"Die Versicherungswirtschaft kann das Risiko allein tragen"
Ein Argument der Versicherungswirtschaft gegen eine „Einheitsprämie“: Schon jetzt werde zu viel in gefährdeten Regionen gebaut und an Prävention gespart. Das könnte sich verschärfen, wenn praktisch jedes Haus versichert ist, sodass dann noch mehr in Hochrisiko-Gebieten gebaut werde. Eine berechtigte Sorge? Wie müsste eine Versicherungspflicht mit Prävention begleitet werden?
- „Bei Elementarschäden sprechen wir nicht selten von Totalschäden“
- obligatorische Elementarschadenversicherung: 190 Euro im Jahr
- "Die Versicherungswirtschaft kann das Risiko allein tragen"
Wenn man bei einer Pflichtversicherung tatsächlich von einer Einheitsprämie ausgehen würde, sehe ich die Gefahr eines mangelnden Anreizes zur Prävention ebenfalls. Aus meiner Perspektive ist es daher entscheidend, dass der Grundgedanke einer Pflichtversicherung darin besteht, jedem einen garantierten Schutz im Schadensfall zu bieten. Durch den Nachweis von Präventionsmaßnahmen oder die Bereitschaft, einen Teil des Schadens in Form eines Selbstbehalts selbst zu tragen, sollten entsprechende Prämiennachlässe gewährt werden.
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Wie bewerten Sie die Gründung von Elementarschadenpools, vielleicht sogar unter Beteiligung des Staates? Werden solche Konstrukte sogar notwendig, weil zunehmende Unwetterrisiken sich zunehmend als Kumulrisiko entpuppen könnten?
Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass das Risiko von der Versicherungswirtschaft alleine getragen werden kann. Die Rückversicherer geben an, dass bei adäquaten Preisen ausreichende Kapazitäten verfügbar sind. Allerdings werden höhere Selbstbehalte gefordert, was wiederum die Solvabilität der Versicherer belastet. Möglicherweise könnten sich auch mehrere mittelständische Versicherer zusammenschließen, um in einem Pool nicht nur Statistiken auszutauschen, sondern gemeinsam Rückversicherung einzukaufen oder die Elementarschäden gar zusammen in einem Risiko-Pool zu tragen.
MSK hat mit „Rain Chaser“ ein eigenes Starkregen-Modell entwickelt, das sich von dem des GDV unterscheidet. Weshalb ist das aus Ihrer Sicht notwendig bzw. vorteilhaft? Wo genau liegen die Unterschiede?
Insbesondere Starkregenereignisse treten lokal sehr zufällig auf und betreffen oft Gebiete, in denen in der Vergangenheit noch nie Schäden beobachtet wurden. „Noch nie“ bedeutet hier in den letzten 50 Jahren - solange reichen maximal valide Schadenaufzeichnungen zurück. Dies hat uns dazu veranlasst, einen Ansatz zu entwickeln, der ohne Berücksichtigung historischer Wetterereignisse oder Schadenhistorien arbeitet.
Wir simulieren den vollständigen Wasserabfluss bei extrem starkem Regen basierend auf einem äußerst präzisen digitalen Höhenmodell. Auf diese Weise identifizieren wir Gebäude, bei denen sich im Falle eines solchen Ereignisses besonders viel Wasser ansammeln würde. Wir haben festgestellt, dass es im Ahrtal Adressen gab, die nach den gängigen Zonierungsmodellen vor dem Hochwasserereignis dort noch nicht als besonders gefährdet eingestuft waren. Jedoch hat unser Modell diese Adressen bereits ohne Kenntnis des Schadens im Sommer 2021 als äußerst exponiert eingestuft. Versicherer, die die MSK-Starkregenzonierung verwenden, nutzen diese Informationen, um Transparenz über die Risikogefährdung im eigenen Portfolio zu erhalten - zum Beispiel, um den Anteil der versicherten Gebäude zu bestimmen, deren Exposition nach der bisherigen Gefahreneinteilung noch nicht bekannt war; oder um die Regionen mit den größten Kumulrisiken zu identifizieren. Erste Gebäudeversicherer verwenden die alternative Starkregenzonierung auch bei der Prämiengestaltung. Aus unserer Sicht ist die detaillierte Kenntnis der eigenen Risiken ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
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Die Fragen stellte Mirko Wenig
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- obligatorische Elementarschadenversicherung: 190 Euro im Jahr
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