Geht es um Produktentwicklung, um die Durchführung relevanter Berechnungen und die Tarifgestaltung von Versicherungen sind Aktuarinnen und Aktuare die entscheidenden Personen in Versicherungsunternehmen. Daher muss die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien für Versicherer wesentlich von ihnen geprägt werden, wenn Produkte zukünftig auf fundierter Grundlage ein Nachhaltigkeitslabel tragen sollen.

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Über den Tellerrand schauen

Die Taxonomieverordnung des Europäischen Parlaments und des Rates dreht sich um ökologische Nachhaltigkeit. Im Kontext der Sachversicherung liegt der Schwerpunkt allerdings eindeutig auf der Bewältigung der Folgen des Klimawandels und nicht auf der Minderung der Treibhausgasemissionen. Dennoch ist auch das Bestreben im Markt zu beobachten, durch Selbstverpflichtungen über die reine Taxonomieanforderung hinauszugehen und sich Gedanken zu machen, wie auch die Versicherer mehr in Richtung Klimaschutz hinwirken können; etwa in der Sachversicherung, die von den Folgen stark beeinflusst ist. Aber worauf kommt es an, wenn man einen so unspezifischen Begriff wie „Nachhaltigkeit“ in eine konkrete Umsetzung überführen möchte? Hier hilft es, mögliche Ansätze in sechs Kategorien zu unterteilen, die im Folgenden vorgestellt werden sollen.

Kategorisierung in Sachen „Nachhaltigkeit“

  1. Eine Frage ist es, wie Anreize beim Kunden geschaffen werden können, offiziell als nachhaltig gelabelte Produkte versichern zu lassen. Beispiel könnte die Versicherung einer Photovoltaikanlage sein.
  2. Preisaufschläge oder gegebenenfalls Ausschlüsse von Kunden, die nicht nachhaltige Geschäftsmodelle verfolgen, können ebenfalls eine Rolle spielen.
  3. Ein weiterer Aspekt sind spezifisch auf stärkere Folgen des Klimawandels ausgerichtete Versicherungen. Insbesondere solche gegen Naturkatastrophen wie Starkregenereignisse (sog. Elementarschadenversicherungen).
  4. Ergänzt werden können Produkte mit der vierten Kategorie, die leistungsbezogene Services oder Mehrleistungen im Schadenfall beinhaltet. Dazu gehört etwa die zusätzliche Deckung für (nachhaltige) Reparaturen oder den Ersatz durch umweltfreundlichere Alternativen.
  5. Ganz wichtig auch in Kombination mit Versicherungsprodukten sind Anreize zur Schadenverhütung als Teil der Versicherungsleistung. Dabei kann es um Leistungen im Zusammenhang mit eingetretenen Schäden, aber auch und insbesondere um proaktive, bzw. präventive Maßnahmen gehen.
  6. Ebenfalls nicht unter den Tisch fallen sollte die eher weiter gefasst Kategorie des direkten Umwelt- und Naturschutzes sowie von Spenden der Versicherer für nachhaltige Projekte, die das gewünschte Verhalten der Versicherungsnehmenden fördern.

Nachhaltige Preisgestaltung mit kundenorientiertem Fokus

Gerade diese sechs genannten Punkte tragen aller Voraussicht nach zu einem erwartbaren Phänomen bei: Eine nachhaltige Produktpreisgestaltung kann anfänglich zu höheren Prämien führen. Das hat schlicht und ergreifend damit zu tun, dass zusätzliche Kosten anfallen, der Versicherungsschutz erweitert wird oder steigende Schadenkosten durch Naturkatastrophen zu erwarten sind. Um diese Erhöhungen abzumildern, müssen Anreize zur Schadenreduzierung geschaffen und beispielsweise über Selbstbeteiligungen gefördert werden, die sich in ihrer Höhe am Ausmaß der Präventionsmaßnahmen orientieren. Das ist allein schon deshalb wichtig, weil Prävention das mit Abstand wichtigste Mittel zur Vermeidung von Schäden, finanziellem Aufwand und menschlichem Leid ist. Langfristig erwarten wir aber auch Preisvorteile für Kunden, die sich für nachhaltige Produkte entscheiden. Immerhin geht die Wahl eines nachhaltigen Produkts auch mit verantwortungsvollem Handeln und einem ausgeprägten Willen zur Schadensvermeidung einher. Die erst jungen nachhaltigen Produkte bieten zwar noch keine ausreichend gesicherte Möglichkeit, einen versicherungsmathematischen Nachweis dieser Erwartungshaltung zu liefern. Aber das wird sich in den kommenden Jahren rasant ändern.

Bewältigung von Datenproblemen bei der Risikopreisgestaltung

Hierfür braucht es nämlich Daten und valide Modelle. Heute stellt das Thema Daten noch einen gewissen Engpass dar. Schwierigkeiten bereiten etwa die Ausweitung der Deckung, die Bewertung veränderter oder neuer Schadensmuster, die Vorhersage von Veränderungen im Kundenverhalten, die Betrugsanfälligkeit und die Verschiebung der Nachfrage nach bestimmten Versicherungsangeboten. Versicherungsmathematikerinnen und -mathematiker müssen Hypothesen formulieren, diese analysieren und relevante Daten nutzen, um solche Herausforderungen zu meistern. Die Einbeziehung von externen Datenquellen wie Smart-Home-Anwendungen, Apps, intelligenten Zählern und detaillierten Gebäudedaten in die Analysen wird die traditionellen Preisfindungsmethoden dauerhaft verändern.

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Fazit

Manches steckt im Bereich der Nachhaltigkeit noch in den Kinderschuhen. Es bieten sich zahlreiche Steuerungsmöglichkeiten an, um Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen und entsprechende Produkte ausgestalten zu können. Zunehmend stärker rückt dabei die Risikobeurteilung „nachhaltiger“ Kunden in den Vordergrund. Aber gerade hier ist eine angemessene und belegbare Datenlage vonnöten, die sich auch aus Quellen bedient, die bisher kaum zur Verfügung stehen. Das ist einer der größten Nachholbedarfe zu mehr Nachhaltigkeit in der Sachversicherung.