Klaus-Jürgen Heitmann, Chef von Deutschlands größtem Autoversicherer HUK-Coburg, hatte es auf einer Veranstaltung des Handelsblatts pointiert: die Kfz-Versicherung ist ein „brachialer Markt“ (Versicherungsbote berichtete). Denn schon seit Jahren tobt ein verbittert geführten Preiskampf in der Branche, der durch Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox befeuert wird. Dieser findet bei stetig steigenden Schadenaufwendungen und steigenden Kosten durch die immer komplexer werdende Technik statt, die in neuen Autos verbaut wird. Was dies für die Branche bedeutet, zeigt der neue Branchenmonitor Kfz-Versicherung der V.E.R.S Leipzig GmbH.

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So führt der Preiskampf zu sinkenden Durchschnittsprämien. Dies lässt sich gut an gebuchten Bruttoprämien (direkt) pro Vertrag im Zweig gesamte Kraftfahrtversicherung für den Zeitraum ab 2017 zeigen. Denn da die Branche 2017 ebenfalls rote Zahlen schrieb, war eine Preiskorrektur nötig:

  • In 2017 lagen die Durchschnittsprämien bei 245,09 Euro pro Vertrag.
  • Prämienanpassungen bewirkten dann, dass die Durchschnittsprämie 2018 auf 253,23 Euro pro Vertrag und in 2019 sogar auf 255.68 Euro je Vertrag stieg.
  • Jedoch: Ab 2020 kehrte sich die Entwicklung wieder um. So sank die Durchschnittsprämie je Vertrag in 2020 auf 250,18 Euro und in 2021 auf 248,41 Euro.
  • In 2022 sinkt die Prämie nun ein weiteres Mal – und liegt dadurch sogar fast auf dem Niveau von 2017. Durchschnittlich 246,81 Euro mussten in 2022 für eine Kfz-Police bezahlt werden.

Sinkende Prämien trotz Rekordausgaben

Die Preissenkung für die Kfz-Policen ist allerdings nicht durch die Entwicklung der Schadenaufwendungen gerechtfertigt: Aufwendungen von durchschnittlich 430,26 Mio. Euro je Versicherer in 2022 stellen einen neuen Rekord dar. In 2017 hingegen lagen die Schadenaufwendungen noch bei durchschnittlich 374,14 Mio. Euro je Versicherer. In 2019, dem Jahr vor Corona, lagen sie bei 399,34 Mio. Euro.

Einzig 2020 fällt aus dem Rahmen – während der Coronapandemie ging der Verkehr durch Homeoffice und Homeschooling stark zurück. Folglich kam es in 2020 zu weniger Unfällen – Schadenaufwendungen lagen bei 361,04 Mio. Euro je Versicherer und verschafften den Unternehmen eine kurze Verschnaufpause. Dieser „Corona-Bonus“ aber ist nun aufgebraucht: Versicherer leisten für Schäden mehr als jemals zuvor.

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Anstieg der Vertragszahlen sichert noch Prämienzuwachs

Dass trotz der reduzierten Preise die durchschnittlich gebuchten Prämien steigen, ist dem Vertragszuwachs zu verdanken. So wuchs die Zahl der im Schnitt gehaltenen Verträge je Versicherer von 2.174.188 auf 2.209.228 Verträge. Dadurch stiegen auch die durchschnittlich gebuchten Bruttoprämien im Zweig Kraftfahrt Gesamt: von 507,85 Mio. Euro je Versicherer auf 513,58 Mio. Euro.

Schaden-Kosten-Quote mit schlechtestem Wert seit 2014

Hohe Schadenaufwendungen machen sich naturgemäß auch bei der Schadenquote bemerkbar – bei Schadenaufwendungen (brutto direkt) in Prozent der verdienten Bruttoprämien. Die durchschnittliche Schadenquote über 50 Unternehmen hinweg liegt bei 84,02 Prozent. Das ist die schlechteste Quote des Erhebungszeitraums 2017 bis 2022. Zieht man noch ältere Monitore zurate, die Daten ab 2014 liefern, kann man die Quote sogar als schlechteste Quote des Zeitraums 2014 bis 2022 bezeichnen.

Versicherer geben im Schnitt mehr aus, als sie einnehmen

Das wirkt sich natürlich auch auf die Schaden-Kosten-Quote bzw. Combined Ratio (CR) aus – auf Schaden- und Betriebsaufwendungen in Prozent der verdienten Bruttoprämien. Diese liegt 2022 für den Zweig Kraftfahrt Gesamt bei durchschnittlich 102,42 Prozent. Demnach geben die Versicherer im Schnitt mehr für Schadenaufwendungen und weitere Kosten aus, als sie an Prämien einnehmen.

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Zudem ist die Schaden-Kosten-Quote für 2022 der schlechteste Wert für des gesamten Zeitraums 2014 bis 2022. Da der aktuelle Branchenmonitor die Zeit von 2017 bis 2022 umfasst, lässt sich dies durch Hinzuziehen älterer Monitore feststellen. Einzig 2017 lag die Schaden-Kosten-Quote ähnlich hoch – in einem älteren Monitor wurde die Schaden-Kosten-Quote für 2017 mit 100,21 Prozent angegeben.

Nach aktualisierten Werten sogar 2022 erstmals über 100 Prozent

Wenn man aber nur die Unternehmensliste im aktuellen Branchenmonitor 2023 zurate zieht, ergibt sich sogar für 2017 ein Wert von 99,96 Prozent. Grund dieser Korrektur mit verbessertem Wert für zurückliegende Jahre können Fusionen und Umfirmierungen sein (man denke nur an die 2022 abgeschlossene Aufnahme der Basler- Bestände durch die Konzernmutter Baloise), wodurch sich auch Durchschnittswerte über alle 50 Unternehmen hinweg gemäß aktualisierter Liste verändern. Folgt man dieser Korrektur, dann ist das Jahr 2022 sogar das erste Jahr des ganzen Erhebungszeitraums der Branchenmonitore ab 2014, im dem der CR-Durchschnitt über der kritischen 100-Prozent-Marke liegt.

Diese Versicherer schreiben rote Zahlen

Die folgende Liste enthält jene Unternehmen, die in 2022 eine Combined Ratio über 100 Prozent in Kauf nehmen mussten, so dass Schadenaufwendungen und weitere Ausgaben nicht durch Prämieneinnahmen gedeckt sind:

  • ERGO: 100.61 Prozent
  • Helvetia Direktion für Deutschland: 101,04 Prozent
  • Generali Deutschland: 101,65 Prozent
  • SV Sachsen: 101,86 Prozent
  • Bayerischer VersVerband: 102,34 Prozent
  • HUK-Coburg Allgemeine: 102,46 Prozent
  • Rhion Versicherung: 103,62 Prozent
  • VGH Landschaftliche Brandkasse: 103,90 Prozent
  • HUK24: 104,05 Prozent
  • HUK-Coburg VVaG: 105,59 Prozent
  • WGV-Versicherung: 105,59 Prozent
  • R+V Allgemeine: 105,68 Prozent
  • Dialog Versicherung: 109,22 Prozent
  • HDI Versicherung: 109,30 Prozent
  • SV Gebäudeversicherung: 110,49 Prozent
  • Debeka Allgemeine: 110,55 Prozent
  • DA Deutsche Allgemeine: 110,60 Prozent
  • BGV-Versicherung: 111,43 Prozent
  • Alte Leipziger: 111,78 Prozent
  • Mannheimer: 111,81 Prozent
  • DEVK VVaG: 112,92 Prozent
  • DEVK Allgemeine: 114,02 Prozent
  • Nürnberger Allgemeine: 116,98 Prozent
  • R+V Direkt: 117,24 Prozent
  • Allianz Direct: 131,83 Prozent

Hintergrund: Alle hier vorgestellten Zahlen entstammen dem neuen „Branchenmonitor KFZ-Versicherung 2023“ der V.E.R.S. Leipzig GmbH, der soeben veröffentlicht wurde. Das Analyse-Instrument deckt zahlreiche Kennzahlen von 50 Unternehmen (und damit 87 Prozent der Branche) ab und kann zusammen mit weiteren Brachenmonitoren auf der Webseite der Leipziger Experten bestellt werden. Der Analysezeitraum umfasst die Jahre 2017 bis 2022.

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