Gewährleistung der Versorgungssicherheit

Die disruptiven Ereignisse der vergangenen zwei Jahre haben dazu geführt, dass in Deutschland nach vielen Jahren der Ruhe wieder intensiv über die Energieversorgung diskutiert wurde. Stadtwerke und Versorgungsunternehmen sind ein wichtiger Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und wesentliche Akteure bei der Bewältigung dieser Problemstellung. Im schlimmsten Fall führt der Ausfall von technischen Anlagen dazu, dass die Versorgungssicherheit nicht mehr gegeben ist. Kommunale Versorgungsunternehmen haben beim Ausbau der erneuerbaren Energien zudem eine Vorreiterrolle.

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Risiko- und Versicherungsmanagement

Eine besondere Bedeutung erhält deshalb auch der Bereich des Risiko- und Versicherungsmanagements für jene öffentlichen Institutionen. Der Großteil der vorhandenen Unternehmensrisiken kann von kommunalen Versorgungsunternehmen selbst beherrscht werden. Ein weiterer Teil der betrieblichen Risiken (potenzielle Sach- und Vermögensschäden) wird hingegen im Regelfall auf Versicherungsgesellschaften transferiert, und zwar vornehmlich in Bereichen, wo dies wirtschaftlich und organisatorisch sinnvoll ist.

Nahezu flächendeckend besteht Versicherungsschutz in der Feuer-/EC-Versicherung sowie Betriebsunterbrechungsversicherung, in der Kfz-Versicherung und den weiteren Absicherungen von Vermögensschäden wie D&O-Versicherung, Straf-Rechtsschutzversicherung und Vermögenseigenschadenversicherung. In den letzten Jahren hat auch die Nachfrage nach Cyberversicherungen bei diesen Kunden stark zugenommen.

Dustin Franke; Gesellschafter bei Elmar Sittner Risikomanagement und Versicherungsberatung GbR

Werke mit wertintensiven und komplexen technischen Anlagen (zum Beispiel Energieerzeugungsanlagen) verfügen in der Regel auch über umfangreiche technische Versicherungen – wie zum Beispiel Elektronik- und Maschinenversicherungen – und die dazugehörigen Betriebsunterbrechungs- und Mehrkostendeckungen.

Ein wesentlicher Aspekt in der Risikoanalyse und -bewertung stellt die Eigentragungsfähigkeit von Sach- und Vermögensschäden dar. Hierdurch kann der Bedarf nach Versicherungsschutz – einerseits durch den gänzlichen Verzicht auf eine Absicherung und andererseits durch die Vereinbarung von Selbstbehalten – eingegrenzt werden. In der Regel findet man insbesondere in den Versicherungsverträgen zur Sachversicherung, zur Cyberversicherung und zu den Maschinenversicherungen überhaupt Selbstbeteiligungen. Diese sind aus unserer Sicht jedoch meist zu gering. Neben dem Einfluss auf die Prämie führt die Vereinbarung von Selbstbeteiligungen häufig auch zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes in der Schadenbearbeitung beim Versicherungsnehmer.

In der Cyberversicherung sind hohe Selbstbeteiligungen im aktuellen Marktumfeld häufig unausweichlich, sofern Versicherer für Versorgungsunternehmen überhaupt Versicherungsschutz bereitstellen. Bereits ab einem Umsatz von 50 Mio. Euro verbleiben derzeit nicht mehr viele Anbieter, mit denen man überhaupt über eine solche Deckung sprechen kann.

Besonderheiten des Versicherungsmanagements

Je größer ein Versorgungsunternehmen ist, desto schwieriger gestaltet sich zumeist die korrekte Erfassung der Versicherungswerte durch den Versicherungsnehmer und deren kontinuierliche Überprüfung. Dies ist häufig in der Dezentralität und der Vielzahl der einzelnen technischen Anlagen begründet. Aber auch die Vertragsverwaltung und -betreuung im Hause der Kunden ist nicht immer optimal organisiert. In Versicherungsvertragsanalysen findet sich regelmäßig eine Vielzahl von Einzelversicherungsverträgen; zum Beispiel in der Sach- und Maschinenversicherung. Dieser Umstand ist vielfach vom Versicherungsvermittler zu verantworten und kann auf der Kundenseite zusätzlich die Vertragsverwaltung erschweren.

Ebenso häufig findet man Versicherungsverträge, welche die tatsächlichen Risikosituationen der Kunden nur unzureichend abbilden. Beispielsweise sind teilweise technische Anlagen versichert, die es schon seit vielen Jahren nicht mehr gibt bzw. die bereits durch neue ersetzt wurden. Die neuen Anlagen hingegen bleiben unversichert. Aus diesem Grund ist es bei diesen Kundengruppen umso wichtiger, eine Vertragsqualität zu schaffen, die kleine Versäumnisse und Versehen der Kunden auch einmal verzeiht, ohne dass jeder Fehler Einfluss auf die Einstandspflicht der Versicherungsgesellschaften hat.

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Am Beispiel von Stromerzeugungsanlagen wie unter anderem Biogasanlagen oder Blockheizkraftwerken wird erkennbar, dass nicht nur Ertragsausfallschäden (für Erträge, die nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz EEG erzielt werden) denkbar sind, sondern ebenso Mehrkosten entstehen können. Solche Mehrkosten treten auf, wenn die Grundversorgung weiterhin gewährleistet werden muss und für die Schaffung von Interimslösungen oder die Beschaffung der notwendigen Energie zusätzliche Kosten entstehen.

Kaufmännische Risikoanalyse unabdingbar

Besonders betroffen sind die Bereiche der Feuerversicherung und der stationären Maschinenversicherung. In diesem Punkt unterscheidet sich der Versicherungsbedarf von kommunalen Unternehmen im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Institutionen. Gerade wenn es komplexe technische Anlagen wie zum Beispiel auch größere Energieerzeugungsanlagen gibt, weisen Versicherungskonzepte von Energieversorgern deutliche Unterschiede zu Versicherungslösungen für andere industrielle Kunden auf. Hier ist eine sorgfältige technische und kaufmännische Risikoanalyse unabdingbar. Beim Ausfall einer Energieerzeugungsanlage müsste der potenziell auftretende Schaden relativ genau im Voraus ermittelt werden, um zu einer richtigen Versicherungslösung und vor allem zu einer korrekten Versicherungssumme zu gelangen. Versicherer wollen hier zum Beispiel die sogenannten Ausfallziffern wissen. Vereinfacht gesagt: Wenn zum Beispiel bei einem Blockheizkraftwerk, das über vier Gasmotoren verfügt, nur ein Motor ausfällt, so wird die Ausfallziffer 25 Prozent betragen. Ereignet sich der Schaden aber auf der nachgelagerten Sammelschiene oder beim Generator, so fällt die Energieerzeugung in Gänze aus und die Ausfallziffer beträgt 100 Prozent. Dies wirkt sich auf die notwendigen Versicherungssummen sowie Prämien aus.

Bei solchen Energieerzeugern werden auch nicht nur zeitabhängig entstehende Ertragsausfälle oder Mehrkosten entstehen, sondern es kann durchaus sein, dass auch ein kurzer Ausfall zu einem sehr hohen Schaden führt. Dies liegt in den Besonderheiten der Strombeschaffung und der Berechnung der Netznutzungsentgelte in Deutschland. Diese Zusammenhänge muss der Berater genauestens kennen, um zu einer passgenauen Versicherungslösung gelangen zu können. Tut er dies nicht und es kommt anschließend zu einem nicht versicherten Schaden, stellt sich möglicherweise die Frage nach der Haftung des Vermittlers.

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In Versicherungsbereichen wie der Betriebshaftpflichtversicherung und der Kfz-Versicherung besteht Versicherungsschutz in der Regel bei Kommunalversicherern oder über die kommunalen Schadenausgleiche. Diese Institutionen arbeiten regelmäßig allerdings nicht mit Versicherungsmaklern zusammen bzw. bezahlen keine Vermittlercourtagen.

Ausschreibung von Versicherungsleistungen

Ist man bei der Risiko- und Vertragsanalyse zu dem Ergebnis gekommen, dass es erheblicher Änderungen des Versicherungskonzeptes bedarf, stellt sich anschließend die Frage, wie man (der Willen zur gesetzeskonformen Umsetzung hier einmal unterstellt) zu diesem erforderlichen Versicherungsschutz gelangen kann. Da Stadtwerke und andere öffentliche Versorgungsunternehmen grundsätzlich dem Vergaberecht unterliegen, ist die Kenntnis dieser vergaberechtlichen Bestimmungen spätestens zu diesem Zeitpunkt wichtig.

Nach §102 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) handelt es sich bei Tätigkeiten von Energie- und Wasserversorgungsunternehmen um sogenannte Sektorentätigkeiten. Diese öffentlichen Auftraggeber unterliegen der Sektorenverordnung (SektVO). Maßgeblich für die Durchführung einer EU-weiten Ausschreibung des Versicherungsschutzes ist der sogenannte EU-Schwellenwert. Dieser liegt derzeit für Dienstleistungsaufträge bei 443.000,00 Euro netto. Bei Versicherungsverträgen von unbestimmter Dauer (Versicherungsverträge mit Verlängerungsklausel) ist ein 4-Jahreszeitraum zu betrachten. Das bedeutet, dass bei einer zu erwartenden Jahresprämie eines zukünftigen Versicherungsvertrages von 110.750,00 Euro der Schwellenwert (mehrere Lose werden addiert) erreicht ist und eine EU-Ausschreibung der Versicherungsleistung gesetzlich vorgeschrieben ist.

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Ausblick

Bereits im vergangenen Jahr waren bei der Neuausschreibung von Risiken in der Sachversicherung leicht gestiegene Prämiensätze erkennbar. In der Cyberversicherung erfordert die Risikoplatzierung höhere Kraftanstrengungen als noch in den Jahren zuvor. Auch der grundsätzliche Wissensdurst der Versicherer zu den weiteren Versicherungssparten nimmt zu. Schlussendlich wird die Komplexität in der Beratung weiter steigen. Ein ausgeprägtes Know-how des Vermittlers, insbesondere für die technischen Zusammenhänge, ist hierfür unabdingbar.

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