Fehlanreize einer Versicherungspflicht
DAV-Vorstand Happacher nennt einen weiteren Grund, warum der Aktuarverband gegen eine Einheitsprämie ist: Er warnt vor 'massiven Fehlanreizen', da Hausbesitzer möglicherweise auf Prävention verzichten, wenn sie wissen, dass Schäden ersetzt werden. Dadurch könnten höhere Schäden entstehen, die auf die Prämien des gesamten Kollektivs abgewälzt werden.
- Hochwasser-Gefahren: Aktuare erwarten keine sinkenden Prämien durch Elementarschadenpflicht
- Fehlanreize einer Versicherungspflicht
Eine Lösung, die Happacher nicht nennt, könnte sein, dass die Versicherer Präventionsanforderungen in die Versicherungsbedingungen aufnehmen, sodass die volle Auszahlung der Versicherungssumme von bestimmten Präventionsmaßnahmen abhängig ist. Im Zweifel hängt es von der konkreten Ausgestaltung der Versicherungspflicht ab, ob und welche Obliegenheiten die Versicherer formulieren können - hier wäre also auch der Gesetzgeber gefragt, entsprechende Vorkehrungen ausreichend zu würdigen.
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Mehr staatliche Prävention angemahnt
Aber das Vertrauen in den Staat bzw. seine Organe -Bundesländer und Kommunen- ist bei den Aktuaren mit Blick auf den Katastrophenschutz nicht so stark ausgeprägt. Zwar wird das nicht direkt kommuniziert, klingt aber im Text durch. Denn der DAV drängt auf deutlich mehr Prävention und strengere Regeln. Nicht von ungefähr: So wurden zum Beispiel nach der verheerenden Katastrophe im Ahrtal 2021, die vielen Menschen das Leben kostete und Existenzen zerstört hat, zahlreiche Versäumnisse bekannt. Warnungen wurden ignoriert, das Alarmsystem, um die Bevölkerung zu warnen, funktionierte nicht, Baugruben waren nicht ausreichend gesichert, die Einsatzkräfte nicht ausreichend ausgestattet - und Gebäude standen an Stellen, an denen sie vielleicht gar nicht hätten gebaut werden dürfen. Das zeigte unter anderem ein Gutachten im Auftrag der Zurich.
So fordert die DAV eine "verstärkte Präventionsarbeit auf kommunaler, landes-, bundes- und internationaler Ebene": Dies sei ein Hauptanliegen des Verbandes. Die Prävention von privaten und gewerblichen Hausbesitzern solle hierbei mit geeigneten Maßnahmen gefördert werden. "Ernsthafte Prävention kann die Prämien für private Gebäude signifikant absenken – teilweise bis auf die Hälfte. Für gewerbliche und industrielle Risiken an exponierten Flusslagen können sogar noch höhere Einsparungen erzielt werden“, so Happacher.
Eine Grundvoraussetzung sei aber, dass der Staat selbst bei der Prävention nachbessere. Das betreffe zum Beispiel den Deichbau, aber auch die strengere Regulierung der Ausweisung von Bauland. „Noch viel wichtiger als regionale fokussierte Einzelmaßnahmen ist es jedoch, dass z.B. Hochwasserschutz auf höherer Ebene orchestriert wird. Flüsse fließen oft durch mehrere Bundesländer und Nationen. Daher fängt Hochwasserschutz auch schon in Zuständigkeitsgebieten an, die von den Folgen nicht unbedingt betroffen sein müssen. Trotzdem ist es wichtig, dass hier etwas unternommen wird“, sagt der DAV-Vorstand.
Kumulrisiko: keine sinkenden Prämien?
Dass die Prämien breitflächig durch eine Versicherungspflicht sinken, weil das Hochwasser-Risiko auf mehr Schultern verteilt wird, erwartet Happacher nicht. Und das liegt nicht allein an den möglichen Fehlanreizen, sondern daran, dass hier Risikovorsorge für ein sogenanntes Kumulrisiko getroffen wird. Kumul leitet sich vom lateinischen Begriff „kumulus“ ab, was soviel wie „Anhäufung“ bedeutet. Und damit ist bereits der Charakter solcher Schäden benannt: Sie treten zur gleichen Zeit vielfach und weit verbreitet auf, sodass auch die Versicherer zeitgleich sehr viele Schäden ersetzen müssen. Ab einer bestimmten Größe entziehen sich Kumulrisiken sogar der Versicherbarkeit: Für internationale Schlagzeilen sorgte zum Beispiel, dass nach wiederkehrenden Hurrikans an der US-Küste der USA dort Häuser nicht mehr versicherbar sind und Versicherern sogar die Pleite droht, weil die enorme Summe gleichzeitig auftretender Schäden ihre Finanzkraft sprengt.
Dieses Kumulrisiko wird bei der Debatte um eine Elementarpflicht oft nicht mit beachtet - die DAV warnt nun vor den Risiken. „In Deutschland haben wir mit Donau, Elbe, Ems, Oder, Rhein und Weser insgesamt sechs große Stromsysteme, die durch Kanäle verbunden sind. Hinzu kommen die Küstengebiete. Wenn ein oder zwei Flüsse von Hochwasser betroffen sind, dann sind eine ganze Menge Schäden entlang dieser Systeme erwartbar. Daher ist es so wichtig, dass Elementarschadenversicherungen durch Rückversicherer abgedeckt sind. Diese agieren nämlich weltweit. Sie können auf die Art regionale Risiken sehr effizient ausgleichen“, sagt Max Happacher. Ein staatlicher Rückversicherer sei zwar auch denkbar, aber angesichts der besseren Spezialisierung und Ausrichtung der privaten Rückversicherwirtschaft eher eine Backup-Lösung zweiter Wahl.
Das hohe Kumulrisiko führe letztendlich dazu, dass die Prämien auch dann nicht sinken, wenn deutlich mehr Hausbesitzer abgesichert sind - und folglich Beitrag zahlen. „Es gibt vereinzelt die Behauptung, eine Pflichtversicherung führe zu geringeren Prämien, weil dann die Zunahme der Versichertenzahl das Gesamtkollektiv entlaste. Das ist nicht erwartbar, weil dieser Mechanismus im Falle von Elementarschadenversicherungen nicht in dem Maße greift, wie mancher es sich erhofft. Denn bei Hochwasser sind eben in der Regel alle Häuser in einer Region, die eine bestimmte Gefahrenklasse aufweisen, gleichermaßen gefährdet", erklärt Happacher.
Man könne sich das gut vor Augen führen: "Wenn an einem Flussufer jedes Haus überflutet wird, macht es letztlich für die Einzelprämie keinen Unterschied, ob nun alle Häuser, jedes zweite oder jedes dritte Haus davon versichert ist. Das Verhältnis von betroffenen und nicht betroffenen Häusern bleibt vergleichbar", so Happacher.
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