Wenn Makler aktuell Geschäfte mit der Kompass Group machen, könnte sich die Frage stellen: mit welcher eigentlich? Denn es gibt zwei Unternehmen am Markt mit fast gleich lautendem Namen. Das eine, die Kompass Group, besteht schon etwas länger. Das andere, die Kompass Group Deutschland, wurde relativ frisch gegründet. An der Spitze beider Unternehmen stehen ehemalige Weggefährten, die mittlerweile einen verbitterten Scheidungskrieg gegeneinander führen und sich gegenseitig mit Vorwürfen überziehen. Die Frage ist hier, wem die Kundendaten und -kontakte gehören, eine Einigung im Guten scheint hierbei vorerst ausgeschlossen.

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Die Kompass Group -also die alte- ist ein InsurTech, das sich 2017 gegründet hat und auf Dienstleistungen für Versicherungsmakler und Finanzberater spezialisiert ist. Sie nutzt die aktuelle Marktsituation: Viele Makler sind in einem fortgeschrittenen Alter und werden sich demnächst in den Ruhestand verabschieden, der Altersschnitt der Branche liegt weit jenseits der 50 Jahre. Deshalb kauft die Kompass Group Altbestände auf und veräußert sie weiter. Darüber hinaus wird die Plattform matching.de betrieben, die Maklern die Chance bietet, Versicherungsbestände untereinander zu handeln. Auch Weiterbildungen sind im Angebot. Die Gruppe selbst bezeichnet sich als „am schnellsten wachsender Versicherungs- und Finanzberater“.

Ping Pong sich widersprechender Pressemeldungen

Auf der Seite der „alten“ Kompass Group stehen unter anderem Nicos Pohland, der im April als Chief Restructuring Officer eingesetzt wurde. Und Hans-Gerd Coenen, Aufsichtsratschef der bisherigen Kompass Group AG. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, werfen sie den drei ehemaligen Weggefährten Matthias Schmidt, Marcus Renziehausen und René Fuchs vor, das Unternehmen regelrecht gekapert zu haben. Sie hätten Kundendaten und -bestände an sich gerissen, Administratoren-Rechte genutzt und sich Zugang zu den Datenbanken verschafft, um diese wertvollen Ressourcen mitzunehmen zu ihrer neu gegründeten Firma: der Kompass Group Deutschland.

Tatsächlich hätten Schmidt, Renziehausen und Fuchs eine neue Firma gegründet und ins Handelsregister eintragen lassen, als sie noch Vorstände der „alten“ Kompass Group gewesen seien, berichtet das Handelsblatt weiter: die fast gleich lautende Kompass Group Deutschland AG. Und am 11. April eine Pressemeldung verschickt, in der es hieß, dass sämtliche Geschäfte auf die neue Gruppe übertragen werden.

Fast zeitgleich verschickte auch Hans-Gerd Coenen, Aufsichtsratschef der „alten“ Kompass Group, eine Pressemeldung. Darin hieß es, dass die beiden Vorstände Schmidt und Renziehausen „wegen grober Pflichtverletzungen und Illoyalität“ mit sofortiger Wirkung freigestellt worden seien und folglich nicht mehr der Firma angehören. Wer aktuell die Webseite der „alten“ Kompass Group öffnet, findet dort jedoch die Bilder der geschassten Vorstände Schmidt und Renziehausen sowie des Ex-Vorstands Fuchs, die sich dort als „Leadership Team“ der Kompass Group vorstellen. Sie haben offenbar die Administratoren-Rechte für die Server und Datenbanken, wie das Handelsblatt vermutet. Und die "alte" Kompass Group regelrecht ausgesperrt.

Die Neugründung wiederum provozierte eine Gegenreaktion der „alten“ Kompass Group, die vehement bestritt, dass das operative Geschäft und die Bilanzpositionen auf die Neugründung übertragen worden seien. "Dies ist alles nicht richtig, sondern eine gezielte Täuschung, sowohl über die Identität und Struktur des Unternehmens, das Vermögen sowie gewerbliche Schutzrechte“, sagte Nicos Pohland, neuer Vorstand der alten Gruppe, laut einer Pressemitteilung, die die Kompass Group -also die alte- am 2. Mai versendet hat.

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Wer jetzt noch nicht den Durchblick verloren hat, dem sei die Erwiderung darauf nahegelegt. Denn am 3. Mai verschickte die „neue“ Kompass Group Deutschland ebenfalls einen Pressetext, in dem es hieß, die Kompass Group AG habe "eine Pressemitteilung mit den Vorwürfen unwahrer Tatsachenbehauptungen und des Identitätsdiebstahls gegen die Kompass Group Deutschland AG" verschickt. Man könnte sich an dieser Stelle in einem David-Lynch-Film wähnen.

Streit um Minderheitsaktionärin

Was also ist da los - und wer ist im Recht? Grund für den Streit ist eine Minderheitsaktionärin der „alten“ Kompass Group, wie es in den Medienberichten heißt: die Deutsche Treuwert Wealth Management (DTW). Ein Vorstand der DTW ist stellvertretender Aufsichtsrats-Vorsitzender der „alten“ Gruppe, wie das Fachportal Das Investment berichtet. Im Juni 2023 ging Kompass eine Kooperation mit dem Investor ein, in dem dieser sich laut Das Investment verpflichtet hatte, mindestens fünf Millionen Euro zu investieren. "Das Investment" hat hierfür auch eine Compliance-Untersuchung der Wiesbadener Rechtsanwaltskanzlei Dierlamm ausgewertet.

Eine Tochterfirma der Deutsche Treuwert geriet jedoch negativ in die Schlagzeilen: die DR Deutsche Rücklagen GmbH. Sie investiert Ersparnisse von Wohnungseigentümern in Anleihen. Die Deutsche Rücklagen vergab aus diesen Mitteln Darlehen, nach eigenen Angaben an Unternehmen der Immobilienwirtschaft. Doch gegen das Unternehmen wurden Vorwürfe laut, dass Teile des investierten Geldes verschwunden seien. Unter anderem berichteten Medien der ARD über die Vorwürfe - Sie interviewten Wohnungseigentümer, die vergeblich auf Gelder warteten. Und denen angeblich ohne Einwilligung hohe Beträge abgebucht worden seien, die dann in entsprechende Anlagen investiert werden sollten. Der Bayerische Rundfunk sah Interessenskonflikte und personelle Verflechtungen: Zwischen aufgekauften Hausverwaltungen, der Deutsche Rücklagen GmbH - und jenen Projektgesellschaften, in die das Geld floss.

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In diese Geschäfte mit verwickelt ist die Consigma Gruppe, die Hausverwaltungen und Immobilienmanagement betreibt. Sie habe Rücklagen von Immobilienbesitzern in Anleihen der Deutsche Rücklagen GmbH investiert, heißt es in den ARD-Berichten. Die entsprechenden Finanzinstrumente habe die Deutsche Treuwert zur Verfügung gestellt. Laut Berichten von ARD-Medien hätten Consigma-Verantwortliche in mehreren Fällen keinen Eigentümerbeschluss eingeholt, ob sie angesparte Gelder in Anleihen der Deutsche Rücklagen investieren dürfe, und es dann trotzdem getan. Consigma bestreitet alle Vorwürfe: Man habe rechtliche Schritte gegen die ARD eingeleitet, weil die Berichte rufschädigend und unkorrekt seien.

Aufgrund dieser Berichte haben die Eigentümer der neu gegründeten Kompass Group Deutschland darauf bestanden, dass die Deutsche Treuhand sich als Minderheitsaktionärin zurückziehe, berichten „Das Investment“ und „Handelsblatt“ übereinstimmend: Man habe schlicht einen Imageschaden für den Maklerdienstleister befürchtet. Dem Investor sei ein entsprechendes Rückkauf-Angebot für die gehaltenen Anteile unterbreitet worden.

Doch der Aufsichtsrat habe den Rückkauf abgelehnt. Auch, weil ein Vorstand der Deutsche Rücklagen GmbH und Consigma mittlerweile zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Kompass Group berufen worden sei: namentlich wolle er nicht genannt werden. Dies habe zu „Plan B“ geführt, nämlich die Kompass Group neu zu gründen. Denn auch Investoren hätten sich zunehmend quergestellt. „Wir mussten uns von diesem Reputationsrisiko lösen, um weiter mit Investoren sprechen zu können“, zitiert das „Handelsblatt“ eine Mitteilung der neu gegründeten Gesellschaft.

Vorausgegangen waren zwei weitere Schritte, die die Neugründer zum Handeln veranlassten. Mitte März untersagte die BaFin der Deutsche Rücklagen GmbH das Kreditgeschäft. Unter der Rubrik Warnungen & Aktuelles steht auf ihrer Webseite: "Die Finanzaufsicht BaFin hat mit Bescheid vom 12. März 2024 angeordnet, dass die in Tauberbischofsheim ansässige DR Deutsche Rücklagen GmbH ihr Kreditgeschäft einstellen und abwickeln muss. Sie hat dafür keine Erlaubnis.“ Bereits einen Monat zuvor hatte die Aufsichtsbehörde bekanntgegeben, es bestehe der Verdacht, die DR würde Wertpapiere ohne das dafür erforderliche Prospekt anbieten. Eine Anordnung, gegen den sich das Unternehmen laut „Das Investment“ juristisch wehren will und bereits entsprechende Schritte eingeleitet hat.

Schritt zwei: Laut „Das Investment“ haben die Vorstände der Kompass Group bei der Allianz eine Directors- and- Officers-Versicherung angefragt. Mit dieser Haftpflicht-Police sichern sich Entscheidungsträger von Unternehmen dagegen ab, dass sie im Fall von Fehlhandlungen mit ihrem eigenen Vermögen haften. Die Allianz habe dies abgelehnt. Explizit habe die Allianz auf die negative Berichterstattung über die Deutsche Rücklagen GmbH verwiesen.

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Dem entgegen bestreitet Nicos Pohland, der neue Vorstand der alten Kompass Group (Es ist kompliziert!), dass der „Plan B“ mit der Neugründung des Unternehmens tatsächlich notwendig gewesen sei. Gegenüber dem „Handelsblatt“ betont er, dass dass die Deutsche Treuwert als Minderheitseignerin längst alle Anteile an der DR Deutsche Rücklagen abgestoßen habe. Der Aufsichtsrat der „alten“ Kompass Group hat mittlerweile eine einstweilige Verfügung gegen den neuen unliebsamen Wettbewerber Kompass Group Deutschland erlassen: unter anderem wegen Identitätsdiebstahl. Das verantwortliche Landgericht Mannheim habe diese laut den Medienberichten aber abgelehnt. Stattdessen soll es nun eine mündliche Verhandlung geben, die für Ende Mai angesetzt ist.

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