Rente: ifo-Institut empfiehlt Anhebung des Rentenalters nach 2:1-Regel
Das ifo-Institut Dresden fordert, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Zudem soll sich die Anpassung der Renten zukünftig nicht mehr an den Löhnen orientieren, sondern an der Inflation. Diese Schritte hatten bereits die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten empfohlen.
- Rente: ifo-Institut empfiehlt Anhebung des Rentenalters nach 2:1-Regel
- Beamte in Rente? Langfristig "Umverteilung von unten nach oben"
Das ifo Institut Dresden hat sich dafür ausgesprochen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen, so die Niederlande, Schweden und Finnland“, sagt ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz. In den Niederlanden werde folgende Regel angewendet: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente.
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Erhöhung Renteneintrittsalter nach der 2:1-Regel
In ihrem Aufsatz "Was Deutschland von anderen europäischen Ländern lernen kann" weisen die beiden Forscher Grega Ferenc und Tim Scheurer darauf hin, dass die Bundesrepublik im Jahr 2021 bereits ein Fünftel ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Leistungen verschiedener Sozialversicherungssysteme ausgab. Diese Ausgaben haben sich auf 700 Milliarden Euro summiert. Das Gros der Ausgaben entfiel auf die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung. Während die Ausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung relativ zum Bruttoinlandsprodukt stabil blieben, sie beliefen sich auf 9,2 bis 10,8 Prozent des BIP, stiegen die Ausgaben in absoluten Zahlen massiv an. In der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung haben sich demnach die Ausgaben in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht.
Ein wesentlicher Kostentreiber ist die Demografie: Die Gesellschaft altert. Dieser Trend werde sich in den kommenden Jahren noch einmal beschleunigen, argumentieren die Ökonomen, denn die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre erreichen schrittweise das Rentenalter. Die steigende Lebenserwartung verschärfe das Problem steigender Rentenausgaben. Mitte der 1990er Jahre kamen 20 Rentnerinnen und Rentner auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter, nach 2030 werden es jedoch bereits 40 sein. Mitte der 2060er Jahre kommen laut den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sogar mehr als 45 Personen im Ruhestand auf 100 Erwerbsfähige.
“Reformen des bestehenden Rentensystems sind daher erforderlich, um erheblich höhere Steuer- und Beitragslasten für die geringere Zahl an Erwerbsfähigen zu vermeiden“, schreiben die beiden Ökonomen. Und schlagen vor, einen Mechanismus einzuführen, wonach das reguläre Renteneintrittsalter auch nach der ohnehin bereits umgesetzten Anhebung auf 67 Jahre weiter steigen könnte. „Wenn die Lebenserwartung steigt, muss auch das Renteneintrittsalter angepasst werden, um das Verhältnis zwischen der Rentenbezugsdauer und der Beitragsdauer mehr oder weniger konstant zu halten. So könnte man zum Beispiel drei Jahre zusätzliche Lebenserwartung in zwei zusätzliche Erwerbsjahre und ein Rentenjahr aufspalten (2:1-Regel).“, heißt es in dem Aufsatz. Eine solche Regel gelte zum Beispiel bereits in den Niederlanden.
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Nach den Vorausberechnungen der Ökonomen würde die 2:1-Regel dazu führen, dass das Renteneintrittsalter stufenweise bis 2061 auf 69 Jahre steigt. Um das Jahr 2045 wäre dann nach heutigem Stand ein Renteneintrittsalter von 68 Jahren erreicht. Dies gilt allerdings nur, wenn die Lebenserwartung tatsächlich steigt. Kritiker eines solchen Schrittes verweisen nicht nur darauf, dass dies zu neuen sozialen Härten führen könnte: etwa in Berufen, in denen aufgrund einer hohen physischen und psychischen Belastung eine Arbeit im fortgeschrittenen Alter unwahrscheinlich erscheint. Zudem ist in den letzten drei Jahren die Lebenserwartung kaum gestiegen oder sogar leicht gesunken - auch aufgrund der Corona-Pandemie. Hier würde eine solche Reform schlicht verpuffen und keine entlastende Wirkung auf die Rentenkassen haben.
Beamte in Rente? Langfristig "Umverteilung von unten nach oben"
Die Erhöhung des Rentenalters nach der sogenannten 2:1-Regel hatten bereits die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten 2023/24 ins Gespräch gebracht. Nach Ansicht des Expertenrates braucht es aber ein umfangreiches Maßnahmenpaket, um die Rente dauerhaft zu stabilisieren: auch Anreize auf dem Arbeitsmarkt für eine höhere Erwerbsbeteiligung, die Bildung eines Kapitalstocks nach Vorbild des Schwedischen Staatsfonds sowie Maßnahmen, dass die Ausgaben der Rentenversicherung sinken.
Die Ökonomen des ifo-Institutes verweisen nun auf weitere Maßnahmen, die in anderen europäischen Staaten bereits umgesetzt wurden. In Österreich, Schweden und Finnland wurden auch Selbstständige und Beamte als Beitragszahler in die Rentenversicherung integriert - anders als in Deutschland, wo Beamte gar nicht einzahlen und Selbstständige nur freiwillig. Selbstständige müssen den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zahlen, haben aber Möglichkeiten, einen Teil der Beträge steuerlich abzusetzen. In Deutschland sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 1,8 Millionen Richter und Beamte tätig.
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“Dies bringt jedoch erhebliche Umstellungsschwierigkeiten mit sich und generiert nur kurzfristig mehr Einnahmen", schreiben die Ökonomen zur Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rente. Denn die zusätzlichen Einzahlungen bringen auch neue Ansprüche auf künftige Auszahlungen mit sich. „Da insbesondere Beamt*innen im Mittel eine höhere Lebenserwartung als der Durchschnitt der Bevölkerung haben, würde eine Einbeziehung dieser Gruppe (ohne flankierende Maßnahmen) zusätzliche Finanzierungslasten mit sich bringen und tendenziell zu einer Umverteilung von unten nach oben führen“, heißt es in dem Aufsatz. Warum Umverteilung von unten nach oben? Rentenversicherte mit kleinem Einkommen und einer statistisch geringeren Lebenserwartung müssten dann die vergleichsweise hohen und lang gezahlten Renten der Beamten mitfinanzieren.
Anpassung der Rente nach Inflation
Ein weiterer Hebel: Das Rentenniveau. Hier nehmen die ifo-Forscher das vergleichsweise hohe Rentenniveau in Österreich als Ausgangspunkt. Die Lohnersatzquote beträgt in der Alpenrepublik bei Männern netto 87,1 Prozent des Durchschnittseinkommens, in Deutschland hingegen nur 48 Prozent. Allerdings gebe es in Österreich einen Unterschied bei der Anpassung der Renten: Während in Deutschland die Renten grundsätzlich im Einklang mit dem Lohnwachstum angehoben werden, wird in Österreich die festgelegte Rente jährlich per Gesetz angepasst. Die Anpassung orientiert sich hierbei hauptsächlich an der Inflationsrate. Weil die Inflation zumindest auf langer Sicht unter der Lohnsteigerung lag, profitieren in Deutschland Ruheständler stärker von den Rentenanpassungen: zulasten der jüngeren Generationen?
Hier empfiehlt das ifo-Institut im Einklang mit den Wirtschaftsweisen, die Erhöhung der Renten stärker an der Inflation auszurichten. Möglich seien auch Mischmodelle: In Finnland zum Beispiel erfolgen 20 Prozent der Rentenerhöhung basierend auf der Lohnentwicklung, die restlichen 80 Prozent sind an den Preisindex gekoppelt. Die Schweiz passt ihr Rentenniveau alle zwei Jahre per Gesetz an, wobei die Preisentwicklung und die Lohnentwicklung jeweils mit einem Faktor von 0,5 berücksichtigt werden.
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"Eine Reform des deutschen Systems in Richtung Inflationsanpassung würde die Finanzierung erleichtern, da Bestandsrenten über die Zeit weniger stark steigen würden als im aktuellen System", heißt es im Aufsatz.
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