Hochwasser: Regierungsparteien streiten über Pflichtversicherung
Nach den jüngsten Hochwassern in mehreren wird erneut darüber diskutiert, ob sich Hauseigentümer mit einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden absichern müssen. Doch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt eine solche ab. Sein Argument: Eine solche Pflichtversicherung mache das Wohnen teurer. Damit kündigt sich neuer Krach in der Bundesregierung an, denn bei SPD und Grünen findet die Idee einer Pflichtversicherung durchaus Fürsprecher.
Land unter in Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt: Tagelange Regenfälle sorgten über Weihnachten in vielen Regionen Deutschlands für eine weniger schöne Bescherung. Ganze Orte standen unter Wasser und mussten evakuiert werden, Hauseigentümer und Gewerbetreibende stehen vor dem finanziellen Ruin. Umgehend wurden auch wieder Forderungen nach Hilfen durch Bund und Länder laut. So drängte zum Beispiel die CDU in Niedersachsen darauf, Hilfsgelder schnell und unbürokratisch bereitzustellen.
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Bundesregierung uneins über Hochwasser-Pflichtversicherung
Im stark betroffenen Niedersachsen ist nach GDV-Zahlen nicht einmal jede dritte Immobilie gegen Elementarschäden abgesichert: Und somit flammt auch die Debatte über eine Elementarschadenpflichtversicherung wieder auf. „Wir brauchen eine Versicherungspflicht gegen Flutschäden“, schrieb zum Beispiel die FAZ in einem Kommentar mit dem Titel „Versichert endlich die Flutgefahr!“.
Eine solche Versicherungspflicht aber lehnt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ab. Eine Elementarschadenpflichtversicherung mache das Wohnen spürbar teurer. „Daher hat die Bundesregierung empfohlen, von dem Instrument eher Abstand zu nehmen“, sagte er am Donnerstag letzter Woche laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ . Eine Sprecherin seines Ministeriums ergänzte, dass die Kosten je Einfamilienhaus um 100 bis 200 Euro jährlich steigen würden.
Damit kündigt sich auch neuer Streit in der Bundesregierung an. Denn sowohl die SPD als auch die Grünen drängen auf eine solche Versicherungspflicht. Johannes Fechner, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, wirft Buschmann laut FAZ vor, „die unverschuldet und massiv geschädigten Immobilieneigentümer weiter im Stich zu lassen“. Die SPD wolle nicht, dass immer der Steuerzahler bei derartigen Katastrophen einspringen müsse. Auch der Grünen-Abgeordnete und Jurist Lukas Brenner fordert Buschmann auf, „schnellstmöglich ein sozialverträgliches Konzept“ vorzulegen. Nichthandeln sei die teuerste Option.
Zudem rückt wieder die Frage in den Vordergrund, wie eine solche Versicherungspflicht gestaltet werden soll - und welchen Zweck sie eigentlich verfolgt. Denn hierzu gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Die Verbraucherzentrale Sachsen drängt seit Jahren auch deshalb auf eine verpflichtende Allgefahrendeckung, weil sie argumentiert, dass Menschen in hochwassergefährdeten Regionen schwer bezahlbaren Schutz finden. Die Kosten könnten demnach sinken, wenn die finanzielle Last auf alle Schultern verteilt würde. Dem entgegen warnt die Versicherungswirtschaft, dass es für alle teurer werden könnte, wenn sie das individuelle Risiko der Hauseigentümer nicht in die Tarifkalkulation einbeziehen dürfe. Die Branche beharrt darauf, risikoadäquate Prämien berechnen zu dürfen, oder mit anderen Worten: Immobilieneigner in gefährdeten Regionen stärker zur Kasse zu bitten.
Versicherungswirtschaft: "Länder und Kommunen haben große Defizite"
Ein weiterer Grund für die ablehnende Haltung der Versicherer: Sie befürchtet Fehlanreize. Ist jedes Haus an jedem Ort versicherbar, dann werde auch mehr in hochwassergefährdeten Regionen gebaut, so das Argument. Am Mittwoch meldete sich der Versichererverband GDV zu Wort und beklagte erneut, dass die Politik zu wenig für den Hochwasserschutz tue. „Länder und Kommunen haben beim Thema Flächen- und Bauplanung sowie bei der Prävention große Defizite. Hier wurde jahrzehntelang zu wenig investiert“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Das sieht man in diesen Tagen sehr deutlich, wenn man sich die Situation der Deiche in den betroffenen Gebieten vor Augen führt. Viele Probleme, vor allem beim Hochwasserschutz, sind hausgemacht. Der langanhaltende Regen hat sie jetzt sichtbar gemacht.“
Doch Druck für eine Versicherungspflicht kommt auch von den Bundesländern. Bereits 2022 hatten sich die Regierungschefs der Länder für eine Pflichtversicherung ausgesprochen. Nun meldete sich Winfried Kretschmann (Grüne) zu Wort, Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Er verwies darauf, dass die bereitgestellten Notwasserhilfen für Länder und Kommunen eine enorme finanzielle Last bedeuten, die Gelder dann an anderer Stelle fehlen. Man müsse davon ausgehen, dass die aktuelle Hochwasserlage in Teilen Deutschlands wieder Milliardenschäden verursachen werde, sagte Kretschmann der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Es ist klar, dass die Immobilienbesitzer, privat und gewerblich, selber ins Obligo müssen“, so der Regierungschef.
Kretschmann kritisierte, dass der Kanzler den Ministerpräsidenten die Einführung einer bundesweiten Pflichtversicherung bereits zugesagt hatte. „Das hat die Bundesregierung in Form ihres Justizministers gecancelt“, kritisiert der 75jährige. „Ich finde, dass das einfach nicht geht. Dass jetzt das Ende der Fahnenstange erreicht wird“. Die Bundesregierung hatte unter anderem deshalb auf die Einführung verzichtet, weil sie in Zeiten der galoppierenden Inflation die Bürgerinnen und Bürger nicht zusätzlich belasten wollte.
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Die jetzige Situation findet Kretschmann „eigentlich wirklich unerträglich“. Er verwies darauf, dass in seinem Bundesland Baden-Württemberg nach Zahlen der Versicherungswirtschaft 94 Prozent der Immobilieneigner einen solchen Schutz haben. Dennoch müsste das Bundesland auch für Bundesländer mit zahlen, in denen nur wenige Menschen ihr Haus versichern. Ein Flickenteppich würde aus Sicht der Landesregierung Immobilienbesitzer benachteiligen, die bereits eine Versicherung haben.