Der Fachkräftemangel ist kein kurzfristiges Phänomen, sondern die logische Konsequenz der demografischen Entwicklung. Bereits über die vergangenen Jahrzehnte zeichnete sich ab, was sich nun im Fachkräftemangel und seiner komplexen Wirkung ausdrückt.

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Demografie und ihre Folgen

Das Durchschnittsalter in Deutschland lag im Jahr 1990 bei 38,3 Jahren. Im Jahr 2021 wurde das Durchschnittsalter dagegen bereits mit 44,7 Jahren beziffert. Die Problematik am Arbeitsmarkt und die Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft werden dadurch verschärft, dass die besonders geburtenstarken Jahrgänge – die Baby-Boomer-Generation – ab dem Jahr 2024 die Regelaltersgrenze und damit den regulären Renteneintritt erreichen.

Maximilian Schroll ist Unternehmer der Generation Z und zählt zu den Gründern des Instituts zur Nachwuchsförderung in der Versicherungswirtschaft (invw).@Maximilian Schroll

Andreas Wollermann führt nach 17 Jahren im Versicherungsvertrieb, vom Vertriebler über die Führungskraft hin zum Trainer, in Schulen und Universitäten Studien unter der Marke GENfluenZer® zur Gen-Z und den Unterschieden zu anderen Generationen durch.GENfluenZer®

Das Jahr 1958 war der Auftakt einer Zeit der Geburtenhochs, die bis 1971 anhielt. Der Jahrgang 1958 war mit 1,18 Millionen größer als jeder zuvor. Und das Geburtenhoch setzte sich fort. So wurde im Jahr 1964 mit 1,36 Millionen Menschen das deutsche Allzeithoch erreicht. Und erst 1972 wurden weniger als eine Million Neugeburten gemeldet.

Wenn beim geburtenstärksten Jahrgang 1964 im Jahr 2031 1,36 Millionen Menschen die Regelaltersgrenze erreichen, werden etwa 680.000 Menschen aus dem Jahrgang 2013 volljährig. Diese sind zu diesem Zeitpunkt tendenziell noch nicht in einer Erwerbstätigkeit oder ausgebildet für den Arbeitsmarkt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wir verlieren doppelt so viele Menschen, wie nachkommen.

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Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat in einer 2021 veröffentlichten Studie festgestellt, dass das Ewerbspersonenpotenzial bis 2035 nur dann konstant bleibt, wenn Deutschland eine Nettozuwanderung von 400.000 Personen pro Jahr hat. Dies ist nur dann eine Kennziffer, wenn wir keine Auswanderer verzeichnen würden. Berücksichtigen wir den Faktor der Auswanderungen, erhöht sich diese Zahl auf 1.500.000 Personen pro Jahr, wie Monika Schnitzer, Teil des Sachverständigenrats der Wirtschaft, zuletzt verkündete.

Was bedeutet das für die Assekuranz?

Die Versicherungswirtschaft ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit den Herausforderungen des demografischen Wandels in Form fehlender Arbeitskräfte konfrontiert. Laut einer Studie von PwC benennen 60 Prozent der Entscheiderinnen und Entscheider in deutschen Versicherungsunternehmen den Fachkräftemangel als größte Herausforderung.

Verschärft wird diese Situation durch den schlechten Ruf der Branche. Wenn man Gründe für diesen Ruf sucht, wird man schnell fündig. Ob Lobbying zugunsten eigener Interessen und zu Lasten der Sozialsysteme, Kaufempfehlungen vorbei am Bedarf des Kunden, provisionsgetriebene Vertriebsteams, exzessive Firmenfeiern, die medial begleitet werden oder aggressives Buhlen um Mitarbeiter – all das sind nur einige Beispiele, die das Bild in der Öffentlichkeit prägen.

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Die Versicherungswirtschaft muss für ihre Glaubwürdigkeit arbeiten

Wenn die Versicherungsbranche junge Menschen für sich begeistern will, muss sie bereit sein, Interessen des Gemeinwohls über ihre eigenen zu stellen. Zudem muss sie sich transparent und reflektiert mit der eigenen Vergangenheit befassen, um sich Vertrauen neu zu verdienen und aus Fehlern lernen zu können. Die Versicherungswirtschaft muss für ihre Glaubwürdigkeit arbeiten – und dafür bedarf es struktureller Veränderungen!

Hintergrund: Der Text erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2023. Das Magazin kann auf der Webseite beim Versicherungsbote bestellt werden.

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