Riester- und Basis-Rente: „Die Kritik von Finanzwende ist nicht neu“
Riester- und Basis-Renten bieten kaum Kundennutzen, so das zentrale Ergebnis einer Erhebung von Finanzwende und Axel Kleinlein. Wie gerechnet wurde und was davon zu halten ist.
„Wir konnten keinen Kundennutzen feststellen“, fassten Britta Langenberg (Finanzwende) und der Aktuar Axel Kleinlein die Ergebnisse einer von ihnen angestellten Untersuchung von Riester- und Basis-Renten zusammen. Bei dem Begriff ‚Kundennutzen‘ orientieren sich beide an den ‚Wohlverhaltensregeln’ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Vorgaben aus Brüssel umsetzen.
Die BaFin versteht unter Kundennutzen, dass insbesondere fondsgebundene Produkte „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen realen Anlageerfolg erzielen“. Gemeint ist eine Rendite nach Kosten, die oberhalb der begründeten Inflationserwartung liegt. Damit ist auch klar: Je höher die Kosten, desto schwieriger wird es, eine reale Rendite überhalb der Inflation zu erreichen. Versicherer müssen diese Effektivkosten gegenüber den Kunden in Produktinformationsblättern (PIB) ausweisen, um anzuzeigen, wie die jährliche Rendite durch Kosten gemindert wird.
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So rechnete Finanzwende
Das war der Ansatzpunkt für die Finanzwende-Erhebung. Sie hat - vereinfacht gesagt - die Effektivkosten aus den PIB hochgerechnet. Dafür wurden 100 Euro Monatsbeitrag über 30 Jahre unterstellt. Finanzwende schreibt dazu: „Geprüft wurden staatlich geförderte Versicherungsanlageprodukte auf Basis der Daten in den offiziellen Muster-Produktinformationsblättern, die im August 2023 erhoben wurden. Bei 22 Riester-Angeboten und 89 Rürup-Rentenversicherungen wurde untersucht, in welchem Maße sie einen Mehrwert für Vorsorgesparer*innen bieten.“ Und weiter: „Um die Leistungsfähigkeit der Angebote zu messen, werden reine Produktrenditen ermittelt. Etwaige individuelle Vorteile aus Zulagen oder Steuervorteilen sind hier nicht berücksichtigt.“ Renditen wurden für zwei Musterfälle berechnet. Zum einen die mögliche Rendite zum Ende der Sparzeit; die angenommene Wertentwicklung entspricht dabei der Chance-Risiko-Klasse des Produktes. Zum anderen die Rendite in der Rentenzeit / Gesamtvertrag. Finanzwende schreibt dazu: „Die Renditen ab Rentenbeginn wurden versicherungsmathematisch auf Basis der erwarteten Rentenauszahlungen unter Berücksichtigung der Sterbetafel DAV04R (2. Ordnung) für ein Kollektiv ermittelt. Eine Tafel 2. Ordnung ist eine realistischere Sterbetafel ohne ausdrückliche Sicherheitsmargen. Bei den Auszahlungen wurde eine jährliche Rentensteigerung von 2 Prozent aus Überschussbeteiligung berücksichtigt. Ausgenommen sind Tarife, die aufgrund von auffällig hohen Rentenfaktoren oberhalb von 28,45 nahelegen, dass dort bereits im Rentenfaktor eine Überschussbeteiligung einkalkuliert ist.“
Die Befunde von Finanzwende:
- Über die Gesamtvertragszeit betrachtet, seien die möglichen Renditen mager. Keines der untersuchten Produkte würde zwei Prozent Rendite erreichen.
- Gab es Rendite-Erfolge in der Sparphase, werden diese in der Rentenphase ‚verhagelt‘.
- Um auf die eingezahlten Beiträge (inflationsbereinigt) zu kommen, müssten Riester-Kunden 99 Jahre alt werden. Wer eine Rürup- bzw. Basisrente abgeschlossen hat, 100 Jahre.
Finanzwende kommt zu dem Schluss, dass zu hohe Kosten die Erträge in der Sparphase mindern. In der Rentenphase würde die hohe Lebenserwartung, mit der Versicherer rechnen, die Rendite schmälern.
Ergebnisse, die niemanden überraschen
Tatsächlich ist es Aktuar Axel Kleinlein mit Vorlegen dieser Musterberechnungen gelungen, die eigenen Thesen zu belegen. Denn bereits auf der „Insurance Today and Tomorrow“ im September vergangenen Jahres sagte Kleinlein die Ergebnisse seiner eigenen Berechnungen präzise voraus: „Bei einer 30 Jahre laufenden Basisrente verbleiben, selbst bei einer angenommenen Verzinsung von fünf Prozent, nach Abzug der Kosten noch nicht einmal zwei Prozent als Sparrendite bei den Kunden“, so Kleinlein damals. Noch dramatischer sei die Situation, wenn man - wie es die BaFin will - auch die Verrentung mit einbezieht: „Eine Kundin, die eine durchschnittliche Lebenserwartung hat, wird bei diesem Produkt selbst inklusive Überschüssen nur das eingezahlte Geld zurückbekommen. Bei einem Mann sieht das noch schlechter aus, da der durchschnittlich ein paar Jahre früher verstirbt.“
Auch die zweite wesentliche Erkenntnis der Studie, dass die Verrentungsphase stärker in den Blickpunkt von Aufsicht und Kunden rücken muss, konnte man bereits im Sommer 2023 aus Stellungnahmen von Kleinlein herauslesen (Versicherungsbote berichtete).
Insofern wundert auch das Statement nicht, dass Versicherungsbote von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) zu den Berechnungen von Finanzwende einholte. Deren Vorstandsvorsitzender Dr. Max Happacher schrieb: „Die Kritik von Finanzwende ist nicht neu. Ohne an dieser Stelle auf jedes Detail einzugehen: Fakt ist, dass die Lebenserwartung und damit die Dauer des Rentenbezugs der Bevölkerung steigen. Das besagen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes eindeutig – übrigens selbst in der Prognosevariante, die diesen Effekt noch am geringsten einschätzt (V1). Die Wahrscheinlichkeit für Jahrgänge, die in das Erwerbsleben einsteigen, teilweise deutlich älter als 85 zu werden, ist äußerst hoch. Daher gilt es, bei staatlich geförderter privater Altersvorsorge mehr als nur das Renditepotenzial anzusetzen, wenn man vom Kundennutzen spricht. Eine lebenslange Altersrente stellt sicher, dass nicht plötzlich das Geld ausgeht, wenn noch für einen großen Teil der Bevölkerung mehrere Jahre Leben mit allen damit einhergehenden Kosten bevorstehen. Sie ist wichtig zur Lebensstandardsicherung und zur Bekämpfung von Altersarmut. Eine solche Rente wiederum ist nur durch das Versichertenkollektiv abzubilden.“
Die Argumente ‚Sicherheit‘ und ‚Absicherung des Langlebigkeitsrisikos’ sind Finanzwende und Axel Kleinlein bekannt. Und auch die Aufsicht erkennt in ‚Sicherheit‘ Kundennutzen. Doch aus Sicht von Finanzwende wird diese Sicherheit „zu teuer erkauft“, wie Britta Langenberg bei der Präsentation der Studie sagte.
Die Verbraucherschützer plädierten dafür, auch andere Verrentungs- und Auszahlmodelle bei staatlich geförderten Altersvorsorge-Produkten zuzulassen. Finanzwende schließt die Ausführungen mit der rhetorischen Frage: „Warum sollte es für Rentenverträge, die gefördert werden wollen, nicht ebenfalls qualitative Anforderungen geben?“
Zumindest im Ansinnen treffen sich an dieser Stelle Verbraucherschützer und Deutsche Aktuarvereinigung. Denn auch die Versicherungsmathematiker sehen nach wie vor Reformbedarf bei der staatlich geförderten Altersvorsorge: „Ein Punkt ist, dass die bestehenden hohen administrativen Aufwände bei Riester-Anbietern große Verwaltungskosten verursachen. Das muss in der Kalkulation von Riester-Tarifen ausgeglichen werden im Vergleich zu den nicht förderfähigen Tarifen, was wieder zu niedrigeren Verrentungsfaktoren führt. Hier gibt es eindeutig Verbesserungspotenzial in Sachen Bürokratieabbau. Hinzu kommt, dass für bessere Renditechancen abgesenkte Garantien ermöglicht werden sollten, die günstig zu finanzieren sind und die Anlagemöglichkeiten in Hinblick auf Sachwerte erweitern.“
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Die Forderungen aus der Versicherungsbranche und der Verbraucherschützer richten sich letztlich an die Adresse des Bundesfinanzministeriums. Dort stellte man sich die Aufgabe, die Ergebnisse der ‚Fokusgruppe Altersvorsorge‘ im Laufe des Jahres 2024 in ein Gesetzgebungsverfahren einzubringen.
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