Deutsche Rentenversicherung drängt auf Vorsorgepflicht für Selbstständige
Die Deutsche Rentenversicherung bemängelt einen Reformstau der Bundesregierung bei der Umsetzung einer Rentenreform. Unter anderem werde ein Vorhaben permanent aufgeschoben: Dass Selbstständige verpflichtend für ihr Alter vorsorgen müssen. Folglich weiß die Deutsche Rentenversicherung auch nicht, ob eine solche Pflicht kommt und worauf sich die Rententräger einstellen müssen, wie Anja Piel, Alternierende Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund, beim Presseseminar der Rentenversicherung in Würzburg betonte.
Selbstständige sollen verpflichtet werden, für ihr Alter vorzusorgen: Wenn nicht privat, dann in der gesetzlichen Rentenversicherung. Über dieses Thema wurde schon diskutiert, als die Bundeskanzlerin noch Angela Merkel hieß. Nicht nur die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat in ihrem Koalitionsvertrag verankert, eine entsprechende Pflicht einführen zu wollen. Auch der Koalitionsvertrag der Vorgängerregierung vom März 2018 enthielt ein entsprechendes Vorhaben.
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Doch passiert ist seither - nichts. Sehr zum Ärger von Anja Piel, Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund. Bei einem Vortrag auf dem Presseseminar der Rentenversicherung in Würzburg kritisierte sie, dass die Bundesregierung bei vielen Reformplänen hinterher hinke. Auch wie und mit welchen Mitteln Selbstständige künftig für ihr Alter vorsorgen müssen, sei aktuell unklar.
“Ebenfalls noch nicht umgesetzt ist die Vereinbarung der Koalitionspartner, eine Altersvorsorgepflicht für Selbständige einzuführen, die nach geltender Rechtslage keinem obligatorischen Alterssicherungssystem angehören. Eine solche Vereinbarung wird seit Jahren immer wieder diskutiert und steht bereits zum zweiten Mal in Folge in einem Koalitionsvertrag und betrifft – anders als in der letzten Legislaturperiode – nur Selbständige, die ihre Tätigkeit nach Inkrafttreten der Reform neu aufnehmen“, sagte Piel. Und weiter: „Eine obligatorische Altersvorsorge für Selbständige ist aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Grund des anderenfalls bestehenden erhöhten Altersarmutsrisikos überfällig und längst geboten“.
Auch die Wirtschaftsweisen hatten in ihrem aktuellen Jahresgutachten berichtet, dass im Jahr 2021 rund 3 Millionen Selbstständige gibt, die nicht obligatorisch versichert sind und über keine berufsständische Alterssicherung verfügen. Oft erhalten diese Personen dann im Alter Grundsicherung, wenn sie selbst nicht ausreichend vorgesorgt haben.
Vorsorgepflicht bedeutet erheblichen bürokratischen Mehraufwand
Gleichzeitig würde eine Altersvorsorgepflicht auch einen deutlichen bürokratischen Mehraufwand für die Rentenversicherung mit sich bringen, wie Piel betont. „In Anbetracht von mehreren hunderttausend Gründungen jährlich, ist die Einführung einer Altersvorsorgepflicht ein Massenverfahren, dessen Umsetzung für die Deutsche Rentenversicherung eine enorme Herausforderung bedeutet“, sagt sie.
Aus diesem Grund sei es aus Sicht der Rentenversicherung unerlässlich, „dass die Regelungen von Anfang an so ausgestaltet werden, dass eine weitgehend digitale und automatisierte Umsetzung ermöglicht wird“. Dies sei bürgerfreundlich und angesichts knapper Personalressourcen geboten. Dazu gehöre, „dass Informationen von den Selbständigen zu ihrer Tätigkeit und dem daraus erzielten Einkommen nur einmal abgegeben werden müssen“: in der Regel bei der Finanzverwaltung. Piel drängt auf das „Once-Only-Prinzip“: Die Daten sollen automatisch mit den Finanzämtern abgeglichen werden.
Geplantes Opt-out-Verfahren erschwert die Umsetzung
Von der Bundesregierung geplant ist derzeit ein Opt-out-Verfahren: Gründer wären dann automatisch in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, solange sie nicht explizit widersprechen. Wenn sie sich jedoch anderweitig versichern wollen, muss die private Vorsorge bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Konkrete Details hierzu sind noch unklar. „Das geplante Wahlrecht zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und privater Vorsorge, das sogenannte Opt-Out, erschwert nicht nur ein digitales Verfahren, sondern erhöht auch den Verwaltungsaufwand aufgrund einer regelmäßig nötigen Überprüfung der privaten Vorsorge“, gibt Piel zu bedenken. Das Wahlrecht erhöhe auch die Gefahr für Vorsorgelücken: „Vor allem dann, wenn die privaten Versicherungsprodukte nicht dasselbe Leistungsspektrum bieten müssen wie die gesetzliche Rentenversicherung. Zu diesem Leistungspaket der gesetzlichen Rentenversicherung gehören nämlich neben der Altersrente auch die Absicherung des Erwerbsminderungs- und Todesfallrisikos sowie Reha- und Präventionsleistungen“, sagt die frühere Gewerkschaftsfunktionärin.
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Doch die Bundesregierung hat derzeit wohl andere Prioritäten, wie Piel anmerkt. "Ein konkreter Zeitplan, wann es einen Referentenentwurf zu diesem Vorhaben geben soll, liegt uns nicht vor". Offensichtlich solle zuerst das Rentenpaket 2 umgesetzt werden.