Rente: Ostdeutsche Beitragszahler werden durch Angleichung auf Westniveau schlechter gestellt
Die Angleichung der ostdeutschen Renten führt keineswegs dazu, dass Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland nun auf höhere Renten hoffen können. Im Gegenteil: Weil zeitgleich die bisherige Hochwertung der beitragspflichtigen Einkommen in Ostdeutschland abgeschafft wurde, erwerben die Beitragszahler in Ost nun niedrigere Anwartschaften auf ihre Einkommen. Das zeigt eine aktuelle Studie des ifo Instituts Dresden.
Die Renten in Ost und West müssen angeglichen werden: Diese Forderung haben nicht nur Interessenvertreter ostdeutscher Arbeitnehmer immer wieder erhoben, zum Beispiel die Gewerkschaften, sondern auch die Linke. Im Jahr 2017 verabschiedete die Bundesregierung schließlich ein entsprechendes Gesetz, mit dem unter anderem der Rentenwert Ost und West angeglichen wird. Der aktuelle Rentenwert ist der Betrag, der einer Monatsrente entspricht, wenn jemand ein Jahr lang durchschnittlich verdient und dafür Rentenbeiträge gezahlt hat. Er spielt zum Beispiel eine Rolle, wenn Rentenerhöhungen berechnet werden.
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Bisher gab es für Ost- und Westdeutschland unterschiedliche Rentenwerte: Jene in Osten lagen niedriger. Bis zum Jahr 2024 sollte der Rentenwert Ost auf das Niveau des Rentenwerts West steigen. Allerdings wurde ein einheitlicher Rentenwert schon zeitiger erreicht, weil sich die Löhne in Ostdeutschland besser als erwartet entwickelt haben. Seit dem 01. Juli 2023 liegt er bundesweit einheitlich bei 37,60 Euro. Ein Rentner aus den neuen Bundesländern bekommt damit bei gleicher Erwerbsbiografie die gleiche Rente wie im Westen: rein theoretisch, denn der Rentenwert bezieht sich eben auf den sogenannten Eckrentner, der 45 Jahre lang immer so viel wie der Durchschnitt aller Versicherten verdient hat.
Ostdeutsche die „Verlierer“ der Rentenreform
In der Praxis aber zeigt sich ein anderes Bild. Denn die Vereinheitlichung des Rentensystems führt dazu, dass Renten-Beitragszahler in Ostdeutschland schlechter gestellt sind als früher, wie Berechnungen des ifo Instituts Dresden zeigen. „Im Jahr 2018 erwarb ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin mit einem durchschnittlichen Einkommen Ost eine Anwartschaft auf 37,60 Euro Rente im Monat für jeden Rentenpunkt. Inzwischen sind es nur noch 31,51 Euro im Monat für jeden Rentenpunkt“, sagt der stellvertretende Leiter der ifo Niederlassung Dresden, Joachim Ragnitz, der die Studie auch verfasst hat.
Grund ist, dass die Ostrenten bei der Rentenberechnung bisher höher bewertet wurden als Westrenten. 2018 betrug die höhere Bewertung laut den Berechnungen 13,4 Prozent. Die entsprechenden Regeln zur Höherbewertung sollten nach der Wiedervereinigung verhindern, dass die niedrigeren Löhne im Osten zu geringeren Rentenansprüchen führen. Aber diese Höherbewertung wurde ebenfalls seit 2018 schrittweise abgebaut. Und im Osten wird immer noch ein deutlich niedrigerer Lohn gezahlt.
„Die Folge des Wegfalls ist, dass die Beiträge im Osten nun weniger wert sind als zuvor, da das Durchschnittseinkommen im Osten weiterhin deutlich unter dem West-Einkommen liegt“, erklärt Ragnitz. Die Einkommenslücke liege immer noch bei 17 Prozent. „Es ist so, als nehme der Gesetzgeber nunmehr an, beide Durchschnittseinkommen seien gleich hoch. Das ist aber noch immer nicht der Fall. Das Durchschnittseinkommen Ost liegt noch immer 17 Prozent unter dem Durchschnitt im Westen. Oder umgekehrt: Derzeit liegen die Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer in Ostdeutschland bei 82,8 Prozent des westdeutschen Wertes“, sagt Ragnitz.
Der allgemeine Lohnrückstand im Osten führe nun dazu, dass ein Großteil der Beschäftigten im Osten zukünftig auch in niedrigere Renten erhalten werde. Verlierer der Reform könnten Neurentnerinnen und Neurentner sein, die nach der Wiedervereinigung in den 90er Jahren von Arbeitslosigkeit betroffen waren und Brüche in der Erwerbsbiographie hinnehmen mussten.
Hochwertungsfaktor Ost begünstigte bestimmte Arbeitnehmer
Bis 2025 wird auch der sogenannte Hochwertungsfaktor, der bisher für eine höhere Bewertung der Ostrenten sorgte, schrittweise abgebaut. Das sei auch notwendig, denn der Faktor habe zu einer Reihe von Ungleichbehandlungen geführt, betont Ragnitz in der Studie. Von der Höherwertung profitierten beispielsweise ostdeutsche Beitragszahler, die nach Tarifvertrag entlohnt wurden und deren Löhne damit fast das Westniveau erreicht hatten: Sie wurden gegenüber anderen Beitragszahlern in Ostdeutschland begünstigt. Zudem erwarben ostdeutsche Arbeitnehmer bei gleichem Einkommen höhere Rentenanwartschaften als westdeutsche Arbeitnehmer.
Mit der Rentenangleichung unterstelle der Gesetzgeber aber zugleich, dass dieses Lohngefälle Ost-West nicht mehr bestehe: Dieses wirke aber weiterhin fort. Da die tatsächliche Rentenhöhe nicht nur von der Höhe der Beiträge pro Jahr, sondern auch von der Anzahl der Beitragsjahre abhängt, dürfte sich dieser Nachteil bei einer typischen Erwerbsbiographie von 45 und mehr Jahren zwar abschwächen. Je länger jedoch der generelle Lohnrückstand Ostdeutschlands bestehen bleibt, um so größer ist der Nachteil, den ostdeutsche Beitragszahlerinnen und Beitragszahler künftig bei der Rentenhöhe haben werden. Der Hebel sei hier, für mehr Wettbewerbsfähigkeit ostdeutscher Unternehmen zu sorgen, so Ragnitz.
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Auch weitere Faktoren tragen - unabhängig von der gesetzlichen Rente - dazu bei, dass Rentnerinnen und Rentner in Ost künftig schlechter für den Altersruhestand abgesichert sein werden. So konnten sie zu DDR-Zeiten beispielsweise nicht im gleichen Maße wie westdeutsche Bürgerinnen und Bürger Vermögen aufbauen: etwa über Immobilien oder private Lebensversicherungen. Im Osten sind auch Betriebsrenten seltener verbreitet.