Rund 70 Fördermitglieder und Kooperationspartner des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung waren der Einladung nach Berlin gefolgt. Sie alle sind von den Regulierungsvorhaben aus Brüssel und Berlin betroffen. Die Branche beschäftigt sich aktuell vor allem wegen der EU-Kleinanlegerstrategie mit einem drohenden Provisionsverbot für Makler, mit den Vorschlägen der Fokusgruppe private Altersvorsorge für eine Reform der Riester-Rente und mit einer wichtigen Nachjustierung bei der betrieblichen Altersvorsorge.

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„Unsere Fördermitglieder nutzen den Hauptstadtgipfel, um die Finanzexperten aus Regierung und Opposition mit der Realität aus ihrer Berufspraxis vertraut zu machen und mit konstruktiven Nachfragen für ihre Belange zu sensibilisieren“, sagt Frank Rottenbacher, AfW-Vorstand zum Konzept. In diesem Jahr stellten sich Mitglieder des Bundesfinanzausschuss von CDU und Bündnis 90/Die Grünen den Fragen der Branche – die stellvertretende finanzpolitische Sprecherin der SPD musste leider aufgrund einer kurzfristig angesetzten Sondersitzung des Finanzausschusses passen.

Neue Stellschrauben für die Private Altersvorsorge

Dr. Carsten Brodesser, CDU-Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, ordnete die konkreten Reform-Vorschläge der von der Bundesregierung eingesetzten Fokusgruppe private Altersvorsorge ein. „Die Reduzierung der Beitragsgarantie ist der Dreh- und Angelpunkt, ich habe große Hoffnung, dass das auch im Gesetz umgesetzt wird“, erklärte Brodesser. Ebenfalls für ziemlich gesichert hält er die vereinheitlichte Kinderzulage, eine vereinfachte technische Abwicklung der Zulagenbeantragung und den Verzicht auf einen staatlich kontrollierten Fonds für die Altersvorsorge.

Der CDU-Finanzpolitiker begrüßte, dass die Förderhöchstgrenzen von derzeit 2.100 Euro künftig an 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze ausgerichtet werden sollen und damit automatisch mitwachsen würden. Die Union möchte darüber hinaus noch mehr: „Wir treten für eine lineare Förderung ein. Also für jeden Euro 50 Cent Zulage. Damit fände auch keine Fehlallokation im Altersvorsorgevermögen mehr statt“, erläuterte Brodesser. Denn Riester-Sparer, die sich einen Großteil der Förderung über die Steuergutschrift erstatten lassen, erhalten ihren Sonderausgabenabzug ‚gedankenfremd‘ aufs Konto überwiesen und nicht in ihr Sparprodukt.

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Die von den Ampelparteien kolportierte Aussage, der zugehörige Referentenentwurf werde Anfang 2024 erstellt, datierte Brodesser auf das erste Halbjahr nächsten Jahres. „Das kann nach Aussage von Staatssekretär Toncar aber auch erst der 30. Juni sein. Das Gesetz muss bis Ende 2024 verabschiedet sein, denn es soll ab 1. Januar 2025 gelten“, so der Finanzexperte. Und Produktgeber und Vermittler bräuchten schließlich auch noch eine gewisse Zeit, um sich darauf vorzubereiten.

CDU-Kritik am Projekt Generationenkapital und der EU-Kleinanlegerstrategie

Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) kritisierte Brodesser unter anderem das von der FDP angeregte Projekt Generationenkapital, das als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Stiftung professionell verwaltet werden soll. „Über zehn Jahre werden so voraussichtlich 3 Milliarden Euro angespart. Angesichts von 360 Milliarden Euro Gesamtausgaben der Deutschen Rentenversicherung ist das nur ein Tröpfchen auf einen riesigen heißen Stein“, so Brodesser. Das Generationenkapital werde die Rente ab 2035 weder retten, noch wesentlich stabilisieren. Als weitere zu lösende Probleme nannte er das in der Praxis kaum genutzte Sozialpartnermodell und die Frage der Sozial- und Rentenversicherungspflicht für Selbstständige. Die CDU/CSU tritt zudem für ein Obligatorium in der bAV für Geringverdiener ein, der Beitrag soll dabei komplett vom Arbeitgeber übernommen werden.

Zur EU-Kleinanlegerstrategie vertrat Brodesser eine klare Position, die voll und ganz auf Linie des AfW liegt: „Ein Provisionsverbot für Makler machen wir nicht mit“. Die Kritik nach Vorstellung des Entwurfs im Mai sei so laut gewesen, dass die zuständige Kommissarin Mairead McGuinness ihre Vorschläge abgemildert habe. „Das nun vorgesehene Provisionsverbot für Execution-Only sehen wir aber auch kritisch“, betonte Brodesser, denn beratungsfreie Plattformen werden in diesem Fall dann künftig nicht mehr existieren.

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Grüne: Staatsfonds wäre die bessere Lösung

Sascha Müller (Bündnis 90/Grüne) ebenfalls Mitglied im Finanzausschuss, unterstrich, dass die Grünen nach wie vor für die Stärkung der Honorarberatung eintreten und einen öffentlich verwalteten Staatsfonds mit Opt-Out-Möglichkeit für die private Altersvorsorge befürworten. Letzterer hatte indes bei den Experten der Fokusgruppe keine Mehrheit gefunden – zum Bedauern der grünen Partei. „Wir brauchen eine einfache, staatlich geförderte Vorsorge“, sagte Müller und plädierte dafür die Bürokratie der Regelungen abzubauen und die Altersvorsorge grundlegend neu aufzustellen. Der grüne Finanzexperte befürwortete die Vorschläge für mehr Flexibilität in der Auszahlphase und eine Abkehr von der Pflicht zur Verrentung in bestimmten Fällen. Etwa, wenn ein Verbraucher das angesparte Kapital zur Tilgung eines Immobiliendarlehens oder für den altersgerechten Umbau seiner Immobilie nutzen möchte.

Mangelnde finanzielle Bildung sei ein wesentlicher Grund, warum nur 18 Prozent der deutsche Verbraucher am Kapitalmarkt investiert sind – im EU-Durchschnitt sind es immerhin 30 Prozent. „Finanzielle Verbraucherbildung sollte in allen Bundesländern, in allen Lehrplänen verankert werden. Ich bin hoffnungsvoll, dass wir das mit der nationalen Finanzbildungsstrategie der Ampel ändern können“, so Müller.

Kleinanlegerstrategie noch in dieser Legislatur?

Zu den in der Branche umstrittenen Punkten aus der EU-Kleinanleger-Verordnung nahm der grüne Finanzexperte ebenfalls Stellung. Er begrüßte sowohl das Provisionsverbot für Execution-only-Abwicklungen als auch die höhere Transparenz für Versicherungsanlageprodukte. Allerdings sehe er auch die Notwendigkeit einer Nachschärfung bei der Regulierung von Social Media. „In einer Welt von Finfluencern muss klar erkennbar sein, welcher Anbieter für die inhaltliche Qualität verantwortlich ist“, so Müller.

Insgesamt gebe es derzeit auf EU-Ebene noch Widerstände, erläuterte Müller. So sei noch nicht klar, welche Mehrheiten sich im Parlament fänden und wie sich der Ministerrat positionieren werde. „Ich würde mir sehr wünschen, wenn wir es schaffen, das Kleinanlegerpaket im Rahmen dieser EU-Legislatur abzuschließen. Voraussetzung ist, dass wir Transparenz herstellen, qualitativ hochwertige Produkte anbieten und die finanzielle Bildung stärken. Nur so können wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Kapitalmarkt gewinnen“, lautete sein Statement.

AfW sieht Handlungsbedarf in Brüssel

Beim Zeitplan ist der AfW anderer Meinung: „Angesichts der vielen berechtigten Einsprüche, nicht nur aus dem deutschen Markt, glauben wir nicht an eine Umsetzung der Kleinanlegerverordnung noch vor der Europawahl im Juni 2024“, betonte AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. Da es aber anders als in der deutschen Politik auf EU-Ebene keine Diskontinuität gibt, wird das Vorhaben in jedem Fall auf dem Tisch bleiben und wird notfalls nach der Wahl mit neuer EU-Kommission weiterverfolgt werden.

Wichtigster Einwand aus Sicht der deutschen Vermittelnden: „Wir befürchten aufgrund einer schwammigen Formulierung im Entwurf zur Unabhängigkeit ein faktisches Provisionsverbot für Makler, die Versicherungsanlageprodukte vermitteln. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Passus gestrichen oder klarer gefasst wird“, präzisierte Rottenbacher. Ansonsten drohe eine jahrelange unklare Rechtslage, die erst im Nachgang durch Gerichtsurteile geklärt werden kann. Kein Zustand für eine Branche, die auf Transparenz und Vertrauen setzt.

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Der 20. AfW-Hauptstadtgipfel fand als Präsenzveranstaltung im Berliner Hotel Palace statt. Rund 70 AfW-Fördermitglieder und Kooperationspartner waren vertreten und bereicherten die Diskussion mit direkten Erkenntnissen aus Ihrer Berufspraxis. Insgesamt gehören 95 Fördermitglieder und Kooperationspartner dem AfW an.

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