversicherer? Nichts Gutes, wenn die Branche untätig bleibt. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest der Word Life Insurance Report 2023, für den das Capgemini Research Institute die Geschäftsberichte der 40 weltweit führenden Lebensversicherer mit Daten der Vereinten Nationen zur Lebenserwartung abgeglichen hat.
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Das Problem der Lebensversicherer ist, stark vereinfacht, mit dem der Sozialversicherungen vergleichbar. Der Kundenstamm altert: Immer mehr Kundinnen und Kunden werden bald ihre Rente beziehen, während gleichzeitig weniger junge Versicherte nachrücken. Um es mit den Worten von Capgemini auszudrücken: Die Lebensversicherer sind mit einem erheblichen Abfluss von verwalteten Vermögenswerten (AUM) konfrontiert, bevor der größte generationenübergreifende Vermögenstransfer der Geschichte stattfindet.
In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass Versicherungsnehmer, die das 65. Lebensjahr bereits überschritten haben, laut Analyse 40 Prozent des verwalteten Vermögens der Lebensversicherer halten. Allein bei den 40 größten Lebensversicherern weltweit könnten deshalb bis zum Jahr 2040 circa 7,8 Billionen US-Dollar des verwalteten Vermögens abfließen: eine enorme Summe. Lediglich 24 Prozent des verwalteten Vermögens werden hingegen Versicherungsnehmern zugerechnet, die jünger als 50 Jahre sind.
Fehlende Angebote für eine alternde Zielgruppe
Zeitgleich sehen sich aber auch die älteren Versicherungsnehmer in einer schwierigen Situation. Viele Menschen, die sich dem Ruhestand nähern, sind gezwungen, einen größeren Teil der finanziellen Verantwortung im Alter selbst zu übernehmen, gibt das Analysehaus zu bedenken. Grund hierfür sind eine abnehmende staatliche Unterstützung im Alter, steigende Gesundheitskosten sowie sich verteuernde Lebenshaltungskosten, etwa durch steigende Mieten in den Ballungszentren oder die hohen Inflation. Obwohl diese Ausgangssituation private Vorsorge notwendiger mache, hätten die Lebensversicherer keine Produkte im Angebot, die auf die Bedürfnisse der alternden Bevölkerung zugeschnitten sind. Hier könnte man einwenden: zumindest das Geschäft gegen Einmalbeitrag richtet sich bevorzugt an ältere Versicherungsnehmer, die kurz vor dem Renteneintritt stehen.
„Eine älter werdende Gesellschaft erwartet auch von Versicherern mehr Unterstützung bei der Absicherung im Alter. In Anbetracht der bis 2040 zu erwartenden massiven Kapitalabgänge – Capgemini spricht vom größten Vermögenstransfer aller Zeiten – und der damit verbundenen Bedrohungslage, liegen in den Erwartungshaltungen der Kunden auch große Chancen für zukünftiges Wachstum der Lebensversicherer", sagt Alexander Pusch, Principal Business Analyst bei Capgemini. Dafür müssten die Versicherer mit innovativen Vorsorgeprodukten "ein personalisiertes, maßgeschneidertes und vertrauensstiftendes Erlebnis schaffen", so der Experte.
Ein Weg dazu seien Partnerschaften im Ökosystem, also die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die sich auf die Betreuung von Seniorinnen und Senioren spezialisiert haben. Die Geschäftsmodelle müssten entsprechend angepasst und die - heutigen und zukünftigen - älteren Zielgruppen gezielt angesprochen werden. Beispiele hierfür sind telemedizinische Angebote, Angebote, die sich auch an pflegende Angehörige richten, sowie generell Angebote zur Steigerung der Lebensqualität im Alter: Lebensversicherer sind somit auch als Gesundheitsdienstleister und -unterstützer gefragt.
Ratschlag: Konzentration auf wohlhabende Kundengruppe
Eine Empfehlung, die Capgemini den Lebensversicherern gibt, dürfte zumindest aus Verbraucherperspektive problematisch sein. Das Analysehaus empfiehlt, sich vorrangig um reiche und wohlhabende Verbraucher zu kümmern, die 39 Prozent des weltweiten Vermögens besitzen und etwa 20 Prozent der alternden Bevölkerung ausmachen. Dieses Segment habe auch den größten Bedarf an altersgerechten Lösungen, wie eine Umfrage unter 6.775 Versicherungskunden im Alter von über 50 Jahren zeige. Denn mehr als 75 Prozent wünschen sich innovative Lebensversicherungsprodukte. Allerdings verfügen laut Analyse nur 27 Prozent der Versicherer über die fortschrittlichen Produktentwicklungskapazitäten, um diese anzubieten.
Damit könnten ältere Menschen mit kleineren und mittleren Vermögen und Einkommen von entsprechenden Angeboten ausgenommen sein. Hier sei daran erinnert: Zumindest in Deutschland hat die Leben-Branche auch einen gewissen Legitimationsdruck, im Drei-Säulen-Modell zur Sicherung der Altersvorsorge beizutragen.
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Die Studie enthält auch Ergebnisse einer Umfrage, bei denen die Angebote der Versicherer mit den Bedürfnissen der Versicherungsnehmer abgeglichen werden. Hierfür wurden weltweit 200 Vorstände sowie 6.775 Versicherungskunden im Alter von über 50 Jahren in 20 Ländern befragt. Die Studie kann auf der Webseite des Analysehauses heruntergeladen werden.