Rechtsstreit über die Unabhängigkeit der Makler geht in die nächste Runde
"Versicherungsvermittler dürfen sich nicht als unabhängig darstellen": mit dieser Headline eines Pressetextes sorgte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) vor drei Wochen für viel Diskussionsstoff. Zwei Urteile des Landgerichts Köln und des Landgerichts Bremen würden die Auffassung bestätigen, "dass Versicherungsvermittler nicht als unabhängige Berater auftreten dürfen". Das Urteil sorgt seitdem für Diskussionsstoff - ein Fachportal hat nun die Stimmen der Betroffenen eingeholt. Und festgestellt: So eindeutig sind die erstinstanzlichen Urteile vielleicht doch nicht.
- Rechtsstreit über die Unabhängigkeit der Makler geht in die nächste Runde
- 2. Urteil: spekulative Urteilsbegründung?
Vor drei Wochen machte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zwei Urteile öffentlich, die er selbst durch Klagen erstritten hatte. Demnach haben das Landgericht Köln und das Landgericht Bremen in zwei Rechtsstreiten entschieden, dass Versicherungsvermittler - in diesen Fällen Makler - sich nicht als unabhängig darstellen dürfen, wenn sie Vergütungen direkt vom Versicherer erhalten und zusätzlich gegen Honorar beraten.
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Die Urteile sorgen seitdem für viel Diskussionsstoff in Maklerforen - und auch für Kritik an der Verbraucherzentrale, die erklärter Gegnerin der Beratung gegen Provision bzw. Courtage ist. Einer der wichtigsten Kritikpunkte sei gleich vorweggenommen: Die Urteile sind nicht rechtskräftig, sondern nur erstinstanzlich. Das teilt der Verbraucherzentrale Bundesverband in seiner Pressemitteilung aber nur an versteckter Stelle mit: ganz unten auf der Webseite, wo die Information in einem Fenster „Eckdaten zum Urteil“ verborgen ist.
Das Onlineportal kapital-markt-intern.de hat sich die Urteile nun noch einmal zur Brust genommen: und auch Stimmen der betroffenen Makler eingeholt. Der entsprechende Kommentar ist mit „Stimmungsmache mit nicht rechtskräftigen LG-Urteilen“ überschrieben. Ein Tenor des Kommentars: Die Verbraucherzentrale veröffentlicht ihre Pressemitteilung zum jetzigen Zeitpunkt, um die Debatte um die neue EU-Kleinanlegerstrategie und - damit verbunden - um die Unabhängigkeit von Maklern zu beeinflussen. Denn die Urteile wurden bereits im Juni und Juli gefällt. Für Unbehagen sorgt auch, dass die Namen der betroffenen Makler öffentlich gemacht wurden. Das Finanzportal wertet dies als "völlig überzogene Prangermaßnahme gegen 'mittelständische' Vermittler“. Dazu ist allerdings anzumerken, dass es bei den Verbraucherzentralen Usus ist, die Namen von Streitgegnern öffentlich zu machen: auch wegen ihrer Watchdog-Funktion.
Die Makler und ihre Anwälte legten Berufung ein
Zum Stand der Dinge: Die Rechtsstreite werden auch weiterhin ausgefochten, denn die beiden Makler und ihre Anwälte haben Berufung gegen die Urteile eingelegt. Auch das geht aus dem Pressetext des vzbv nicht hervor. Das erste Urteil wurde von dem Verbraucherzentrale-Verband gegen den Versicherungsmakler und Sachverständigen Walter Brenda angestrengt. Gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Daniel Berger von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte hat er Berufung vor dem Oberlandesgericht Köln eingelegt.
Konkret wurde Brenda durch das Landgericht Köln untersagt, "im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern eine Versicherungsberatung ohne Vermittlungsziel anzubieten, ohne über eine Zulassung nach § 34d Abs. 2 GewO zu verfügen“. Auf der Webseite hatte seine Firma damit geworben, eine „Versicherungsvermittlung sowie -beratung“ anzubieten. Dies war ergänzt durch den Zusatz: „Eine Beratung ohne Vermittlung kann als Sachverständiger erbracht werden, wobei diese Tätigkeit gesondert zu entlohnen ist“. Dies sah das Landgericht Köln als Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot in § 34d Abs. 3 GewO an.
Das Tätigkeitsverbot zielt stark vereinfacht auf die Trennung von Versicherungsvermittlern und Versicherungsberatern ab. „Wer als Versicherungsvermittler tätig ist, darf nicht als Versicherungsberater tätig sein und umgekehrt“, heißt es dazu im Urteilstext. Es handele sich um eine Marktverhaltensregel, die einerseits dazu diene, dass sich Makler keinen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber Mitbewerbern verschaffen könnten. Zum anderen diene sie aber auch dem Verbraucherschutz. Ausdrücklich betont das Landgericht, dass sich der deutsche Gesetzgeber für eine strikte Trennung beider Tätigkeiten entschieden habe. Sie diene „der Wahrung der neutralen, objektiven und unabhängigen Stellung des Beraters“. Durch das Tätigkeitsverbot solle verhindert werden, „dass ein Versicherungsvermittler, der grundsätzlich eine Vergütung vom Versicherungsunternehmen erhalten darf (…), in Einzelfällen als beziehungsweise wie ein neutraler, unabhängiger Berater auftritt“.
Kapitalmarkt Intern wertet das Urteil nun so, dass die Unabhängigkeit des Maklers hier vom Landgericht Köln gar nicht verhandelt wurde. Im Text heißt es dazu: „Anders als in der Pressemitteilung vom vzbv suggeriert, äußert sich das LG Köln in diesem Einzelfall also gar nicht konkret oder grundsätzlich zu der Frage, ob sich z. B. Versicherungsmakler als "unabhängig" bezeichnen dürfen, noch was Provisionen dabei für eine Rolle spielen“. Ergänzt wird diese Einschätzung durch eine Stellungnahme von Brenda. Er positioniert sich: “Die Pressemitteilung des vzbv ist sehr sportlich, denn ich wurde nur wegen eines Satzes abgemahnt, der Klarstellung, dass eine Beratung auch ohne anschließend zwingende Vermittlung erfolgen kann. Die reine Aussage, dass kein Kaufzwang besteht wurde mir als unerlaubte Tätigkeit eines Versicherungsberaters unterstellt. Eine etwaige Abhängigkeit eines Versicherungsmaklers aufgrund von Provisionen war nie streitgegenständlich, sondern wurde nur als Argument durch die vzbv aufgeführt“, so Brenda.
Unabhängigkeit des Maklers kein Thema?
Diese Auslegung ist zumindest diskussionswürdig. Denn das Landgericht geht in seinem Text sehr wohl auch auf die Rolle der Vergütung ein. Ein Versicherungsberater dürfe sich seine Tätigkeit nur von einem Auftraggeber [nämlich dem Kunden - Anm. des Verfassers], vergüten lassen, heißt es im Urteilstext (Urteil vom 15.06.2023, 33 O 15/23).
Durch den nun untersagten Hinweis, dass eine „Beratung ohne Vermittlung durch den Versicherungssachverständigen (…) durch eine Honorarberatung“ erfolge, würden aber beide Tätigkeitsfelder nebeneinander gestellt, moniert das Gericht. Und begründet dies wie folgt: Unter einer „Beratung ohne Vermittlung“ gegen ein „Honorar“ verstehe der Durchschnittsverbraucher eine „objektive, neutrale Tätigkeit“. In diesem Zusammenhang betont das Gericht, dass es einem Versicherungsberater untersagt ist, von einem Versicherungsunternehmen eine Vergütung zu erhalten, um genau diese Objektivität und Neutralität zu gewährleisten. Weil aber ein Versicherungsmakler - selbst wenn er berät, ohne einen Vertrag zu vermitteln - an anderer Stelle auch Vergütungen eines Versicherers entgegen nehmen darf, „wird er nicht vergleichbar neutral agieren können wie ein grundsätzlich keinem Versicherungsunternehmen nahestehender unabhängiger Berater“, führt das Landgericht aus.
An anderer Stelle heißt es: "Der Verstoß gegen § 34d Abs. 3 GewO ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern und Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Der Beklagte ist als Inhaber einer Zulassung als Versicherungsmakler nicht hinreichend neutral und unabhängig, wie es dem gesetzlichen Leitbild des Beraters nach § 34d Abs. 2 GewO entspricht". Zumindest explizit nimmt also das Gericht eine größere Abhängigkeit der Makler gegenüber den courtagezahlenden Versicherern an. Dass auch Versicherungsmakler gemäß ihrer rechtlichen Stellung als treuhändische Sachverwalter ihres Kunden agieren und in dessen Auftrag handeln, wird übrigens vom Landgericht Köln mit keiner Silbe erwähnt.
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Grundsätzlich aber verwundert der Tenor des Urteils. Vertriebsexperte Matthias Beenken beobachtet in seinem Artikel für das Versicherungsmagazin, dass sich das Gericht mit der Frage aufhalte, „ob ein Makler, der gegen Courtage tätig wird, sich als unabhängig bezeichnen dürfe, obwohl sich diese Frage nach § 34d Absatz 1 GewO gar nicht stellt“. Es gebe zwar ein Annahmeverbot für Courtagen und andere wirtschaftliche Vorteile für den Versicherungsberater. „Dass ein Versicherungsberater „neutral und unabhängig“ ist, wie es das Gericht behauptet, steht jedenfalls so nicht in der Gewerbeordnung. Ebenso wenig steht dort umgekehrt, dass ein Versicherungsmakler nach § 34d Absatz 1 GewO als „parteiisch und abhängig“ einzustufen wäre – das wäre aber nach der Logik des Gerichts anscheinend der Fall“. Beenken verweist darauf, dass es kein Honorarannahmeverbot für Makler gebe, ein entsprechendes Verbot im Gesetzgebungsverfahren für das IDD-Umsetzungsgesetz 2017 sogar zurückgenommen worden sei. Pointiert gesprochen: Hat das Landgericht Köln das Thema verfehlt?
2. Urteil: spekulative Urteilsbegründung?
Im zweiten Rechtsstreit, verhandelt vor dem Landgericht Bremen, wurde es der Finanzberatung Schorn GmbH untersagt, als Versicherungsmakler und Finanzanlagenvermittler mit vermeintlich irreführenden Formulierungen zu werben. „Wir bieten bundesweit produktunabhängige Beratung an“, so hieß es auf der Webseite des Maklerbüros, oder: „Wir bieten bundesweit eine unabhängige Beratung zu folgenden Themen…“. Dort erklärte das Unternehmen zudem, dass es „verschiedene Vergütungsmodelle“ anbiete. Und weiter: „Sie haben die Wahl zwischen traditionellen Provisionsmodellen bis hin zu Honorar-Modellen, in denen wir keine Provisionen erhalten“.
Das Landgericht Bremen entschied, dass der Finanzdienstleister unlauter im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) handle, indem es unwahre Angaben auf seiner Webseite mache. Nach Interpretation des Landgerichtes dürfe nur ein Honorar-Anlageberater nach §34h GewO Unabhängigkeit für sich beanspruchen. Das Gericht begründet dies im schönsten Schachtelsatz-Juristendeutsch damit, -Zitat- „weil auch unter Berücksichtigung des Gedankens aus § 94 WpHG 'Unabhängigkeit' nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO eine Unabhängigkeit nur im Falle des Honorar-Anlagenberaters im Sinne von § 34h GewO angenommen werden kann und nur er sich als unabhängig bezeichnen kann. Der Finanzanlagenberater kann dies dagegen nicht, auch wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhält“.
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Hier ist es nach Einschätzung von Kapitalmarkt Intern unter anderem eine Formulierung, die den Tenor des Urteils infrage stelle. Dass eine Unabhängigkeit nur im Falle des Honorarberaters angenommen werden kann, sei eine spekulative Formulierung. Sie beziehe sich auf das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG), welche einen formalen bzw. aufsichtsrechtlichen Bezeichnungsschutz für Wertpapierdienstleister hinsichtlich der Bezeichnung „unabhängig“ vorsehe. In der Gewerbeordnung gebe es beim Paragraphen 34f allerdings keine direkte Entsprechung.
Entsprechend hat auch die Finanzberatung Schorn in Abstimmung mit dem AfW Bundesverband Berufung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen eingelegt. Gegenüber Finanzmarkt Intern positioniert sich Geschäftsführer Thomas Mitroulis: "Die Vielzahl der Kundendepots wird bei der FIL Fondsbank geführt, dort haben wir Zugriff auf mehr als 7.800 Investmentfonds namhafter Fondsgesellschaften und Fondsboutiquen. Von einer unabhängigen Beratung – gleich, ob im Finanzanlagen- oder Versicherungsbereich – wird der durchschnittliche Verbraucher nach unserer Auffassung lediglich erwarten, dass der Berater keinen rechtlichen oder zumindest faktisch vermittelten Verpflichtungen gegenüber dem Produktanbieter/Versicherer unterliegt – wie dies z. B. bei einem Versicherungsvertreter, einem Bankberater oder einem gebundenen Vertreter nach § 2 Abs. 10 KWG/§ 3 Abs. 2 WpHG der Fall ist –, und ausschließlich im Interesse des Kunden tätig wird.“
- Rechtsstreit über die Unabhängigkeit der Makler geht in die nächste Runde
- 2. Urteil: spekulative Urteilsbegründung?