„Alte und unflexible Bestandsführungssysteme in der IT stellen eine große Hürde dar“
Wie kann externe Beratung die Prozesse von Versicherern verbessern? Das erklärt Patrick Dahmen, Managing Partner bei der Unternehmensberatung Valytics, im Gespräch mit Versicherungsbote. Dabei geht es auch psychologische Sicherheit und das Feiern von Erfolgen als Triebfedern für Veränderungen und den idealen Vertrieb 2035.
Versicherungsbote: Mit Ihrer Unternehmensberatung Valytics wollen Sie Versicherern u.a. dabei helfen, die eigenen Prozesse neu zu gestalten. Ist es von außen einfacher, Neues bei Versicherern anzuregen?
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Patrick Dahmen: Unsere Erfahrungen zeigen, dass die von uns betreuten Versicherungsunternehmen über ein hohes Maß an Fachwissen und Kompetenz verfügen. Dennoch kann ein externer Blick dabei helfen, die eigenen Prozesse kritisch zu hinterfragen und durch Best Practices sowie innovative Lösungen die Effizienz und Effektivität deutlich zu steigern. Dabei legen wir besonderen Wert darauf, gemeinsam mit unseren Kunden Lösungen zu entwickeln, die optimal zum Unternehmen passen und von den Verantwortlichen sowie dem Team getragen werden. Durch diese partnerschaftliche Zusammenarbeit können wir sicherstellen, dass die vorgeschlagenen Veränderungen nicht nur erfolgreich umgesetzt, sondern auch langfristig im Unternehmen verankert werden.
„Begeisterung ist die Triebfeder von Veränderung“, sagt Ihr Mitgründer Hans-Joachim Schütt. Wie entfacht man Begeisterung?
Wir betrachten die inneren Ressourcen der jeweiligen Organisation sowie ihrer Mitglieder als fundamentale Basis für erfolgreiche Veränderungen. In diesem Kontext gibt es mindestens drei entscheidende Faktoren.
Sinnhaftigkeit: Die Frage nach dem "Warum" ist für Menschen von grundlegender Bedeutung. Jedes Versicherungsunternehmen, jede Abteilung und jeder Mitarbeiter benötigt eine klare Vision und ein klares Verständnis des Zwecks, um motiviert und fokussiert zu bleiben.
Psychologische Sicherheit: Die Wahrnehmung von Sicherheit spielt eine entscheidende Rolle bei der Reaktion der Mitarbeiter auf Veränderungen. Es ist wichtig, dass alle das Gefühl haben, dass sie ihre Gedanken, Bedenken und Ideen frei äußern können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. Dies schafft eine Umgebung, in der Innovation und Zusammenarbeit gedeihen können.
Erfolge feiern: Das regelmäßige Anerkennen und Feiern von Fortschritten, auch kleine Erfolge, ist unerlässlich, um die Motivation und Begeisterung der Mitarbeiter aufrechtzuerhalten. Dies ist besonders wichtig bei langfristigen Veränderungsprojekten, um das Momentum aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass alle Beteiligten weiterhin engagiert bleiben.
Indem wir diese Faktoren berücksichtigen und aktiv fördern, können Versicherungsunternehmen eine positive und unterstützende Kultur schaffen, die Veränderungen erfolgreich ermöglicht und die persönliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter fördert.
Auf welche Schwierigkeiten kann man als Vorstand stoßen, wenn man grundlegende Veränderungen bei einem Versicherer erreichen will?
Aus meiner eigenen Erfahrung im Vorstand und durch unsere Beratungstätigkeit kann ich sagen, dass die Initiierung grundlegender Veränderungen in Versicherungsunternehmen eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich bringt. Die strengen regulatorischen Anforderungen der Versicherungswirtschaft stellen eine bedeutende Hürde dar. Des Weiteren stellen alte und unflexible Bestandsführungssysteme in der IT eine große Herausforderung dar, da neue Anforderungen an digitale Prozesse bzw. datenbasierte Ansprachen nur mit hohen Investitionen möglich ist. Zum Beispiel kann die Einführung von Self-Services per App oder die Umsetzung von "next best offer"-Strategien durch bestehende IT-Infrastrukturen oder nicht vorhandene Data Analytics Tools deutlich behindert werden.
Die größte Herausforderung, Veränderungen in sozialen Systemen umzusetzen, liegt jedoch bei uns selber – uns Menschen. In der Regel mögen wir keine Veränderungen, da diese mit dem Verlust oder der Veränderung sozialer Beziehungen verbunden sind, so dass wir verschiedene Schutzmechanismen dagegen aufbauen. Die eigene Unternehmenskultur kann hierbei der „wirksamste“ Schutz gegen Veränderungen sein – natürlich mit fatalen Folgen. Es ist daher so entscheidend, genau hier anzusetzen.
Valytics will ‚Vertriebe neu und digital denken‘. Was genau heißt das? Wie stellen Sie sich den ‚idealen Vertrieb 2035‘ vor?
Der ideale Vertrieb richtet sich grundsätzlich nach den Bedürfnissen seiner Kunden aus. Das klingt trivial, ist aber aufgrund des zunehmenden Wunsches nach einem individuell zugeschnittenen Lösungsangebot, einem auf nachvollziehbaren Kriterien basierenden Auswahlprozess und der freien Wahl des Zugangskanals (persönlich /digital) eine enorme Herausforderung. Ein derart individualisiertes Angebot kann nur auf Basis einer entsprechenden Datenanalyse erstellt werden. Diese Datenerhebungen werden heute zum größten Teil noch manuell durchgeführt und kosten viel Zeit. D.h. die Nutzung von teilweise bereits digital vorliegenden Informationen des Kunden und seines Umfeldes führt nicht nur zu einem Effizienz-, sondern auch zu einem Qualitätsgewinn. Da die Produktauswahl das Ergebnis einer vielschichtigen Abwägung verschiedenster Kriterien ist, kommt deren Nachvollziehbarkeit ebenfalls eine besondere Bedeutung zu (Stichwort Glaubwürdigkeit). Dieser Beratungsprozess wird ohne eine digitale Unterstützung, die auch die persönlichen Lebensumstände des Kunden aufgreift und leicht zugänglich macht, nicht auskommen. Gerade hier wird FIDA sicherlich auch einen wichtigen Beitrag leisten.
Last but not least muss dieses Angebot omnikanalfähig zur Verfügung stehen um die persönlichen Kontakt- und Beratungspräferenzen abzudecken. Gerade diese kontinuierliche, datengetriebene Verknüpfung aller Kontaktpunkte mit dem Kunden im Sinne eines Omni-Kanalangebots wird in Zukunft ein sehr zentraler Erfolgsfaktoren sein.