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Am heutigen Dienstag traten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gemeinsam vor die Presse, um ihre Pläne für eine Rentenreform vorzustellen. Die wichtigsten Details zum sogenannten „Rentenpaket II“ waren bereits im Vorfeld öffentlich geworden, doch beide nutzten die Bühne noch einmal, um Details zu erläutern - und ihr Vorhaben zu verteidigen. Denn bereits im Vorfeld hatte es heftige Kritik gegeben, bis hin zu der Aussage der Wirtschaftsweisen Ulrike Malmendier, die Reform werde das Rentensystem „in den Abgrund führen“.

Kern der Reform sind zwei Maßnahmen: zum einen soll das Rentenniveau langfristig beim aktuell geltenden Minimalwert von 48 Prozent stabilisiert werden. Bisher gilt diese Untergrenze bis zum Jahr 2025 - nun soll sie bis 2039 festgeschrieben werden. "Menschen müssen sich auch in Zukunft auf die gesetzliche Rente verlassen können", sagte Heil. Und wies Stimmen zurück, die forderten, dass das Rentenniveau nicht gesichert werden solle, weil dies jüngere Generationen zahlen müssten. Im Gegenteil: Die Stabilisierung der Renten würde auch den jüngeren Generationen nützen. „Wenn die Jüngeren immer mehr einzahlen, aber nichts mehr rausbekommen, dann brechen wir den Generationenvertrag“, sagte Heil.

Punkt zwei ist das Generationenkapital, vorgestellt von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Bisher fließen die Beiträge der Beschäftigten direkt in die Renten der Ruheständler, abgesehen von einer Notreserve - in einer alternden Gesellschaft, in der es immer mehr Rentnerinnen und Rentner gibt, ist das ein Problem. Nun soll ein Kapitalstock die Rente zusätzlich stabilisieren. Das Problem: Dieser Stock wird auf Pump finanziert, über ein Darlehen des Bundes. Allein die Rendite soll genutzt werden, um zukünftige Beitragszahler zu entlasten. Mehrere Fragesteller sprachen Lindner in der Fragerunde auf diesen Umstand an: und bezweifelten, dass die erzielte Rendite ausreichend hoch ausfallen wird.

Mit dem Generationenkapital werde nun eine dritte Säule der gesetzlichen Rente geschaffen, erklärte Lindner: zusätzlich zu den Beiträgen der Rentenversicherten und den Bundeszuschüssen. Der Bundeshaushalt unterstütze die gesetzliche Rentenversicherung aktuell mit über 110 Milliarden Euro jährlich, sagte Lindner, das entspreche fast einem Viertel des Bundeshaushalts. Nun werde erstmals eine kapitalgedeckte Komponente in die Finanzierung der Rente eingeführt, dies bedeute einen „Paradigmenwechsel“.

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KENFO soll Generationenkapital übergangsweise betreuen

Lindner nannte weitere Details, die inzwischen auch auf der Website des Bundesfinanzministeriums erläutert werden. So soll eine eigene Stiftung („Stiftung Generationenkapital“) gegründet werden, die das Geld auf dem Finanzmarkt anlegt und verwaltet. Zunächst soll aber der KENFO das Generationenkapital übergangsweise betreuen. Dabei handelt es sich um eine 2017 gegründete Stiftung des öffentlichen Rechts mit der Aufgabe, Gelder anzulegen, die Atomkraftbetreiber für die Entsorgung von Atommüll bereitgestellt haben.

"Langfristig gut angelegtes Geld"

Lindner wies auf eine Frage hin Vorwürfe von Ökonomen zurück, das Generationenkapital komme zu spät und sei nicht ausreichend. „Das ist noch nicht die alleinige Lösung für die Herausforderung der langfristigen Finanzierung der Rente, aber ein erster Schritt“, sagte der 45jährige.

Doch Lindner wehrte sich auch gegen Kritik aus einer anderen Richtung. Sahra Wagenknecht hatte das Generationenkapital am Dienstag gegenüber dpa als „Casino-Rente“ bezeichnet und eine Volksabstimmung darüber verlangt. Christian Lindner griff diese Äußerung auf - und deutete an, dass da Vorurteile gegen Kapitalmärkte und Aktieninvestment mitschwingen. „Ich möchte bewusst eine Debatte anstoßen, was auf den Kapitalmärkten möglich ist. Die ersten Reaktionen, Casino zum Beispiel, zeigen, dass manche den Deutschen auch die Kapitalmärkte vorenthalten wollen“, sagte Lindner in der Pressekonferenz. Er verwies darauf, dass der Fonds die anvertrauten Gelder breit diversifiziert anlegen solle, folglich vergleichsweise risikoarm. Das sei "langfristig gut angelegtes Geld“. Dass die Vermögen in Deutschland so ungleich verteilt seien, sei auch eine Folge davon, dass zu wenige Menschen an den Kapitalmärkten partizipieren, positionierte sich Lindner.

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Zunächst sollen im Jahr 2024 zwölf Milliarden Euro als Darlehen an KENFO fließen, wie Lindner erläuterte. Diese Summe soll dann dynamisiert und jährlich um drei Prozent erhöht werden. Ab 2028 schließlich sind jährlich 15 Milliarden Euro für das Generationenkapital vorgesehen.

Auf diese Art soll bis Mitte der 2030er Jahre ein Generationenkapital von 200 Milliarden Euro angespart werden, wobei der Finanzminister extra noch einmal hervorhob, dass lediglich die Erträge dafür verwendet werden sollen, die Rentenversicherung zu stabilisieren. Jährlich sollen dann ab 2036 zehn Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um den Rentenbeitrag zugunsten der Beschäftigten zu entlasten. Die Gelder würden "politikfern angelegt" und unabhängig verwaltet, hob Lindner hervor - der Staat solle so keinen Zugriff darauf haben, um anderweitig leere Kassen zu füllen. Hinsichtlich der zu erwartenden Rendite stütze man sich auf „die jahrelange Erfahrung an den Kapitalmärkten. Im Übrigen kann kein Bürger etwas verlieren - das Generationenkapital ist zusätzlich.“

Auf Nachfrage bestätigte Lindner, dass auch Bundesbeteiligungen an das Generationenkapital übertragen werden sollen, "die nicht im öffentlichen Interesse sind". Welche das sind, konnte er nicht benennen. Auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums heißt es hierzu, der Bund könne "Eigenmittel in Form von Barmitteln und Vermögenswerte an das Generationenkapital übertragen." Die Bundesregierung wolle zudem umfangreiche Berichtspflichten zum Generationenkapital bis zum Jahr 2029 festschreiben, erklärte Lindner, „die ehrliche Evaluation und auch Modifikationen erlauben“.

Weitere Reformschritte angekündigt

Doch wie sieht es mit einer Reform der privaten und betrieblichen Altersvorsorge aus? Aufmerksamen Beobachtern muss aufgefallen sein, dass es hierzu keine Reformvorschläge gab. Christian Lindner wurde gefragt, ob auch eine Riester-Reform geplant sei und ob es einen Staatsfonds nach schwedischem Vorbild geben soll, der es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, individuell einen Kapitalstock anzusparen. Hier bestätigten Heil und Lindner, dass noch in diesem Jahr entsprechende Reformvorschläge kommen sollen. Das sei keine Riester-Reform, sondern es gehe darum, „die betriebliche und private Altersvorsorge attraktiver zu machen“, sagte Lindner. Das schließe auch mögliche Alternativen zur Riester-Rente ein.

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Hubertus Heil hob hervor, dass ein wesentlicher Baustein für eine zukunftssichere Rente ein funktionierender Arbeitsmarkt sei. Hier habe die Bundesregierung bereits Reformen angeschoben, etwa ein Gesetz, um die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland zu erleichtern. Die zweite Stufe des neuen Fachkräfte­ein­wan­der­ungs­­ge­setz­es trete bereits im März in Kraft, es sieht unter anderem eine leichtere Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen vor.

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