Zur Erinnerung: Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

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Landgericht meinte: schon der Eintritt des versicherten Ereignisses reiche aus

Das Landgericht folgte in seinem Urteil der Ansicht der Kläger, dass schon der Eintritt des versicherten Risikos ausreiche, um die Kostenübernahme der Ersatzwohnung zu begründen: denn so würden nicht kenntnisreiche Versicherungsnehmer die Klausel verstehen. Das Urteil ist schon deswegen erstaunlich, weil es nach diesem Verständnis nicht darauf ankommt, ob das Ereignis auch zu einem von den Versicherungsbedingungen gedeckten Schaden führt. Die Gefahr wäre groß, dass Versicherer für viele Schäden leisten müssten, die sie über die Versicherungsbedingungen ausschließen wollten.

Aufgrund der Deutung der Klausel sprach das Landgericht den Klägern die Kosten für die Unterkunft zu, nicht aber die Kosten für die Gutachten. Die Reinigungskosten wurden zudem auf eine wesentlich mildere Pauschale gerundet: warum zum Beispiel Geschirr gereinigt werden muss, wenn nur Kleide- und Schuhschränke betroffen sind, leuchtete dem Gericht nicht ein. Auch für Zinsen und Gebühren der Kontoüberziehung wurde eine Einstandspflicht verneint – die Kläger konnten nicht beweisen, dass die Kosten nur durch die Ersatzwohnung zustande kamen. Die Kläger hatten demnach zwar nur einen Teilerfolg, aber bekamen immerhin einen hohen Kostenposten zugesprochen.

OLG urteilte in Zweitberufung – und berichtigte den Irrtum des Landgerichts

Trotz des Teilerfolgs gingen die Kläger in Berufung vor dem Oberlandesgericht, da sie viele ihrer Ansprüche nicht erfüllt sahen. Jedoch: auch der Hausratversicherer wollte sich das Urteil nicht gefallen lassen – und ging ebenfalls in Berufung. Und zwar zurecht, wie sich vor dem Oberlandesgericht zeigte: wesentliche Annahmen des Landgerichts waren rechtsirrig. Der Berufung des Hausratversicherers wurde stattgegeben. Die (Erst-)Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken hingegen wurde zurückgewiesen. In der Folge verloren die Kläger auch den Anspruch auf die Kosten der Hotelunterbringung.

Kosten müssen „aufgrund eines Versicherungsfalles“ notwendig geworden sein

Laut Oberlandesgericht besteht kein Zweifel darin, dass die Auslegung der Klausel auch für jene Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse eindeutig ist. Wird doch schon im Einleitungssatz deutlich herausgestellt: um erstattungsfähig zu sein, müssen die Kosten „infolge eines Versicherungsfalles notwendig“ geworden sein. Demnach reicht nicht der Eintritt des Ereignisses aus. Zumal schon eine Überschrift der zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen deutlich herausstellte, dass „versicherte Sachen… durch Leitungswasser… zerstört oder beschädigt werden oder infolgedessen abhanden kommen“.

Auch der Ausschluss der Gebäudeschäden ist deutlich formuliert

Demnach wird auch ein Versicherungsnehmer ohne Spezialkenntnisse annehmen: für nicht versicherte Sachen wird nicht geleistet. Hinzu kommt: Gebäudebestandteile sind eindeutig als „nicht versicherte Sache“ ausgeschlossen, was aus dem Wortlaut der Klausel eindeutig hervorgeht. Dem Versicherungsnehmer ist somit ein Verständnis zuzumuten, nach dem grundsätzlich nur der Hausrat der Wohnung versichert ist, Gebäudebestandteile aber eben nicht.

Folglich schließt das Oberlandesgericht: „Die vom Landgericht geteilte Ansicht der Kläger, wonach es genüge, dass ein versichertes Ereignis – hier: Leitungswasser – im Bereich der Wohnung aufgetreten sei, ohne dass ein Versicherungsfall am Hausrat auch die Entstehung dieser Kosten notwendig gemacht habe, findet in dem – eindeutigen – Wortlaut des hier verwendeten Bedingungswerkes keine Stütze.“ Die Hausratversicherung muss im vorliegenden Fall nicht für die Ersatzwohnung leisten.

Gutachterkosten: nur, wenn zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich

Auch für Gutachterkosten muss die Hausratversicherung nicht leisten: Diese werden nur ersetzt, wenn a) der Versicherer die Gutachten veranlasst hat oder wenn b) die Gutachten zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Beides aber ist nicht der Fall: Die dem Sachverständigen gestellten Fragen, ob die Wohnung infolge eines Versicherungsfalls bewohnbar war, können schon aufgrund der beschränkten Einstandpflicht einer Hausratversicherung nicht zu deren Lasten gehen. Zumal die Beantwortung, ob überhaupt ein Schadenfall für die Hausratversicherung vorliegt, keine besondere Sachkunde erforderte – die Versicherungsbedingungen sind hier ja eindeutig genug.

Hinzu kommt, dass ein wesentlicher Teil der Kosten für die Gutachten eben Gebäudebestandteile betraf (sachgemäße Verlegung von Mosaikfliesen etc.). Und Gebäudebestandteile sind eben nicht durch die Hausratversicherung gedeckt. Das Gerichtsurteil ist auf den Seiten des Bürgerservices des Saarlands verfügbar.

Fazit

Man wird in der Praxis häufiger Situationen vorfinden, in denen umfangreiche Gebäudeschäden eine Kostenübernahme für eine Ersatzwohnung durch die Wohngebäudeversicherung rechtfertigen. Die Hausratversicherung ist in diesen Fällen nicht in der Einstandspflicht – der Eintritt des versicherten Risikos (z.B. Leitungswasserschaden) reicht hierzu nicht aus.

Dennoch sind durchaus auch Situationen denkbar, in denen Hausratschäden so umfangreich sind, dass vorübergehend eine Ersatzwohnung durch den Versicherungsnehmer beansprucht wird: man denke zum Beispiel an umfangreiche Rauch- und Rußschäden durch ein versichertes Ereignis (Explosion etc.).

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Weil Leitungswasserschäden und ähnliche Schäden aber häufig sowohl Gebäude- als auch Hausratschäden verursachen, sollte mit den Bedingungswerken die Einstandspflicht sorgfältig geprüft werden. Ansonsten bleibt man schlimmstenfalls auf den Kosten sitzen – und dies umso mehr nach einem kostenintensiven Rechtsstreit.

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