Warum fusionieren Unternehmen? Die Schlagworte sind schnell zur Hand: Stellenabbau, Kosteneinsparungen, Gewinnmaximierung. So zumindest dem Klischee nach. Denn glaubt man Oliver Schoeller, Vorstandschef der Gothaer, und Andreas Eurich, CEO der Barmenia, fusionieren ihre beiden Versicherer aus einem anderen Grund. „Wir wollen wachsen, nicht sparen“, sagt Eurich dem „Handelsblatt“.

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Im September 2023 haben die Gothaer und die Barmenia bekanntgegeben, dass sie fusionieren wollen: und damit für viel Aufsehen in der Branche gesorgt. Bedenken von Beschäftigten, ihr Arbeitsplatz sei vakant, trat man entgegen, indem eine Beschäftigungsgarantie ausgesprochen wurde: zunächst für drei Jahre. Schon damals kommunizierten beide Versicherer, dass sie gemeinsam eine neue Marktstellung anstreben. Man wolle in die Top Ten der deutschen Assekuranzen aufrücken.

In einem gemeinsamen Pressetext berichten nun beide Unternehmen, dass die Due Diligence abgeschlossen sei: stark vereinfacht folglich die strukturelle Prüfung der Unternehmen und ihrer Einheiten. „Die Ergebnisse haben uns in unserem gemeinsamen Vorhaben noch einmal bestärkt“, erklären Schoeller und Eurich. Zudem gebe es mittlerweile konkrete Überlegungen zu der Struktur des gemeinsamen Unternehmens und zum weiteren Vorgehen.

An der Spitze des Konzerns sollen künftig zwei Versicherungsvereine stehen, darunter die Barmenia.Gothaer Finanzholding AG. Aktionäre der Finanzholding seien der „Barmenia Verein auf Gegenseitigkeit“ und die „Gothaer Versicherungsbank auf Gegenseitigkeit“, berichtet das Handelsblatt. Während die Stimmrechte bei je 50 Prozent liegen, solle die Kapitalbeteiligung nach der Ertragsperspektive bestimmt werden.

Lebens- und Krankenversicherer sollen zusammengeführt werden

Trotzdem wird es Veränderungen im Konzern geben, die Kundinnen und Kunden zumindest indirekt spüren könnten - zum Beispiel durch neue Ansprechpartner. So sollen die Personenversicherer im künftigen gemeinsamen Konzern in einem mehrstufigen Plan zusammengeführt werden. „Im ersten Schritt sollen noch in diesem Jahr die beiden Lebensversicherer zusammengeführt werden. Konkret heißt das, dass die gesamten Bestände der Barmenia Lebensversicherung a.G. auf die Gothaer Lebensversicherung AG übertragen werden sollen“, berichtet Eurich. Davon wären circa 276.000 Leben-Kunden der Barmenia betroffen.

Sobald dieser Schritt vollzogen sei, solle die Barmenia Lebensversicherung a.G. auf die Barmenia Versicherungen a.G. verschmolzen werden, heißt es weiter. Dadurch gäbe es dann oberhalb der Holding auch nur noch einen Versicherungsverein auf Seiten der Barmenia statt wie bisher zwei. Die relevanten Gremien und Behörden müssen dem noch zustimmen.

Im nächsten Schritt soll dann die Gothaer Krankenversicherung AG auf die Barmenia Krankenversicherung AG verschmolzen werden. Dies soll in enger Abstimmung mit der BaFin geschehen. „Die Erfahrung aus anderen Fusionen zeigt, dass wir hier über einen Zeitraum von etwa drei Jahren bis zur tatsächlichen Verschmelzung reden. Für unsere Vertriebspartnerinnen und -partner ändert sich erst einmal nichts, sie können die Produkte der Gothaer Kranken also weiter anbieten,“ sagt Schoeller. Betroffen seien rund 700.000 Krankenversicherte der Gothaer.

Nach aktueller Planung soll der Zusammenschluss noch in diesem Jahr, voraussichtlich Ende des dritten oder Anfang des vierten Quartals, vollzogen werden, teilen beide Versicherer weiter mit. Auch hier gelte der Vorbehalt, dass die Aufsichtsräte, Mitgliedervertretungen und Hauptversammlungen beider Häuser sowie die BaFin und das Kartellamt zustimmen.

Zwei Versicherer mit unterschiedlichen Schwerpunkten

Mit den beiden Versicherern bündeln zwei Gesellschaften ihre Kräfte, die recht verschieden aufgestellt sind. Die Gothaer ist mit Beitragseinnahmen von 4,6 Milliarden Euro (2022) größer als die Barmenia mit 2,8 Milliarden Euro. Während die Barmenia vor allem im Krankenversicherungs-Geschäft stark aufgestellt ist, drei Viertel der Beiträge stammen aus dieser Sparte, ist die Gothaer vor allem in der Firmen-, Sach- und Lebensversicherung stark. Entsprechend erklären sich auch die Übertragungen der Bestände.

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Wirtschaftlich notwendig sei die Fusion nicht, wie die Vorstände versichern. Viel mehr gehe es um Wachstumschancen und bessere Verhandlungspositionen. Mit dem Zusammenschluss werde man die Wettbewerbs- und Marktposition deutlich ausbauen und unter die Top 10 in der deutschen Versicherungsbranche aufrücken. „Unseren Vertriebspartnerinnen und -partnern können wir künftig ein sehr ausgewogenes Produktportfolio anbieten und werden unsere Resilienz und unsere Risikotragfähigkeit weiter stärken. Zudem steigern wir mit dem Zusammenschluss unsere Investitionskraft", heißt es hierzu im Pressetext.